Ist die Vermieterin eine rechtsfähige Gesellschaft i.S.d. § 705 Abs. 2 n.F. BGB kann sie nicht wegen Eigenbedarfs kündigen und zwar weder für sich noch für einen ihrer Gesellschafter bzw. deren Angehörige. Diese Rechtslage gilt für Kündigungen, die nach dem 1.1.2024 Wirkung entfalten sollen.
AG Mitte vom 28.10.2024 – 20 C 151/24 –,
mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Es ging um einen Rechtsstreit zwischen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und ihren Mietern. Die Klägerin, eine GbR, hatte den Mietern wegen Eigenbedarfs gekündigt, um die Wohnung für die Tochter einer Gesellschafterin zu nutzen. Die Mieter widersprachen der Kündigung und argumentierten, dass sie eine unzumutbare Härte für sie darstelle, da sie gesundheitliche Probleme haben und finanziell nicht in der Lage sind, eine neue Wohnung zu finden.
Das Gericht entschied, dass die Kündigung unwirksam ist. Die Neuregelung des § 705 BGB ab dem 1.1.2024 sehe vor, dass eine rechtsfähige Gesellschaft keinen Eigenbedarf für sich oder ihre Gesellschafter geltend machen könne.
Das Gericht wies die Klage daher ab und entschied zugunsten der Mieter.
Anmerkung:
In diesem Sinne hat auch das AG Wedding (Urteil vom 9.1.2025
– 13 C 5027/24 –, mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke) entschieden, siehe weiter unten.
Urteilstext
Ist die Vermieterin eine rechtsfähige Gesellschaft i.S.d. § 705 Abs. 2 n.F. kann sie nicht wegen Eigenbedarfs kündigen und zwar weder für sich noch für einen ihrer Gesellschafter bzw. deren Angehörige. Diese Rechtlage gilt für Kündigungen, die nach dem 1.1.2024 Wirkung entfalten sollen.
AG Mitte vom 28.10.2024 – 20 C 151/24 -, mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Tatbestand
Die Klägerin vermietete den Beklagten ab 15. März 1998 die im Tenor bezeichnete Wohnung. Auf den Inhalt des als Anlage K1 eingereichten Mietvertrages wird ebenso verwiesen wie auf den als Anlage K4 eingereichten Grundbuchauszug.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2023, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Anlage K2) und das den Beklagten zuging, ließ die Klägerin ordentlich zum 30. April 2024, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin, die Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs der Tochter ihrer Gesellschafterin Frau Dr. C.s erklären.
Mit Schreiben von 22. Februar 2024, auf das verwiesen wird, widersprachen die Beklagten der Kündigung unter Hinweis auf eine nicht zu rechtfertigende Härte für sie.
Die Klägerin trägt vor, dass sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Erbengemeinschaft sei.
Die Klägerin behauptet, Frau Dr. C. sei Gesellschafterin der Klägerin und zwar bereits bei Abschluss des streitgegenständlichen Mietvertrages. Sie sei 84 Jahre alt und ihre Tochter, Frau M., geboren am 15. Juni 1975, benötige die streitgegenständliche Wohnung für sich und ihre beiden am 28. September 2006 und 4. April 2011 geborenen Kinder. Die Zeugin M. lebe dauerhaft getrennt von ihrem Ehemann seit dem 4. November 2019 im Hause M.straße xx,1xxxx Berlin, das im Eigentum des getrennt lebenden Ehemannes der Zeugin und nicht in deren Eigentum sei. Mit Rücksicht auf die damals minderjährigen und in der Ausbildung befindlichen Kinder hätten die Eheleute sich entschlossen, ihre 3 Kinder, die im Gartenhaus des Gebäudes M.straße xx wohnten, weiter gemeinsam im „Nestmodell“ zu betreuen. Die Zeugin M. wohne in den Zeiten, in denen sie nicht bei den Kindern wohne, im Vorderhaus der M.straße xx in einem Zimmer der Zweizimmerwohnung, die sie getrennt lebend mit ihren Noch-Ehemann teile. Da die beiden älteren Kinder ihr Abitur abgeschlossen und sich in der Ausbildung befänden, solle das „Nestmodell“ durch das „Wechselmodell“ ersetzt werden. Die Zeugin M. und ihr Lebensgefährte seien in der M.straße xx nur noch „geduldet“. Die Zeugin wolle mit den beiden jüngeren Kindern die streitgegenständliche Wohnung beziehen. Der älteste Sohn studiere und werde die Zeugin und seine Geschwister nur sporadisch besuchen. Für eine Person mit 2 Kindern sei die streitgegenständliche Wohnung ausreichend.
