1. Auch wenn der Mieter gegen die beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen keine Härtegründe im Sinne von § 555 d Abs. 2, 3 BGB geltend gemacht hat, kann eine Duldungsverweigerung berechtigt sein, wenn der Vermieter in oder anlässlich der Modernisierungsankündigung das Rücksichtnahmegebot aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat. In einem solchen Falle berechtigt die Duldungsverweigerung des Mieters den Vermieter nicht zu einer Kündigung des Mietverhältnisses.
2. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet den Vermieter, bei der Durchführung der Baumaßnahmen auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen. Welche Rücksichtnahmepflichten sich konkret ergeben, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Lebensumstände und Belange des konkret betroffenen Mieters beantworten.
3. Gemäß § 559 d Satz 1 Nr. 3 BGB wird vermutet, dass der Vermieter seine Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, wenn die bauliche Veränderung in einer Weise durchgeführt wird, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen. Die Vermutungswirkung bezieht sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere auf die Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB.
4. Dies zugrunde gelegt, ist der Vermieter nach Art. 13, 14 GG, § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, bei der Planung und Ausführung der Arbeiten auf die – auch gesundheitlichen – Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen (hier hatte die Vermieterin den mit 85 Jahren hochbetagten Mieter zu Handlungen aufgefordert, die offensichtlich unter allen Umständen (auch aus Sicht der Vermieterin) einschneidende Veränderungen für das Leben des Mieters bedeuten mussten. Sie hat ihre Auffassung von den (vermeintlichen) Pflichten des Mieters ohne eine normativ anzuerkennende Grundlage in massiver Weise vorgebracht, indem der Mieter sich zunächst mit der Androhung einer Kündigung und alsbald mit einer Realisierung dieser Drohung konfrontiert sah. Nicht unberücksichtigt bleiben kann im Rahmen der Abwägung, dass sie dem Mieter darüber hinaus immer wieder suggeriert hat, zur Übernahme von Kosten nicht (rechtlich) verpflichtet zu sein, obwohl sich aus §§ 555 a Abs. 3, 555 d Abs. 6 BGB das Gegenteil ergibt.).
LG Berlin II vom 22.10.2024 – 65 S 139/24 –,
mitgeteilt von RA Henrik Solf
Das Urteil ist ein weiteres im Rahmen der mittlerweile stadtbekannten Modernisierung mit Verdrängungseffekt in der Tegeler Siedlung am Steinberg (auch Kleinkleckersdorf genannt).
Kurzfristig verlangte die Eigentümerin von dem schwer kranken Mieter, das Reihenhäuschen für die Dauer der Bauarbeiten zu räumen – ohne ihm eine zumutbare Ausweichwohnung anzubieten. Als er sich weigerte, wurde ihm gekündigt.
Das Landgericht wies die Kündigung als unwirksam zurück. Nicht der Mieter, sondern die Vermieterin habe Pflichtverletzungen begangen, indem sie den inzwischen 85-Jährigen zu einem Auszug aufgefordert habe, der für sein Leben einschneidende Veränderungen mit sich gebracht hätte.
Das Besondere – und für Mieter erfreuliche – an dem Urteil ist, dass Mieter rücksichtslosen Modernisierungsmaßnahmen selbst dann widersprechen dürfen, wenn sie keinen gesetzlichen Härtegrund einwenden können oder die Frist hierzu verpasst haben.
Urteilstext:
Gründe:
I.
Der Beklagte, Jahrgang 1939, ist seit dem 1. Dezember 1978 Mieter des Reihenhauses Am Brunnen 3, das aus vier Zimmern, Küche, Bad mit Toilette und Keller besteht. Es ist Teil der unter Denkmalschutz stehenden Siedlung Am Steinberg. Der Beklagte bewohnt das Reihenhaus (zu nächst mit seinen Eltern) schon seit seiner Geburt.
Die Klägerin trat durch Erwerb der Siedlung von der GSW Immobilien GmbH (auch) in das Mietverhältnis zu dem Beklagten ein.
Zuletzt mit Schreiben vom 12. Juli 2018 (Beiakte, Az. 22a C 286/19 [AG Wedding] = 63 S 415/19, Bl. 18ff.) kündigte die Klägerin umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an; eine vorangegangene Ankündigung war unwirksam. Die Klägerin teilte in der Ankündigung mit, dass sich die Miete nach Ausführung der Arbeiten voraussichtlich um 1.360,19 € erhöhen werde.
Mit Urteil vom 21. Dezember 2021 verurteilte die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin II den Beklagten zur Duldung von Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie dazu, den von der Vermieterin beauftragten Handwerkern jeweils nach entsprechender rechtzeitiger Ankündigung von Montag bis Freitag zwischen 7.00 Uhr und 18.00 Uhr Zugang zu gewähren; im Übrigen wies die Zivilkammer 63 die Klage ab. Wegen der Einzelheiten der Gründe wird auf den Inhalt des Urteils Bezug genommen (Bl. 21 ff. HybA). Die gegen das Urteil vom Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Beklagte nach einem entsprechenden Hinweis des Bundesgerichtshofs am 30. Mai 2022 zurückgenommen (Beiakte, Bd. III/27).
Mit Schreiben vom 20. Juli 2023 (Bl. 46 f. HybA) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie beabsichtige, die nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom Beklagten zu duldenden Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen ab 4. September 2023 umzusetzen.
