Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia existiert seit zehn Jahren. In dieser kurzen Zeit hat er es geschafft, sich bei den Mieter:innen mit überzogenen Mieterhöhungen, horrenden Nebenkostenforderungen, verschleppten Instandsetzungen, teuren Modernisierungen und schlechtem Service unbeliebt zu machen. Gegenüber der Politik hat das Wohnungsunternehmen seine Versprechen reihenweise gebrochen, Steuern vermeidet Vonovia, wo immer es geht und mit all ihrem Tun lässt sie keinen Zweifel daran, dass ihr der Gewinn ihrer Aktionäre wichtiger ist als das Wohl der Allgemeinheit. Als bisher einzige Konsequenz hat der Senat die Vonovia aus dem bedeutungslos gewordenen Berliner Wohnungsbündnis ausgeschlossen.

Foto: Christian Muhrbeck
Im Mai ist die Vonovia aus dem Wohnungsbündnis des Berliner Senats geflogen. Zur beiderseitigen Gesichtswahrung heißt es, das „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, wie es vollständig heißt, solle zu einem „Verbändebündnis weiterentwickelt“ werden, so der Senat. In ihm sollen künftig keine einzelnen Unternehmen mehr vertreten sein, sondern nur noch Wohnungswirtschafts- und Sozialverbände. Es fällt allerdings auf, dass die Vonovia das einzige Bündnismitglied ist, das für diese „Weiterentwicklung“ ausscheiden muss. Das andere Einzelunternehmen, die Adler Group, hat das Bündnis bereits verlassen, weil es sich nicht an die zugesagten Mieterhöhungsbeschränkungen halten wollte, und der Konzern Heimstaden hat nach langem Hinhalten das Bündnispapier gar nicht erst unterschrieben.
Gute Gründe für den Rauswurf
Für ihren Rauswurf hat Vonovia genug Gründe geliefert. Die zentralen Bündnis-Vereinbarungen hat der Bochumer Konzern nie eingehalten. Kein Jahr nach der Unterzeichnung des Bündnisses im Juni 2022 hat die Vonovia ihre Wohnungsbau-Zusagen kassiert, indem sie alle Neubauaktivitäten auf Eis gelegt hat. Die Vereinbarung, Mieten höchstens um 11 Prozent innerhalb von drei Jahren zu erhöhen, ignorierte das Unternehmen auf breiter Front und verlangte stattdessen die gesetzlich möglichen 15 Prozent.

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Im letzten Jahr kam Vonovia zudem auf die Idee, Mieterhöhungen mit selbst erfundenen wohnwerterhöhenden Merkmalen zu begründen, um die Preisspannen im Mietspiegel möglichst komplett auszureizen. Das Unternehmen führte die Nähe zu Bus- und Straßenbahnhaltestellen, zu Supermärkten und Apotheken als „gute ÖPNV-Anbindung“ und „gute Nahversorgung“ an – damit sei das Wohnumfeld als positiv anzusehen. Der Berliner Mietspiegel kennt diese Merkmale allerdings nicht – sie sind bereits bei der Einstufung der Wohnlage berücksichtigt. Vor den Amtsgerichten Kreuzberg, Mitte, Lichtenberg, Schöneberg, Pankow und Charlottenburg ist die Vonovia damit reihenweise gescheitert. Reaktion: „Der Berliner Mietspiegel ist nicht abschließend, insbesondere was die Ermittlung der Ausstattungsmerkmale angeht“, beharrt Vonovia-Sprecher Christoph Metzner. Sein Unternehmen ist vor etlichen Gerichten in Berufung gegangen.

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Dass die Vereinbarungen des Wohnungsbündnisses nur unverbindlich und nicht einklagbar sind, war von Anfang an ein Konstruktionsfehler. Der Berliner Mieterverein ist dem Pakt deswegen schon kurz vor der Unterzeichnung ferngeblieben. Dass sich der Senat und die anderen Bündnispartner das Vonovia-Fehlverhalten fast drei Jahre lang haben bieten lassen, ist ein Armutszeugnis. Die Grünen-Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger spricht von einer „politischen Bankrotterklärung von Schwarz-Rot“. Vonovia „produziert fast mehr Skandale als neue Wohnungen“, so Schmidberger. „Wer so agiert, kann kein Partner für eine soziale Mietenpolitik sein.“
Über den BBU bleibt Vonovia Bündnismitglied
Ob das Bündnis nach seiner „Weiterentwicklung“ künftig mehr bewirkt, ist fraglich. Die neunte Bündnissitzung, in deren Ausschuss der Senat Details bekanntgeben wollte, wurde kurzfristig abgesagt. Bei der Vonovia gibt man sich sorglos: „Im Rahmen unserer Mitgliedschaft im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sind wir weiterhin dabei“, so Sprecher Christoph Metzner. Im BBU ist die Vonovia das mit Abstand größte Mitglied.