Aufgrund des Alters der Kinder habe vorher ein Eigenbedarf der Zeugin nicht bestanden. Der Gesundheitszustand ihrer Gesellschafterin Fr. Dr. C. habe sich im Frühjahr 2023 rapide verschlechtert mit dem Ergebnis eines künstlichen Darmausgangs. Die Gesellschafterin Frau Dr. C. habe den Pflegegrad 2 und ihr Ehemann und Vater der Zeugin seit Februar 2024 die Pflegegrad 3. Ein Pflegedienst übernehme für beide täglich die teilweise Betreuung von dringend notwendigen medizinischen Dingen. Der Pflegedienst sei sehr teuer. Hauswirtschaftliche Dienstleistungen würden von der Zeugin übernommen – auch aus Kostengründen. Zum Zwecke der Pflege müssten die Eltern mindestens einmal täglich besucht werden. Nur so sei ein weiteres Wohnen der Eltern in ihrer vertrauten Umgebung in der B.-straße xx möglich und eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtungen noch vermeidbar. Von der S.- Allee xx aus sei die Wohnung der Eltern fußläufig zu erreichen anders als von der M.straße xx aus, von der eine Anfahrt bis zu 1,5 Stunden dauere. Eine spontane Hilfe sei wegen des langen Fahrtweges von der M.straße xx aus nicht machbar. Die Zeugin arbeitet 3 Tage der Woche im Home-Office und 2 Tage im Büro.
Der Wohnungsmarkt in Berlin sei angespannt, aber es sie nicht unmöglich, eine Wohnung zu finden. Lediglich die Beklagte zu 1 wohne in der streitgegenständlichen Wohnung. Der Beklagte zu 2 wohne in seinem Atelier in 1xxxx Berlin. Er besuche die getrennt von ihm lebende Ehefrau nur gelegentlich. Deshalb sei das klägerische Angebot von Ersatzwohnraum in Form einer Einzimmerwohnung ausreichend gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Wohnung in der S. Allee xx in 1xxxx Berlin, gelegen im Vorderhaus, 5. OG links, bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad und einer Dachterrasse, geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin tatsächlich Rechtsinhaberin sei. Sie tragen vor, dass sie davon ausgingen, dass die Klägerin eher als Kapitalgesellschaft zu werten sei als als Personengesellschaft.
Die Beklagten tragen vor, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass eine Trennung der Zeugin von ihrem Ehemann von 4,5 Jahren erst im Jahr 2023/2024 einen Eigenbedarf entstehen lassen könne. Die Beklagten gingen davon aus, dass wegen der in der Vergangenheit geführten Rechtsstreitigkeiten mit der Klägerin diese das als lästig empfundene Mietverhältnis mit den Beklagten kündigen möchte.
Die Beklagten behaupten, dass die Kündigung für sie eine besondere Härte darstelle. Die im Jahr 1952 geborene Beklagte zu 1 und der im Jahr 1953 geborene Beklagte zu 2 seien bei Anmietung der streitgegenständlichen Wohnung im Jahr 1998 davon ausgegangen, ihren Wohnbedarf bis zum Lebensende dort decken zu können. Die Rente der Beklagten zu 1 betrage 900,00 € und durchschnittlich beliefen sich die Einnahmen des als bildenden Künstlers betätigen Beklagten zu 2 auf monatlich 1.500,00 €, wovon monatlich 367,00 € Sozialabgaben zu leisten seien. Mit diesen Einkünften bestehe keine realistische Möglichkeit, auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine Ersatzwohnung zu finden.
Beide Beklagte litten unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einen Umzug für sie unmöglich machten. Der Beklagte zu 2 leide an einem Lungenkarzinom und habe einen Hörsturz erlitten. Die Beklagte zu 1 habe eine schwere Osteoporose und sei mehrfach gestürzt und habe sich die Nase gebrochen. Die eingereichten ärztlichen Atteste, auf die verwiesen wird belegten, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Beendigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses als eine unzumutbare Härte darstellten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet, weil der Klägerin der geltendgemachte Räumungsanspruch aus § 546 BGB nicht zusteht. Nach vorgenannter Vorschrift ist die Beendigung des Mietverhältnisses die Voraussetzung des Räumungsanspruches. Die von der Klägerin mit dem Schreiben 4. Juli 2023 erklärte Eigenbedarfskündigung gem. §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 568 BGB hat das Mietverhältnis zu den Beklagten nicht wirksam zum 30. April 2024 beenden können, denn die Klägerin als rechtsfähige Gesellschaft i.S.d. § 705 Abs. 2 n.F. hat keinen eigenen Wohnbedarf und kann auch keinen für einen ihrer Gesellschafter bzw. deren Angehörige geltend machen.