In dem Schreiben wird unter anderem ausgeführt:
„Wir benötigen ab dem o.g. Datum Baufreiheit, um die vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen. Aufgrund des Umfangs der Maßnahmen ist eine Bewohnbarkeit der Immobilie in der Zeit der Bauphase nicht gegeben.
Aus dem Urteil heraus sind wir nicht zur Stellung von Ersatzwohnraum verpflichtet, unterstützen Sie bei Bedarf selbstverständlich bei der Suche nach einer Wohnung. Dies hatten wir bei dem persönlichen Termin (…) unter Vorlage einer konkreten Ersatzwohnung angeboten. (…) Auch die avisierten Termine, an denen Sie Wohnungen besichtigen können, haben sich an uns nicht benannt. (…)“
Wir bitten Sie innerhalb von zwei Wochen ab Zugang dieses Schreibens zu erklären, dass Sie die Wohnung fristgemäß räumen und für Baufreiheit sorgen werden. Wir unterstützen Sie im gemeinsamen Interesse und zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen gern, falls bei Ihnen Hindernisse der Beräumung bestehen.“
Der Beklagte reagierte mit Schreiben des Berliner Mietervereins vom 4. August 2023 (Bl. 80 HybA).
Er erhob unter Bezugnahme auf § 555d Abs. 3, 4 BGB und eine beigefügte Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Bezirksamtes Reinickendorf den Einwand der Härte. Als neuer Härtegrund liege ein reaktiv-depressives Syndrom vor. Er verwies zudem auf den Tenor des Urteils des Landgerichts (ZK 63), wonach er nur zur Duldung und Zutrittsgewährung, nicht aber zur Schaffung von Baufreiheit und vorübergehenden Räumung verurteilt worden sei.
Die Klägerin wies den vom Beklagten erhobenen Einwand einer gesundheitlichen Härte mit Schreiben vom 30. August 2023 (Bl. 48ff. HybA) unter anderem als verspätet zurück. Die Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes sei im Übrigen nicht verwertbar.
Das Schreiben enthielt unter anderem folgende Ausführungen:
„Ihr Verweis auf den Tenor ist zwar grundsätzlich zutreffend, allerdings ergibt sich unmittelbar aus den tenorierten Maßnahmen, dass eine Bewohnbarkeit nicht mehr gegeben sein wird. Wir gehen davon aus, dass Ihr Mitglied nicht wünscht, montags bis freitags das Objekt um 7 Uhr zu öffnen und um 18 Uhr zu schließen.
Dies vorweggenommen haben wir bereits in unserem Schreiben vom 20.07.2023 darauf verwiesen, dass Ihr Mitglied von dem bereits (…) unterbreiteten Angebot, Ersatzwohnraum zu beschaffen, keinen Gebrauch gemacht hat und ganz im Gegenteil jedwede Umsetzung in eine Ausweichwohnung zurückwies. Trotz dessen haben wir in unserem vorgenannten Schreiben abermals unsere Hilfsbereitschaft signalisiert, Ihrem Mitglied eine Ausweichwohnung zu beschaffen.
Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht teilen wir mit, dass am 04.09.2023 ein Umzugsunternehmen bereitstehen wird, um Ihr Mitglied bei dem Einpacken und dem Transport seines Mobiliars in eine Ausweichwohnung zu unterstützen. Als Ausweichwohnungen bieten wir Ihnen (…) Wohnungen an:
Bellermannstr. 90, Hinterhaus, 2. OG, 48 m 2 , 10 EUR/nettokalt zzgl. 150 EUR BK-Vorauszahlung
Hindenburgdamm 49, Hinterhaus 1, 110 m 2 , 7 EUR nettokalt zzgl. 250 EUR BK-Vorauszahlung
(…)
Sollte Ihr Mitglied die Zugänglichkeit am 04.09.2023 verweigern, werden wir dies als schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten Ihres Mitglieds aus seinem Mietverhältnis werten und behalten uns entsprechende weitere rechtliche Schritte sowie die Vollstreckung vor. (…)“
Mit Schreiben vom 5. September 2023 (Bl. 51 f. HybA) bot die Klägerin einen Umzug am 22. September 2023 an und mahnte den Beklagten ab. Das Schreiben enthielt folgenden Hinweis:
„Sollten Sie an der Zuwiderhandlung festhalten und den Zugang zu Ihren Räumen weiterhin verweigern sowie bei der Durchführung der rechtskräftig festgestellten Modernisierungsmaßnahmen nicht mitwirken, kann dies ein Recht auf außerordentlich fristlose, jedenfalls ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses begründen, die wir uns ausdrücklich vorbehalten (§§ 543, § 573 c BGB). (…)“
Mit Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2023 (Bl. 53 ff. HybA) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Sie führte unter anderem aus:
„Unserer Mandantin wurde somit die Möglichkeit genommen, die Modernisierungsmaßnahmen, deren Durchsetzung aufgrund Ihrer fehlenden Kooperationsbereitschaft um mehr als drei Jahre verzögert wurde und für die Ihre Duldungspflicht rechtskräftig festgestellt wurde, zu vereiteln.