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Die Vonovia SE ist eine „Societas Europaea“, eine Aktiengesellschaft nach europäischem Recht. Das Unternehmensziel ist der Gewinn für die Aktionär:innen. Die Geschäftspolitik ist auf den Börsenkurs ausgerichtet. Die Wohnungsvermietung ist dabei nur Mittel zum Zweck. Die Wohnungen sind für die Aktionär:innen eine Geldanlage, die mit steigenden Mieten eine bessere Rendite abwirft. Die Vonovia versucht mit allen Mitteln, die Mieten zu erhöhen. Dafür ist dem Konzern jedes noch so dreiste Mittel recht“, kritisiert Jasmina Rühl, Sprecherin des „Berliner Bündnisses gegen Vonovia und Co“. Erfundene Mietspiegelmerkmale gibt es nicht nur in Berlin. In Dortmund versucht die Vonovia, höhere Mieten mit dem Vorliegen von Handtuchheizkörpern und Waschmaschinenanschlüssen zu begründen, obwohl diese Merkmale im dortigen Mietspiegel nicht vorkommen. In Dresden erfindet der Konzern Mietaufschläge für private Grünflächen oder für den Denkmalschutz des Gebäudes. In Braunschweig schlug das Wohnungsunternehmen im letzten Jahr die Inflationsrate auf die Mietspiegelwerte auf. Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch schreckte kürzlich auch von einer massiven Diskreditierung nicht zurück: Der Berliner Mietspiegel sei „getürkt“. Das Unternehmen will damit offensichtlich das Vertrauen in den Mietspiegel erschüttern. Ein Scheitern vor Gericht wird in Kauf genommen, solange die Chance besteht, dass irgendein Berufungsgericht doch im Vonovia-Sinne entscheidet und einen Dammbruch für unreglementierte Mieterhöhungen auslösen könnte.
Mietaufschlag für Denkmalschutz?
Bei Neuvermietungen langt Vonovia kräftig zu. In der Fließstraße in Niederschöneweide – einem ihrer wenigen Neubauten – ruft sie eine Nettokaltmiete von 21,93 Euro pro Quadratmeter auf. Bei Wiedervermietungen im Altbau werden teilweise Indexmietverträge mit eingebauten Mieterhöhungen abgeschlossen. Für eine normale Wohnung in der Wichertstraße in Prenzlauer Berg mit der mittelmäßigen Energieeffizienzklasse D wurden 17,02 Euro pro Quadratmeter nettokalt verlangt – das überschreitet die Grenze der Mietpreisbremse erheblich. Auf Nachfrage rechtfertigt die Vonovia das damit, dass die Wohnung „komplett saniert“ worden sei. Bei einer für 11,58 Euro angebotenen Wohnung am Tempelhofer Damm verfängt dieses Argument allerdings nicht: Das Immobilienunternehmen beschreibt sie selbst als „renovierungsbedürftig“. Gemäß Mietpreisbremse wären hier allerhöchstens 9,75 Euro erlaubt, und zwar auch nur dann, wenn durchweg wohnwerterhöhende Merkmale vorlägen.
Zweifelhafter Nutzen
In Städten ohne Mietpreisbremse hat Vonovia es noch einfacher. Nach Recherchen des bundesweiten „MieterInnenbündnisses VoNO!via & Co“ liegt vor allem in nordrhein-westfälischen Städten ein Großteil der Angebotsmieten um 30 bis 60 Prozent über der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete.