Die Neuregelung des § 705 BGB ist nach dem Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgese v. 10.8.2021 (BGBl. I S. 3436) (MoPeG) am 01.01.2024 in Kraft treten (Art.137 MoPeG). Die Übergangsregelung in Art.229 § 61 EGBGB sieht lediglich vor, dass die §§ 723-726 BGB aF weiter Anwendung finden können. Da hinsichtlich der meisten Regelungen der neuen §§705 ff. BGB Übergangsvorschriften fehlen, ist bei jeder dieser Normen, die die Rechtslage gegenüber dem früheren Stand ändert, im Einzelnen auf der Grundlage des intertemporalen Privatrechts zu ermitteln, welches der maßgebliche Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der konkreten Anknüpfung ist. Entscheidend ist insofern aus materiell-rechtlicher Perspektive die lex temporis actus. Danach ist bei der gerichtlichen Befassung ab 01.01.2024 das Recht bestimmend, welches zum Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung galt. Ist z.B. eine Kündigung als maßgebliche Handlungen im Sinne der lex temporis actus vor dem Inkrafttreten des MoPeG abgeschlossen, dann ist altes Recht anzuwenden (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.2024 – VIII ZR 276/23 -). Voraussetzung für die weitere Anwendung des alten Rechts ist, dass sich der gesamte Entstehungstatbestand unter seiner Geltung verwirklicht hat. Ist das der Fall, gilt das alte Recht grundsätzlich für das Schuldverhältnis im Ganzen, für seine Voraussetzungen, seinem Inhalt und seine Wirkungen. Maßgebend ist danach der Rechtszustand im Zeitpunkt der abgeschlossenen Entstehung der für den Rechtstreit erheblichen Tatsachen, soweit das Gesetz keine rückwirkenden Sonderregelungen trifft.
Nach diesen Grundsätzen hat die Kündigung vom 04.07.2023 als einseitige Gestaltungserklärung zum 30.04.2024 Wirkung entfaltet und ist zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen mit der Folge, dass das neue Recht der §§ 705 ff. BGB maßgebend ist. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist nicht mit Zugang des Schreibens vom 04.07.2023 abgeschlossen gewesen, denn die Eigenbedarfskündigung hat zukunftsbezogene Voraussetzungen dahin, dass ihre Voraussetzungen nicht nur zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vorliegen, sondern fortwirken und daher auch zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses noch gegeben sein müssen (vgl. BGH NJW 2006, 220). Insoweit hat das MoPeG keine rückwirkende Geltung, sondern gegenwärtige auf das über den 01.01.2024 fortbestehende Mietverhältnis der Parteien.
Die Klägerin nimmt ausweislich des streitgegenständlichen Mietvertrages als rechtfähige Gesellschaft i.S.d. § 705 Abs. 2 n.F. am Rechtsverkehr teil und zwar mit dem Zusatz „mbH“ als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung, um dadurch eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen zu erreichen (vgl. dazu BGH Urt. v. 27.09.1999 – II ZR 371/98-).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ( u.a. Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15 – in NJW 2017,547) kann sie für die Angehörige einer ihrer Gesellschafterinnen wegen deren Eigenbedarfs analog § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen.
Eine unmittelbare Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den Fällen aus, in denen eine Personengesellschaft wie die Klägerin wegen eines Eigenbedarfs für einen Gesellschafter oder dessen Angehörigen kündigt. Der Bundesgerichtshof wendet die Vorschrift aber analog an mit der Begründung, dass die GbR bis zu der Rechtsprechungsänderung im Jahr 2001 zur sogn. „Teilrechtsfähigkeit“ als gewöhnliche Vermietermehrheit behandelt worden sei. Entsprechend dieser Rechtsauffassung ist jedes Mitglied der Gesellschaft als Partei des Mietverhältnisses zur Kündigung wegen eines Eigenbedarfs berechtigt gewesen. Hieran sollte sich durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts nichts ändern. Nach dieser neuen gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung traten als Vermieter nicht mehr die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft auf, sondern die Gesellschaft als solche tritt in Erscheinung. Deshalb ist die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Zwecke der Kündigung wegen des Wohnbedarfs einzelner Gesellschafter entfallen. Auf diese Weise ist eine vom Gesetzgeber nicht geplante Lücke entstanden, die durch eine entsprechende Anwendung vorgenannter Vorschrift nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu schließen ist.