Da Sie anwaltlich vertreten sind, ist Ihnen auch bewusst, dass die Verweigerung der Duldung von Arbeiten, zu deren Duldung Sie rechtskräftig verurteilt wurden, einen schwerwiegenden Vertragsverstoß darstellen. Ein solchermaßen schwerwiegender Vertragsverstoß führt dazu, dass dem Vermieter ein Festhalten am Mietverhältnis nicht zumutbar ist.“
Der Beklagte (selbst) hat die ihm über einen Gerichtsvollzieher zugestellte Kündigung mangels Vollmachtvorlage zurückgewiesen (Bl. 79 HybA), im Prozess (anwaltlich vertreten) klargestellt, dass die Vollmacht mit einer unleserlichen Unterschrift versehen sei, die nicht nahelege, dass sie vom Geschäftsführer der Klägerin M. stamme. Die Unterschrift auf der Vollmacht stammt eher von einer Person, deren Vorname mit „D.“ beginne (Bl. 56 HybA).
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 erneut unter Vorlage einer neuen Vollmacht die Kündigung ausgesprochen. Die Kündigung wurde nicht zu den Akten gereicht.
Die Zurückweisung der Kündigung durch den Beklagten hat die Klägerin im Schriftsatz vom
20. Februar 2024 zum Anlass genommen, eine Kündigung wegen unwahrer Tatsachenbehauptungen wider besseren Wissens auszusprechen (Bl. 86, [88] HybA).
Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 22. April 2024, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, zur Räumung verurteilt und eine Räumungsfrist von 3 Monaten gewährt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe am 4. September 2023 gegenüber Mitarbeitern der Klägerin geäußert, die titulierten Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten nicht dulden zu wollen; zudem habe er den von der Klägerin beauftragten Handwerkern am 22. September gegen 10:00 Uhr den Zutritt zu den Räumlichkeiten verweigert. Auf diesen unstreitigen Sachverhalt stütze sich die Kündigung vom 5. Oktober 2023. Die Missachtung eines titulierten Duldungsanspruchs stelle eine gravierende Vertragsverletzung durch den Mieter dar. Der Klägerin sei ein Zuwarten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hier nicht zumutbar gewesen, da die Kündigungsfrist wegen der Dauer des Mietverhältnisses zwölf Monate betrage. In diesem Zeitraum könne sich der Zustand der Mietsache durchaus verschlechtern. Auch die Möglichkeit, dass der Beklagte bis zu seinem Lebensende in den streitgegenständlichen Räumen wohnen bleibe und erst hiernach die Instandsetzung und Modernisierung durchgeführt werde, könne wegen des Risikos der Verschlechterung der Gebäudesubstanz von der Klägerin nicht verlangt werden. Da schon kein Duldungstitel zur Annahme eines wichtigen Grundes nach § 543 Absatz 1 Satz 1 BGB erforderlich sei, könne die Klägerin auch nicht darauf verwiesen werden, zunächst das Vollstreckungsverfahren aus dem rechtskräftigen Urteil abschließend betreiben zu müssen, bevor sie eine fristlose Kündigung erklärt. Die Einwendungen des Beklagten gegen seine Duldungspflicht würden nicht durchgreifen. Soweit sich der Beklagte unter Bezugnahme auf die ärztliche Stellungnahme des Bezirksamtes Reinickendorf (Sozialpsychiatrischer Dienst) auf eine besondere Härte wegen gravierender gesundheitlicher Einschränkungen berufe, sei dies nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens durch das Landgericht nur unter den Voraussetzungen des § 555d Abs. 3, 4 BGB zu berücksichtigen, die nicht vorlägen. Der Beklagte habe im Duldungsrechtsstreit Einwendungen gegen die Modernisierungsmaßnahmen nicht erhoben. Umstände nach Ablauf der Frist seien nur noch dann zu berücksichtigen, wenn der Mieter ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war und er dem Vermieter die Umstände sowie die Gründe der Verzögerungen unverzüglich in Textform mitteile. Auch im Rahmen der Abwägung nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB würden keine weiteren Gründe gegen die ausgesprochene Kündigung sprechen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte aufgrund seines hohen Alters nicht mehr erkennen konnte, dass er dem Duldungstitel Folge zu leisten hatte und die Folgen seiner Weigerungshaltung nicht vorhersehen oder vermeiden konnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 23. April 2024 zugestellte Urteil am 14. Mai 2024 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung innerhalb der verlängerten Frist am 24. Juli 2024 (Montag) begründet.