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Auch mit Modernisierungen werden die Mieten hochgetrieben. An Instandsetzungen wird so lange gespart, bis eine umfassende Modernisierung notwendig wird, deren Kosten man auf die Mieten umlegen kann. Das Prinzip wird selbst bei kleinsten Maßnahmen durchgezogen: Statt alte Rauchwarnmelder gegen neue auszutauschen – eine Instandhaltung, die Vonovia selbst zahlen müsste – möchte der Konzern überall „Multisensor plus“-Rauchmelder installieren, die zusätzlich auch ständig die Raumtemperatur und die Luftfeuchtigkeit messen und drei Jahre lang speichern. Diese Funktion macht den Austausch zu einer Modernisierung, Vonovia möchte deshalb die Kosten von 135 Euro pro Gerät auf die Mieten umlegen. Der angebliche Zusatznutzen kann sich indes schnell gegen die Mieter:innen richten: Wenn es in der Wohnung zu Schimmelbefall kommt, könnte die Vonovia anhand der Rauchmelder-Daten womöglich beweisen, dass nicht ausreichend geheizt und gelüftet worden sei und somit die Mieter:innen selbst schuld am Schimmel seien. Der Hinweis auf der Vonovia-Webseite, die Geräte hätten keine Kameras und keine Mikrofone, erhöht das Vertrauen nicht.
Die Sicherheit der Datenübertragung ist ein weiterer Kritikpunkt: Einbrecher mit Hacker-Kenntnissen könnten live ablesen, wo gerade niemand zu Hause ist. Nach Protesten gegen die „Spionage-Rauchmelder“ unter anderem in Berlin, München, Stuttgart, Dortmund, Bochum, Braunschweig und Göttingen ist das Unternehmen dazu übergegangen, die Rauchmelder mit abgeschalteter Funkverbindung zu installieren.

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Zusätzlich zu den Mieten hat man die Nebenkosten als Einnahmequelle entdeckt. Die Betriebs- und Heizkosten sind für Vermieter:innen eigentlich ein durchlaufender Posten, denn mit den Zahlungen der Mieter:innen werden die Energieversorger, Müllentsorger, Reinigungsfirmen, Hausmeister und so weiter bezahlt. Die Bochumer treten über Tochterfirmen immer mehr selbst als Dienstleister, Strom- und Gaslieferant auf und versuchen, an den Nebenkosten mitzuverdienen.

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Besonders krass tritt das bei vielen Heizkostenabrechnungen ab 2022 zutage. „Die Vonovia macht durch sogenanntes Wärmecontracting Extragewinne mit unseren explodierenden Heizkosten“, kritisiert Sabine Blackburn von der Mieterinitiative Mariendorf-Ost. „Im letzten Winter waren zahlreiche Mieter:innen mit Horror-Nachforderungen von teilweise über 4000 Euro konfrontiert.“ So hohe Kosten sind auch mit den Energiepreissteigerungen nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs nicht zu erklären. Den Mieter:innen wurden nur zögerlich die Abrechnungsunterlagen vorgelegt – der 4700-Seiten-Wust von Belegen und Verträgen war letztlich sogar noch unvollständig. „Das Vermietungsunternehmen überschüttet uns mit Mahnungen, um seine nicht haltbaren Forderungen durchzusetzen, und macht uns dubiose Vergleichsangebote“, berichtet Sabine Blackburn. Mit einer Zahlung von 300 Euro sollen die Einsprüche der Mieter:innen als erledigt gelten.

„Bereits mehrfach haben wir Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft erstattet, unter anderem wegen Nötigung nach § 240 StGB“, sagt Knut Unger vom MieterInnenverein Witten. Hintergrund war die Androhung von fristlosen Kündigungen gegen Mieter:innen und die Abgabe der angeblich fälligen Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen an eine Inkassofirma. „Dabei war die Rechtslage so, dass die Mieter:innen ein Zurückbehaltungsrecht hatten, bis die Vonovia die Belege zu den Abrechnungen vollständig vorgelegt hat“, betont Unger. Die Staatsanwaltschaft habe auch einen Anfangsverdacht bejaht, doch am Ende habe sich die Vonovia mit der Erklärung, die Schreiben beruhten auf einem internen Fehler, herausreden können. Ergebnis: Die Verfahren seien eingestellt worden. Im Zentrum der Kritik steht der Wärmelieferer G+D, ein Unternehmen, das von der Firma Getec und der Vonovia-Tochter Deutsche Wohnen gegründet wurde. Über ein undurchsichtiges Contracting-Modell stellt G+D der Vonovia hohe Kosten für die Wärmelieferung in Rechnung, die an die Mieter:innen weitergereicht werden.