Die „Teilrechtsfähigkeit“ der (Außen-)GbR macht sie, anders als bei juristischen Personen, nicht zu einem gegenüber ihren Gesellschaftern völlig verselbstständigten Rechtssubjekt. Der Umstand, dass die GbR nur „Teilrechtsfähigkeit“ besitzt, zwingt nicht zu dem Schluss, die Interessen dieser Personenmehrheit sind im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung rechtlich völlig unbeachtlich; denn anders als bei juristischen Personen liegt keine vollständige Abkoppelung von ihren Mitgliedern vor. Vor der Anerkennung der „Teilrechtsfähigkeit“ war die GbR als „Vermietermehrheit“ ebenso wie Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft zur Geltendmachung von Eigenbedarf berechtigt gewesen. In Bezug auf die Kündigung wegen Eigenbedarfs besteht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Vergleichbarkeit zwischen GbR, Miteigentümer- und Erbengemeinschaft; die „Teilrechtsfähigkeit“ der (Außen-)GbR ist nicht entwickelt worden, um die Kündigungsmöglichkeiten zu beschneiden. Entscheidend für die Gleichbehandlung von GbR und Miteigentümergemeinschaft war zwar nicht mehr der Gesichtspunkt, dass es vom Zufall abhängt, ob eine „teilrechtsfähige“ GbR oder eine Miteigentümergemeinschaft gegründet wird, die Unterschiede zwischen diesen Arten der „Vermietermehrheit“ werden aber in Bezug auf den Normzweck als unbeachtlich angesehen. Der Gesetzgeber habe mit der im Rahmen des Mietrechtsänderungsgesetzes 2013 eingefügten Regelung des § 557a BGB die Eigenbedarfskündigung bei der „teilrechtsfähigen“ GbR nicht grundsätzlich infrage gestellt, sondern vielmehr implizit anerkannt.
Für eine solche Analogie ist mit Geltung des § 705 Abs. 2 BGB n.F. ab 01.01.2024 kein Raum mehr mit der Folge, dass die Klägerin im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB keinen Eigenbedarf mehr geltend machen kann.
Nach dem MoPeG wird unterschieden zwischen der rechtsfähigen Gesellschaft, die selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll und der nicht rechtsfähige Gesellschaft, die als reine Innengesellschaft gedacht ist. Nach § 705 BGB nF kann die rechts-fähige Gesellschaft selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Dadurch, dass die rechtsfähige GbR zusätzlich in das Gesellschaftsregister eingetragen werden kann und bei Eintragung im Grundbuch gem. § 47 Abs. 2 GBO auch eingetragen werden muss, ähnelt sie der Personengesellschaft. Die rechtsfähige GbR unterscheidet sich deshalb ab 01.01.2024 weit mehr von der Bruchteilsgemeinschaft als der Bundesgerichtshof sie bisher in seinen Entscheidungen zur Eigenbedarfskündigung der Gesellschaft für einzelne Gesellschafter analog § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zugrunde gelegt hatte (vgl. (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus 16.Aufl. § 573 Rd. 66a). Der Bundesgerichtshof hat dafür, für den Eigenbedarf auf die Gesellschafter einer GbR abzustellen, als entscheidend angesehen, dass die GbR lediglich „teilrechtsfähig“ und deshalb nicht vollständig von ihren Mitgliedern entkoppelt ist. Den „Gesellschaftern in ihrer Verbundenheit“ und damit als Gruppe sollte die Rechtsfähigkeit zukommen, so dass eine Personenmehrheit Grundlage war. Wegen der Parteifähigkeit der GbR war ein Titel gegen die GbR auch ein Titel gegen sämtliche Gesellschafter. Auf Grundlage des MoPeG ist die Annahme einer Vermietermehrheit, die mangels vollständiger vermögensmäßiger Verselbstständigung gegenüber ihren Gesellschaftern in Bezug auf die Eigenbedarfskündigung mit einer Miteigentümergemeinschaft vergleichbar sein soll, nicht mehr möglich. Dies ergibt sich zum einen aus der in § 705 Abs. 2 BGB nF enthaltenen Legaldefinition der Rechtsfähigkeit der GbR. Zum anderen stellt § 713 BGB nF die aus der Rechtsfähigkeit folgende vollständige Verselbstständigung des Gesellschaftsvermögens klar. Der MoPeG-Gesetzgeber geht insoweit davon aus, dass der dogmatische Ausgangspunkt von § 718 BGB weggefallen ist. Nach § 713 BGB nF steht das Gesellschaftsvermögen nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern vielmehr der GbR selbst zu (vgl. Wertenbruch, Das neue Persondngesellschaftsrecht im Mietverhältnis in NJW 2023, 1393). Auf der Basis des MoPeG wird die Rechtsfähigkeit nicht mehr einer Gruppe von Gesellschaftern zugewiesen, sondern der Gesellschaft als solcher selbst. Die Verselbstständigung der GbR kommt auch darin zum Ausdruck, dass Gesellschaftsanteile – im Gegensatz zu Miteigentumsanteilen – form- und grunderwerbssteuerfrei – übertragen werden können. Wer um diese Vorteile willen eine GbR und keine Miteigentümergemeinschaft verwendet, kann im Gegenzug nicht die Vorteile eines Eigenbedarfs der Gesellschafter in Anspruch nehmen (so Wertenbruch a.a.O.).