Er meint, die Klägerin habe nie vorgetragen, dass die Modernisierung- und Instandsetzungsmaßnahmen für die Erhaltung des Mietobjekts von wesentlicher Bedeutung seien. Die fehlende Dringlichkeit der Maßnahmen folge schon daraus, dass die Klägerin mit der Umsetzung des Urteils im Duldungsrechtsstreit zugewartet habe. Der Beklagte habe nie geäußert, die Maßnahmen nicht dulden zu wollen und auch nicht den Zutritt zu seinem Haus verweigert. Er meint, seine zunehmend schlechter werdende gesundheitliche Verfassung sei zu berücksichtigen. Er könne aufgrund der Belastung durch die Rechtsstreitigkeiten seinen Lebensalltag nur noch mit der Hilfe von Freunden und Nachbarn bewältigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Wedding abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie meint, es sei durchaus zu berücksichtigen, dass das vom Beklagten bewohnte Gebäude seit Jahrzehnten nicht modernisiert wurde, damit bezogen auf den Instandhaltungs- wie auch den Modernisierungsstandard „unstreitig“ nicht mehr zeitgemäß sei. Die Fenster seien undicht und marode, die Dacheindeckung ebenfalls, diese zudem 100 Jahre alt. Weiterhin sei die Mietsache noch nicht mit einer modernen Heizung ausgestattet, unter anderem die Kaltwasserleitungen, die Fensterläden, Klingeln und die Schließanlage müssten erneuert bzw. überarbeitet werden. Auch die Elektroinstallation sei seit mehr als 40 Jahren unangetastet geblieben. Es liege auf der Hand, dass der Klägerin ein wirtschaftlicher Nachteil entstehe, wenn die Arbeiten weiter hinausgeschoben würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen. Die Akten zu dem Verfahren 22a C 286/19 (AG Wedding) = 63 S 415/19n waren beigezogen und lagen vor.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Soweit die Klägerin die Rechtzeitigkeit der Berufung unter Hinweis darauf in Frage stellt, dass die Berufungsbegründungsfrist nur bis zum 23. Juli 2024 hätte verlängert werden dürfen, übersieht sie, dass es sich dabei um einen Sonntag handelte. Die Berufungsbegründung ging am Montag, den 24. Juli 2024 rechtzeitig ein, § 222 Abs. 2 ZPO.
III.
Die Berufung ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der an diesen von der Rechtsvorgängerin der Klägerin vermieteten Wohnung. Das zwischen ihr und der Klägerin bestehende Mietverhältnis ist durch die mit Schreiben vom 5. Oktober 2023 ausgesprochene Kündigung weder fristlos noch (hilfsweise) fristgemäß beendet worden, §§ 546 Abs. 1, 542, 543 Abs. 1 bzw. § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1, 573c Abs. 1 BGB.
Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Amtsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, juris) davon aus, dass die Verletzung der Pflicht des Mieters, Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten zu dulden, den Ausspruch einer fristlosen (oder fristgemäßen) Kündigung rechtfertigen kann.
1. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB hat das Amtsgericht hier zu Unrecht bejaht, denn es hat seiner Entscheidung einen die Rechte des Beklagten verkürzenden rechtlichen Maßstab und unzutreffende Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt.
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.
Nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Nach Satz 2 der Vorschrift liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Die Beantwortung der Frage, ob eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses gegeben ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ergebnis einer vom Tatrichter vorzunehmenden wertenden Betrachtung, in die alle im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen sind; dabei ist nicht nur das für die Kündigung maßgebliche Verhalten des Mieters, sondern auch zu berücksichtigen, inwieweit der Vermieter seinerseits seine mietvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt hat bzw. ihm Vertragsverstöße zur Last fallen (vgl. BGH, Urteil v. 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, juris Rn. 19, 33; Urteil v. 04.06.2014 – VIII ZR 289/13, juris Rn. 14).
Gemessen an diesen Maßstäben liegt der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 1 BGB nicht vor.
a) Unzutreffend geht das Amtsgericht davon aus, die Klägerin habe ihre Kündigung vom 5. Oktober 2023 auf eine Äußerung des Beklagten in einem persönlichen Gespräch zwischen ihm und Mitarbeitern der Klägerin am 4. September 2023 gestützt. Ein solches Gespräch findet im Kündigungsschreiben keine Erwähnung. Dies wäre aber zur Geltendmachung eines solchen Aspekts zwingend erforderlich gewesen, weil der Grund für eine Kündigung im schriftlichen Kündigungsschreiben nach §§ 569 Abs. 4, 568 Abs. 1, 126 BGB (zwingend) angeben werden muss. Das gilt auch für die hilfsweise fristgemäß ausgesprochene Kündigung, §§ 573 Abs. 3, 568 Abs. 1, 126 BGB.
b) Die Klägerin stützt die Kündigung vom 5. Oktober 2023 darauf, dass der Beklagte – trotz rechtskräftiger Verurteilung – die aus dem Tenor des Urteils des Landgerichts vom 21. Dezember 2021 (63 S 415/19) ersichtlichen Modernisierungsarbeiten nicht dulde. Zudem wirft sie ihm im Kündigungsschreiben vor, die Durchsetzung der Modernisierungsarbeiten über drei Jahre wegen seiner „fehlenden Kooperationsbereitschaft“ verzögert zu haben.
Letzteres trägt die Annahme einer Pflichtverletzung des Beklagten schon deshalb nicht, weil die Klägerin es selbst zu verantworten hat, dass sie nach dem Zugang der Modernisierungsankündigung vom 12. Juli 2018 beim Beklagten (Fristsetzung bis zum 31. August 2018) bis Mai 2019 (ca. neun Monate) mit der Erhebung der Duldungsklage abwartete. Die Nichtabgabe der Duldungserklärung und die Rechtsverteidigung des Beklagten in dem Duldungsrechtsstreit stellen sich als Wahrnehmung der Rechte dar, die die Rechtsordnung einem von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten betroffenen Mieter einräumt. Die Duldungsklage ist vom Amtsgericht abgewiesen worden; die Klägerin war im Berufungsverfahren erst nach Umstellung ihrer Anträge auf Hinweis des Berufungsgerichts teilweise erfolgreich. Ein dem Beklagten vorwerfbares Verhalten liegt darin ersichtlich nicht. Nach Abschluss des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beim Bundesgerichtshof Mitte Juni 2022 war es dann (erneut) die Klägerin selbst, die bis zum 20. Juli 2023 mit der Umsetzung des Urteils des Landgerichts in dem Verfahren 63 S 415/19 mehr als ein Jahr abgewartet hat. Ein Beitrag des Beklagten lässt sich wiederum nicht feststellen.
c) Entgegen der Einschätzung der Klägerin ist die Reaktion des Beklagten auf ihre Schreiben vom 20. Juli 2023, 30. August 2023 und 5. September 2023 nicht dahin zu bewerten, der Beklagte habe anlasslos die Duldung der Modernisierungsmaßnahmen (gemeint wohl auch: Instandsetzungen) und den dafür erforderlichen Zutritt zu dem an ihn vermieteten Reihenhaus verweigert.