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Der Berliner Mieterverein (BMV) hat festgestellt, dass über manipulative Preisgleitklauseln die Kosten in die Höhe getrieben werden. „Wir müssen davon ausgehen, dass einige Vermietende die Tricksereien wissentlich mittragen, denn sie sind die Vertragspartner des Contractors“, kritisiert BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels. „Wir fordern gesetzliche Regelungen, die dem Missbrauch in den Wärmelieferverträgen Einhalt gebieten.“
Undurchsichtiges Modell, hohe Kosten
Am Tempelhofer Damm ist ein Vonovia-Tochterunternehmen mit diesem Modell gescheitert. Weil der Gesamtwärmeverbrauch 2022 nicht richtig erfasst worden ist, müssen die Mieter:innen die geforderten Nachzahlungen – bis zu 6000 Euro – nicht leisten, so das Amtsgericht Kreuzberg.

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„Hohe Heizkosten haben leider System“, kommentiert Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linken, das Urteil. „Vonovia & Co haben die Wärmelieferung als neues Geschäftsfeld entdeckt. Häufig handelt es sich schlicht um Abzocke.“ Das Unternehmen schweigt dazu: Zu einem „pauschalen Vorwurf“ falscher Heizkostennachforderungen könne man nichts sagen, so Sprecher Metzner. Er versichert: „Als professioneller Vermieter arbeiten wir gründlich und vernünftig. Und wir halten selbstverständlich alle rechtlichen Vorgaben ein.“
Im Jahr 2024 verzeichnet Vonovia einen Anstieg der Mieteinnahmen um 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Konzern schüttet eine Dividende von 1,22 Euro pro Aktie an die Anteilseigner aus – insgesamt knapp über eine Milliarde Euro. Pro Wohnung werden also 1850 Euro Gewinn abgeschöpft. Anders ausgedrückt: Der durchschnittliche Vonovia-Mieterhaushalt zahlte 2024 mit jeder Monatsmiete rund 154 Euro direkt in die Taschen der Aktionär:innen. 2023 betrug die Dividende noch 0,90 Euro je Aktie. Selbst in Krisenzeiten – ab 2022 musste das Wohnungsunternehmen die Immobilien erheblich abwerten und einige Bestände verkaufen, woraufhin der Börsenkurs deutlich absackte – hat der Immobilien-Grossist seine Anteilseigner:innen üppig bedacht. Jetzt will man wieder stärker in die Offensive gehen. „Vonovia tritt aufs Gaspedal und wird wieder wachsen“, kündigt Vorstandschef Rolf Buch an. Der Gewinn soll bis 2028 um 30 Prozent gesteigert werden.
Absprachen sind für Vonovia nicht verbindlich

Foto: Christian Muhrbeck
Rolf Buch ist seit 2013 Chef des Konzerns und hat dessen Expansion vorangetrieben. Im Mai wurde bekannt, dass er Ende 2025 das Unternehmen verlassen wird. Als Nachfolger wurde Luka Mucic angekündigt. „Wohnen ist kein austauschbares Produkt. Menschen ein Zuhause zu bieten, geht mit einer hohen Verantwortung einher“, sagte er richtigerweise bei seiner Vorstellung. Doch sein bisheriger Werdegang – Finanzchef von Vodafone und davor beim Software-Konzern SAP – lässt erwarten, dass auch unter dem neuen Chef die Vonovia-Wohnungen in erster Linie als Finanzprodukt betrachtet werden.
Unterm Strich ist ein Muster zu erkennen. Die Vonovia gibt sich nach außen sehr leutselig und verspricht der Öffentlichkeit und der Politik alles, was sie hören wollen. Im Alltag verfolgt sie aber unbeirrt ihre Gewinninteressen, hält sich dabei nicht an Absprachen und legt gesetzliche Regelungen kreativ zu ihren Gunsten aus. Das Wohnungsunternehmen setzt darauf, dass sich nur wenige Mieter:innen gegen zu starke Mieterhöhungen oder falsche Betriebskostenabrechnungen wehren, dass die überlasteten Gerichte jeden Fall einzeln behandeln müssen und daher nur sehr langsam vorankommen, und dass die Politik zu träge und zu ängstlich ist, gegen krumme Touren einzuschreiten. Am Ende sind die Mieter:innen und die öffentliche Hand die Geschädigten.
Jens Sethmann
MieterInnenbündnis VoNO!via & Co:
novonovia.mieterinnenrat.de
Deutsche Wohnen & Co enteignen:
dwenteignen.de
„Berufung auf eine missverstandene Rechtslage“
Das ist ja Betrug! – So werden sicher manche Mieter:innen denken, wenn sie wie von der Vonovia mit Betriebskostennachforderungen von mehreren tausend Euro überzogen werden. Ist ein solches Verhalten nicht strafbar? Und wie kann man einen möglichen Betrug beweisen? Prof. Dr. Markus Englerth, Professor für Strafverfahrensrecht und Strafrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, stand MieterMagazin-Autor Stefan Klein Rede und Antwort.
MieterMagazin: Herr Professor Englerth, könnte die Erstellung überhöhter Betriebskostenabrechnungen als Betrug gewertet werden? Und welche Voraussetzungen müssten konkret erfüllt sein, damit ein solcher Vorwurf vor Gericht Bestand hätte?