Der Inhalt der außergerichtlichen Schreiben der Klägerin zeigt vielmehr, dass sie bezüglich der Pflichten des Beklagten – und der sie selbst treffenden Pflichten – einer Fehlinterpretation des Urteils und des Gesetzes unterliegt. Der Beklagte war nicht verpflichtet, den konkreten Aufforderungen in den eingangs genannten Schreiben nachzukommen. Woraus die Klägerin ein anderes Ergebnis herleiten könnte, mit welchem sie abweichend vom Gesetz zu einer Ausdehnung der Pflichten eines zur Duldung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen verurteilten Mieters gelangen würde, ergibt sich vorliegend nicht.
(1) Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den hier maßgeblichen vertraglichen Pflichtenkreis der Parteien sind die §§ 555a Abs. 1, 3, 555d Abs. 1, 6 BGB.
Der Mieter hat Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen danach zu dulden, § 555a Abs. 1, 555d Abs. 1 BGB, der Vermieter sie den Anforderungen des Gesetzes gemäß anzukündigen, §§ 555a Abs. 1, 555c BGB. Nach § 555a Abs. 3 BGB hat der Vermieter dem Mieter zudem in angemessenem Umfang Aufwendungen zu ersetzen, die dieser infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss. Auf Verlangen des Mieters hat der Vermieter Vorschuss zu leisten. Nach § 555d Abs. 6 BGB gilt die Regelung entsprechend für Modernisierungsmaßnahmen.
(aa) Der (im Gesetz verwendete) Begriff der Duldung beinhaltet schon seinem Wortsinn nach kein aktives Tun, sondern beschränkt sich auf ein passives Zulassen. Als „aktive“ Mitwirkungshandlung schuldet der Mieter lediglich, dem Vermieter oder den mit der Ausführung der Arbeiten beauftragten Personen – soweit erforderlich -, Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Weitere Mitwirkungspflichten ergeben sich allenfalls in engen Grenzen aus § 242 BGB, etwa bei der Terminabstimmung oder der Sicherstellung privater höchstpersönlicher Unterlagen (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, juris Rn. 19, 33; Blank/Börstinghaus/Siegmund/Börstinghaus, 7. Aufl. 2023, BGB § 555a Rn. 10ff.; MüKoBGB/Artz, 9. Aufl. 2023, BGB § 555a Rn. 16; BeckOGK/Schepers, 1.4.2024, BGB § 555d Rn. 9ff.; Staudinger/ J Emmerich (2021) BGB § 555d Rn. 3; § 555a Rn. 9).
Eine Verpflichtung des Mieters, die an ihn vermieteten Räume zu verlassen bzw. – der Wortwahl der Klägerin folgend: „zu räumen“ – und in eine Ersatzwohnung umzuziehen, kommt allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen, etwa dann in Betracht, wenn Erhaltungsmaßnahmen bei einem baufälligen Haus nicht anders erledigt werden können (BGH, Urteil v. 11.12.2014 – IX ZR 87/14, juris Rn. 14, mwN; Kammer, Urteil v. 17.12.2016 – 65 S 301/15, juris; Blank/Börstinghaus/Siegmund/Börstinghaus, 7. Aufl. 2023, BGB § 555a Rn. 12; Staudinger/ J Emmerich (2021) BGB § 555a Rn. 9).
(bb) Dies zugrunde gelegt, fehlte eine gesetzliche Grundlage für die Aufforderung der Klägerin im Schreiben vom 20. Juli 2023, der Beklagte möge innerhalb von zwei Wochen erklären, dass er die Wohnung fristgemäß räumen und für Baufreiheit sorgen werde. Auf eine solche Aufforderung hätte der Beklagte (als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB) wohl nicht einmal reagieren müssen. Tat er dies durch das Schreiben des Berliner Mietervereins dennoch, so wies er die (als Unternehmerin am Markt agierende) Klägerin überobligatorisch auf die geltende Rechtslage hin.
(cc) Soweit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und in der Literatur ausnahmsweise eine Verpflichtung des Mieters anerkannt wird, für die Zeit der Ausführung der zu duldenden Maßnahmen in eine Ersatzwohnung umzuziehen, sind die dafür erforderlichen Voraussetzungen hier weder vorgetragen noch ergeben sie sich sonst. Mit Blick auf den Ausnahmecharakter einer solchen Verpflichtung des Mieters kann es ersichtlich nicht ausreichen, dass der Vermieter eine entsprechende Lage begründungslos unterstellt.
Anhaltspunkte für eine Baufälligkeit des vom Beklagten seit vielen Jahrzehnten beanstandungslos bewohnten Hauses hat die Klägerin erstinstanzlich weder vorgetragen noch ergeben sie sich. Es mag für sie komfortabler sein, ein unbewohntes Haus instand zu setzen und zu modernisieren. Das ist indes kein Gesichtspunkt, der in einem entsprechenden gegen den Mieter gerichteten Anspruch Eingang in das Gesetz gefunden hätte.
Zu Recht beanstandet der Beklagte, dass das Amtsgericht ohne Vortrag und/oder eigene Ortskenntnis ein Risiko der Verschlechterung der Gebäudesubstanz in den Raum gestellt habe.
Soweit die Klägerin erstmals in der Berufungserwiderung die Ansicht des Amtsgerichts damit untermauern will, dass sie auf den Zustand der Fenster, der Dacheindeckung und die Beheizung des Hauses durch Öfen verweist, muss sie sich den Inhalt ihrer Ankündigung vom 12. Juli 2018 entgegenhalten lassen (Beiakten, Bl. I/18ff.). Maßnahmen in Bezug auf die vorgenannten Bauteile hatte sie (nahezu) ausschließlich als Modernisierungsmaßnahmen angekündigt, als Instandsetzungsmaßnahmen lediglich den Austausch einzelner Fenster, die Überarbeitung der Fensterläden, der Klingel- und Schließanlage, der Innentüren und Kaltwasserleitungen. Im Übrigen sollte der Abwasseranschluss lediglich überprüft und Maßnahmen am Schornstein (nur) ausgeführt werden, wenn der Schornsteinfeger diese für erforderlich hält. Abzüge für ersparte Erhaltungsmaßnahmen hat die Klägerin im Rahmen der zu erwartenden Mieterhöhung nicht angesetzt. Auch im Übrigen finden sich zum Ist-Zustand der Immobilie im Ankündigungsschreiben nahezu keine Angaben, erst recht kein Hinweis auf eine etwaige (eingetretene oder drohende) Baufälligkeit.
(dd) Aus welchen konkreten Gründen das an den Beklagten vermietete Haus während der Ausführung der Maßnahmen für den von der Klägerin angesetzten Zeitraum nicht bewohnbar sein soll, lässt sich dem Ankündigungsschreiben und den außergerichtlichen Schreiben der Klägerin ebenfalls nicht entnehmen.
Die von Klägerin in ihrem Schreiben vom 30. August 2023 geäußerte Annahme, der Beklagte wünsche sicher nicht, „das Objekt“ (über welchen Zeitraum?) von montags bis freitags um 7 Uhr zu öffnen und um 18 Uhr zu schließen, belegt erneut ihr Fehlverständnis der Duldungspflicht und der Pflicht des Beklagten, den Zutritt zur Mietsache zu gewähren.
Der Beklagte ist zur Gewährung des Zutritts nur verpflichtet, soweit dies für die Ausführung der Arbeiten erforderlich ist, dies nach rechtzeitiger Ankündigung. Für einen großen Teil der Arbeiten (Rüstung, Fassade, Dach) lässt sich bereits nicht feststellen, dass die von der Klägerin beauftragten Personen Zutritt zu dem vom Beklagten bewohnten Haus überhaupt benötigen. Die Klägerin suggeriert dem inzwischen 85-jährigen Beklagten dadurch – ihrerseits pflichtwidrig – eine Situation, die weder rechtlich noch tatsächlich so gegeben ist. Der Beklagte muss „das Objekt“ um 18 Uhr auch nicht etwa verschließen; die von der Klägerin Beauftragten müssen das vom Beklagten bewohnte Haus vielmehr verlassen.
Weder der Ankündigung vom 12. Juli 2018 noch den außergerichtlichen Schreiben der Klägerin oder ihrem Vortrag in diesem Verfahren lassen sich konkrete Gründe entnehmen, weshalb die Arbeiten, zu deren Duldung der Beklagte verurteilt wurde, nur ausgeführt werden können, wenn dieser für (wohl mindestens) drei Monate aus dem an ihn vermieteten Reihenhaus auszieht. Sie ergeben sich auch sonst nicht.
Die Klägerin übersieht ganz grundlegend, dass das – vertragsbezogene – Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB sie verpflichtet, bei der Durchführung der Baumaßnahmen auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen (Blank/Börstinghaus/Siegmund/Börstinghaus, 7. Aufl. 2023, BGB § 555a Rn. 13).
Welche Rücksichtnahmepflichten sich konkret ergeben, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Lebensumstände und Belange des konkret betroffenen Mieters beantworten.
Die Grenze zu einer eigenen Pflichtwidrigkeit des Vermieters, mit der dieser das ihn treffende Rücksichtnahmegebot verletzt, lässt sich anhand der Beweiserleichterung aus § 559d Abs. 1 Nr. 3 BGB bestimmen. Danach wird vermutet, dass der Vermieter seine Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, wenn die bauliche Veränderung in einer Weise durchgeführt wird, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen. Die Vermutungswirkung bezieht sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere auf die Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (BT-Drs. 19/4672, S. 34). Die Regelung ist gemäß Art. 229 § 49 Abs. 1 Satz 4 EGBGB auf ein (hier vorliegendes) Verhalten nach dem 31. Dezember 2018 anwendbar.