Foto: HWR Berlin
Englerth: Wenn ein Vermieter bei der Abrechnung ganz bewusst falsche Angaben macht – also zum Beispiel einen zu hohen Energieverbrauch behauptet – um sich auf Kosten des Mieters zu bereichern, kann das einen Betrug darstellen. Erst recht würde dies natürlich gelten, wenn der Vermieter Belege für angeblich angefallene Betriebskosten fälscht. Auch wenn ein Vermieter mit externen Dienstleistern abspricht, dass diese überhöhte Rechnungen an ihn stellen sollen, um sich anschließend den Gewinn daraus zu teilen, kommt ein Betrug zumindest in Betracht.
Viel schwieriger sind andere Konstellationen zu beurteilen. Jeder Betrug setzt eine Täuschung voraus. Aber selbst da, wo eine Täuschung naheliegt – etwa weil nicht vom Mieter zu tragende Positionen in umlagefähigen Posten „versteckt“ wurden – wird der Vermieter sich häufig darauf berufen, die Rechtslage missverstanden zu haben. Da es im Betriebskostenrecht tatsächlich vor schwierigen Abgrenzungsproblemen nur so wimmelt, dürfte ihm das nur in wenigen, sehr eindeutig gelagerten Fällen zu widerlegen sein.
MieterMagazin: Wie schwierig ist es für Mieter, dem Vermieter eine strafbare Handlung nachzuweisen?
Englerth: Das ist immens schwierig. Fälle, in denen ein Vermieter wegen einer falschen Betriebskostenabrechnung strafrechtlich verurteilt wurde, muss man wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Meist bleibt es bei einer zivilrechtlichen Klärung der Angelegenheit.
MieterMagazin: Welche Rolle spielt es, ob ein Wohnungsunternehmen systematisch bei vielen Mietern überhöhte Kosten abrechnet?
Könnte dies eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Betrugs oder gar wegen organisierter Kriminalität nach sich ziehen?
Englerth: Massenhafte Falschabrechnungen können ein Indiz für vorsätzliches Handeln sein. Andererseits kann es natürlich auch bei großen Wohnungsunternehmen versehentlich zu Abrechnungs- oder Buchungsfehlern kommen, die dann schnell Hunderte Mieter betreffen, ohne dass dahinter gleich ein perfider Plan stecken müsste. Verdächtig wird es indes, wenn sich solche „Pannen“ ständig – und stets zum Nachteil der Mieter – wiederholen. Dann kommt aber gleich die zweite Hürde: die Feststellung der individuell Verantwortlichen. Gerade in großen Konzernstrukturen lässt sich oft eine „Verantwortungsdiffusion“ beobachten, die es fast unmöglich macht, den Fehler einer konkreten Person zuzuordnen.
MieterMagazin: Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen verantwortlichen Personen in der Geschäftsführung eines Unternehmens, das solche Abrechnungen billigt oder anordnet? Sind auch Geldbußen für das Unternehmen möglich?
Englerth: Wenn Mitarbeitende Straftaten begehen, kann das auch Sanktionen gegen das Unternehmen zur Folge haben. Insbesondere wenn die Tat durch eine Leitungsperson des Unternehmens begangen wurde, können – über die Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne hinausgehend – empfindliche Geldbußen gegen das Unternehmen verhängt werden. Dafür kann es schon ausreichen, dass die Geschäftsleitung oder der Vorstand notwendige Aufsichtsmaßnahmen versäumt hat. Solche Aufsichtspflichtverletzungen stellen eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG dar und können auch die Vorstände oder Geschäftsführer teuer zu stehen kommen.
MieterMagazin: Herr Professor Englerth, wir bedanken uns für das Gespräch.
Kurzer Draht zur Politik
Während die Vonovia sich wenig darum zu kümmern scheint, welchen Ruf sie unter ihren Mieter:innen genießt, pflegt sie gegenüber der Politik ihr Image sehr aufwendig. Neben der Konzernzentrale in Bochum und der Deutsche-Wohnen-Verwaltung in Berlin-Wilmersdorf unterhält sie am Karlplatz in Mitte eine noble Hauptstadtrepräsentanz. Von hier aus versucht sie mit vier Vollzeitstellen, Einfluss auf die Bundespolitik zu nehmen. Laut Lobbyregister des Bundestages für das Jahr 2023 ließ sich die Vonovia das knapp 900.000 Euro kosten, ein Jahr zuvor sogar fast 1,2 Millionen Euro.