Bezugspunkt der Rücksichtnahmepflicht ist demnach der konkrete, von der Maßnahme betroffene Mieter. Daneben gelten die Maßstäbe, die die höchstrichterliche Rechtsprechung zugunsten des – vertragstreuen – Mieters Art. 13 und Art. 14 GG entnimmt, und auf die der Beklagte zu Recht verweist (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, juris; BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 21/19, juris; Urt. v. 26.04.2023 – VIII ZR 420/21, juris).
Dies zugrunde gelegt, ist die Klägerin ihrerseits nach Art. 13, 14 GG, § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, bei der Planung und Ausführung der Arbeiten auf die – auch gesundheitlichen – Belange und keineswegs etwa nicht sachlich begründeten Befürchtungen des hier mit inzwischen 85 Jahren hochbetagten Beklagten Rücksicht zu nehmen.
Der Beklagte wohnt unstreitig bereits sein ganzes Leben in dem Reihenhaus, das die Klägerin im Rahmen des Kaufs der gesamten Siedlung erworben hat mit der Folge, dass sie in das bestehende Mietverhältnis eingetreten ist. Soweit die Klägerin im Kündigungsschreiben meint beanstanden zu können, dass der Beklagte von einer Gruppe von Sympathisanten und der Presse unterstützt wird, ist dies zunächst einmal ein Indiz dafür, dass der Beklagte in der Siedlung verwurzelt und integriert ist.
Die Klägerin wollte dem Beklagten gemäß ihren Aufforderungen zumuten, kurzfristig in eine Ersatzwohnung umzuziehen, und zwar konkret in Hinterhäuser, die 8 bis 18 km entfernt von der Wohnung des Beklagten lagen. Zwingende oder auch nur plausible Gründe für ihre Behauptung, ein Verbleib des Beklagten in der Wohnung sei ausgeschlossen, blieb sie dabei von Anfang an schuldig. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, welche wann eintretenden konkreten Abläufe und Erfordernisse die Klägerin ihrer Planung insoweit zugrunde gelegt hat. Aufgrund welcher Annahmen die Bewohnbarkeit der Räumlichkeiten „in der Zeit der Bauphase“ (welcher konkret?) nicht gegeben sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Ohne die dazu nötigen Erwägungen bleibt zulasten der Klägerin gänzlich offen, ob eine Bauausführung, die auf die Belange des Beklagten pflichtgemäß Rücksicht nimmt, möglich ist bzw. weshalb das (vermeintlich) nicht der Fall sein soll.
Zu Lasten der Klägerin wirken nicht zuletzt die konkreten baulichen Gegebenheiten. Die an den Beklagten vermieteten Räumlichkeiten liegen nicht etwa in einem Mehrfamilienhaus, in dem Baumaßnahmen gegebenenfalls ineinandergreifen müssen; die Maßnahmen sollen in einem Reihenhaus durchgeführt werden, was hinsichtlich der Bauplanung und -ausführung Spielräume eröffnet, die bei einem aus mehreren (Wohn-)Einheiten bestehenden Haus so nicht gegeben sein können.
Auch soweit die Klägerin meint, die durch ein fachärztliches Attest belegten gesundheitlichen Belange des Beklagten seien irrelevant, verkennt sie ihre Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB. Wenn der Beklagte zunächst nicht innerhalb der Frist des § 555d Abs. 3 BGB einen Härteeinwand erhoben hat, mag dies (im Duldungsprozess) nach dem Gesetz gegebenenfalls dazu geführt haben, dass dort ein Ausschluss der Duldungspflicht (§ 555d Abs. 2 BGB) im Hinblick auf eine Härte nicht zu prüfen (und zu entscheiden) war.
Ein gänzlich anderer und davon unabhängiger rechtlicher Gesichtspunkt ist aber (unter anderem) die Beachtung der gesundheitlichen Situation des Mieters im Rahmen der den Vermieter treffenden (mieterbezogenen) Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB.
Insofern hatte die Klägerin spätestens nach Kenntnis von der (fachärztlichen) Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie René de la Chaux vom 2. August 2023 jede Veranlassung, ihre – ohnehin nicht offengelegte – Bauplanung anzupassen. Es ergibt sich allerdings schon nicht, dass die Klägerin bei ihrer Planung auf das ihr bekannte Alter des Beklagten und damit einhergehende altersbedingte Einschränkungen Rücksicht genommen hätte. Es erschließt sich von selbst, dass im Rahmen der Planung und der Ausführung baulicher Maßnahmen jeweils unterschiedliche Belange zu berücksichtigen und Optionen in Erwägung zu ziehen sind, je nachdem, ob eine Familie mit kleinen Kindern, ein allein wohnender junger Mensch oder aber – wie hier – ein Mieter, der das Alter von 80 Jahren deutlich überschritten hat, von den Maßnahmen betroffen ist.
Über das vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie René de la Chaux in seiner Stellungnahme vom 2. August 2023 dargestellte Leiden des damals 83-jährigen Beklagten geht die Klägerin ohne jede belastbare Sacherwägung hinweg. Warum ihre – insgesamt nicht offengelegten – Bauplanungen „alternativlos“ sein sollten, ist in keiner Weise erkennbar. Gleiches gilt im Hinblick auf die Frage, über welche Belange des Beklagten und welche Möglichkeiten der Rücksichtnahme die Klägerin sich überhaupt nur Gedanken gemacht hätte.