Foto: pa/Christoph Soeder
Sie verschafft sich damit durchaus Gehör. Eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Caren Lay ergab, dass Vonovia-Vertreter:innen im Jahr 2024 insgesamt 14mal zu Gesprächen mit den Bundesministerien zusammengekommen sind.
Vonovias Nähe zur Politik ist auch in Berlin augenfällig. Nicht nur, dass der Senat die Vonovia trotz fortgesetzter Verstöße im Wohnungsbündnis geduldet und ihr dadurch das Mäntelchen eines gemeinwohlorientierten Unternehmens umgehängt hat. Das Land Berlin hat dem Konzern auch bereitwillig Wohnungsbestände in zweifelhaftem Erhaltungszustand abgekauft, und ihm damit geholfen, die Fusion mit der Deutschen Wohnen zu finanzieren.
Die größte Unterstützung der Stadt für Vonovia ist aber die schützende Hand gegen die Enteignung: Der Senat sorgt in allen Konstellation – ob rot-rot-grün unter Michael Müller, rot-grün-rot unter Franziska Giffey oder schwarz-rot unter Kai Wegner – dafür, dass der erfolgreiche Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer profitorientierter Wohnungsunternehmen von 2021 nicht umgesetzt wird.
js
Aufstieg mit System
Die Vonovia hat ihre Wurzeln in der Deutschen Annington, die anfangs ein Tochterunternehmen des japanischen Finanzinvestors Nomura war. Ihr Aufstieg begann Ende der 1990er Jahre, als sie im Zuge der Bahnprivatisierung dem Bund 64.000 Eisenbahnerwohnungen abgekauft hat. 2004 erwarb sie die Werkswohnungen des Energiekonzerns RWE, im Jahr darauf die E.on-Immobilientochter Viterra. Letzteres war mit 152.000 Wohnungen zum Preis von sieben Milliarden Euro die bis dahin größte Immobilientransaktion.
2013 ging die Deutsche Annington an die Börse, zwei Jahre später kaufte sie für 3,9 Milliarden Euro die Gagfah mit 144.000 Wohnungen. Nach diesem Geschäft erfolgte 2015 die Umbenennung in Vonovia – ein Kunstwort ohne Bedeutung.
Die Wachstumsstrategie wurde nun auch im Ausland fortgeführt. 2016 erfolgte der Kauf der österreichischen Conwert mit 24.000 Wohnungen, 2018 wurde die ebenfalls österreichische Buwog mit 49.000 Wohnungen erworben. Die Buwog war die ehemals staatliche Bundeswohnbaugesellschaft. Diese beiden Unternehmen hatten schon vor ihrer Übernahme beträchtliche Wohnungsbestände in Deutschland aufgekauft. 2019 verleibte sich die Vonovia auch noch zwei schwedische Unternehmen mit zusammen knapp 40.000 Wohnungen ein.
2021 gelang der Vonovia im dritten Anlauf die Übernahme des größten Konkurrenten, der Deutschen Wohnen mit 160.000 Wohnungen. Damit verfügt der Konzern über 540.000 Wohnungen, davon 480.000 in Deutschland.
Um vom Berliner Senat die Zustimmung zur Fusion zu erhalten, haben Vonovia und Deutsche Wohnen knapp 15.000 Wohnungen für 2,46 Milliarden Euro an das Land Berlin abgegeben. In Berlin besitzt der Vonovia-Konzern nun 140.000 Wohnungen, ein Großteil davon sind die Bestände der ehemals landeseigenen Unternehmen GSW und Gehag.
Der Name besteht weiter, weil Vonovia weniger als 90 Prozent der Deutschen Wohnen übernommen hat. Mit einem solchen Share-Deal wird die Grunderwerbsteuer umgangen. Bei einem vollständigen Kauf wären hingegen schätzungsweise über 900 Millionen Euro an das Land Berlin zu zahlen gewesen.
js
25.06.2025