(2) Die Klägerin kann die Herstellung der Baufreiheit und den Auszug des Beklagten nicht auf das Urteil des Landgerichts Berlin in dem Verfahren 63 S 415/19 stützen. Entgegen ihrer im Schrei-ben vom 30. August 2023 geäußerten Auffassung folgt ein Fortfall der Bewohnbarkeit keineswegs „unmittelbar aus den tenorierten Maßnahmen“.
Der Beklagte ist – ausschließlich – zur Duldung der im Tenor der vorgenannten Entscheidung dargestellten Maßnahmen sowie zur Gewährung des Zutritts nach rechtzeitiger Ankündigung innerhalb bestimmter Zeiten verurteilt worden. Eine vorübergehende Räumung ist – ausweislich der beigezogenen Akten und des zur Akte gereichten Urteils – im Duldungsprozess zu keiner Zeit beantragt (und schon aus diesem Grund nicht tenoriert) worden.
Die Klägerin verkennt in diesem Zusammenhang die hohen Anforderungen für Eingriffe in das Besitzrecht des vertragstreuen Mieters, wie diese sich aus dem Gesetz und aus der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der auch durch das Grundgesetz geschützten Position des Wohnraummieters ergeben. Der Besitz des vertragstreuern Mieters an den an ihn vermieteten Räumlichkeiten darf ihm (auch anlässlich von Modernisierungs- oder Instandsetzungsarbeiten) ohne beachtliche Gründe nicht (auch nicht nur zeitweilig) entzogen werden. Solche beachtlichen Gründe für einen auch nur zeitweisen Entzug des Besitzes hat die Klägerin – wie ausgeführt – zu keiner Zeit offengelegt.
(3) Aus dem vorstehenden folgt, dass die Klägerin in dem hier zu betrachtenden Kontext Pflichten aus dem Mietverhältnis verletzt hat, nicht aber der Beklagte. Selbst wenn man aus den vorliegenden Aspekten eine Pflichtverletzung (auch) des Beklagten ableiten wollte, so würde diese im Rahmen der Abwägung, insbesondere des Verschuldens der Vertragsparteien, zurücktreten. Die Klägerin hat den hochbetagten Beklagten zu Handlungen aufgefordert, die offensichtlich unter allen Umständen (auch aus Sicht der Klägerin) einschneidende Veränderungen für das Leben des Beklagten bedeuten mussten. Sie hat ihre Auffassung von den (vermeintlichen) Pflichten des Beklagten ohne eine normativ anzuerkennende Grundlage in massiver Weise vorgebracht, indem der Beklagte sich zunächst mit der Androhung einer Kündigung und alsbald mit einer Realisierung dieser Drohung konfrontiert sah. Nicht unberücksichtigt bleiben kann im Rahmen der Abwägung, dass sie dem Beklagten darüber hinaus immer wieder suggeriert hat, zur Übernahme von Kosten nicht (rechtlich) verpflichtet zu sein, obwohl sich aus §§ 555a Abs. 3, 555d Abs. 6 BGB das Gegenteil ergibt.
2. Mangels Pflichtverletzung des Beklagten liegen auch die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB nicht vor.
3. Die im Schriftsatz vom 20. Februar 2024 ausgesprochene Kündigung hat das Mietverhältnis ebenfalls weder fristlos noch fristgemäß beendet. Es liegen weder die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB noch die des § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB vor. Beide Vorschriften setzen einen Verstoß gegen Pflichten aus dem Mietverhältnis voraus. Ein solcher liegt hier mit dem von der Klägerin geltend gemachten Bestreiten der dem Kündigungsschreiben vom 5. Oktober 2023 beigefügten Vollmacht nicht vor.
Zwar können bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen den Ausspruch einer fristlosen oder fristgemäßen Kündigung rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2021 – VIII ZR 91/20; Urt. v. 08.08.2023 – VIII ZR 234/22; Urt. v. 25.10.2023 – VIII ZR 147/22; jew. zit. nach juris).
Hier lässt sich eine bewusst wahrheitswidrige Behauptung des Beklagten bereits nicht feststellen. Er hat lediglich von einem Recht Gebrauch gemacht, das die Rechtsordnung explizit vorsieht, hier § 174 BGB, und dessen Voraussetzungen gegebenenfalls von den Gerichten zu bewerten sind.
Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die Unterschrift unter der Vollmacht der hiesigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht darauf hindeutet, dass sie von dem Geschäftsführer der Klägerin M. unterschrieben wurde. Wenn der Beklagte sich vor diesem Hintergrund zu seiner Rüge entschloss, rechtfertigt dies keinen Vorwurf, erst recht keinen solchen, der eine Kündigung begründen könnte. Das gilt auch für die vom Beklagten selbst unterschriebene, missverständliche Notiz vom 13. Oktober 2023. Mit Blick auf die von der Klägerin herbeigeführte, oben beschriebene Drucksituation würde (spätestens) im Rahmen der Abwägung eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten zurücktreten.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
2. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die maßgeblichen Rechtsfragen ergeben sich aus dem Gesetz oder sind höchstrichterlich geklärt. Die Umstände des Einzelfalls hat der Tatrichter zu beurteilen. Hier kommt es allein auf die Frage an, ob das Verhalten des Beklagten den Ausspruch von Kündigungen rechtfertigt.
28.02.2025