Die gegenüber der früheren Rechtslage entstandene Regelungslücke besteht nach dem MoPeG nicht mehr (vgl. auch Hinz: Reformbedarf beim Eigenbedarf? In NZM 2023,185 ff). Ein Analogie würde zudem eine Planwidrigkeit der Regelungslücke voraussetzen, die nicht vorliegt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber des MoPeG diese Problematik vor/seit 10.08.2021 übersehen hat.
Wollte man nicht allein auf die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft abstellen, sondern Zweck und Struktur der konkreten Gesellschaft auch für maßgeblich halten (vgl. MüKo, BGB-Kom., § 573 Rd. 228), führt das hier zu keiner anderen Beurteilung. Dass der Zweck der Klägerin das Halten und Verwalten eines Wohnhauses im Interesse der unter sich persönlich verbundenen Gesellschafter sei, ergibt sich nicht ohne weiteres daraus, dass sie vorträgt, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Erbengemeinschaft zu sein. Zumal sie infolge ihres Zusatzes „mbH“ bei der streitgegenständlichen Vermietung, anders als im Grundbuch, das Gesellschaftvermögen und nicht die Personenmehrheit in den Vordergrund stellt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11 ZPO.
AG Wedding, Urteil vom 9.1.2025 – 13 C 5027/24 –
Ist die Vermieterin eine rechtsfähige Gesellschaft i.S.d. § 705 Abs. 2 n.F. kann sie nicht wegen Eigenbedarfs kündigen und zwar weder für sich noch für einen ihrer Gesellschafter bzw. deren Angehörige. Diese Rechtlage gilt für Kündigungen, die nach dem 1.1.2024 Wirkung entfalten sollen.
AG Wedding vom 9.1.2025 – 13 C 5057/24 -, mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt von der Beklagten die Räumung und Herausgabe einer Wohnung im Hause K.-straße xx, 1xxxx Berlin, Erdgeschoss links.
Die Beklagte mietete mit Mietvertrag vom 04.10.2009 die vorstehend näher bezeichnete Wohnung an. …
In der Folgezeit erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück und wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 19.03.2024 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses und begründete dies im Wesentlichen damit, dass sie die Wohnung für die Schwiegermutter einer Gesellschafterin benötige. …
Die Klägerin behauptet, dass sie die Wohnung für die Schwiegermutter einer Gesellschafterin benötige. Die Schwiegermutter sei nach Deutschland gezogen und lebe derzeit in einer zu kleinen Wohnung mit einem befristeten Mietverhältnis. Sie ist der Ansicht, dass sie auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.08.2021 (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) einen Eigenbedarf für ihre Gesellschafter und deren Angehörige geltend machen könne.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im Gebäude K.-straße xx, 1xxxx Berlin, Erdgeschoss links (bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Bad, Diele und Loggia – zus. 53,44 m²) und den dazugehörigen Kellerraum zum 31.12.2024 geräumt an sie herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass ihr ein Auszug aus ihrer Wohnung nicht zugemutet werden könne.
…
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im Hause Kurfürstenstraße 48, 13467 Berlin, Erdgeschoss links.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im Hause Kurfürstenstraße 48, 13467 Berlin, Erdgeschoss links, aus §§ 546 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB.
Nach § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung vom 19.03.2024 hat das Mietverhältnis, in dessen Rechte und Pflichten die Klägerin nach § 566 Abs. 1 BGB eingetreten ist, nicht beendet. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB (analog) sind nicht erfüllt.
Nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung eines Mietverhältnisses insbesondere, wenn er die Räume als Wohnung für sich oder einen Angehörigen benötigt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Klägerin kann als rechtsfähige Personengesellschaft (§ 705 Abs. 2 BGB) keinen Wohnbedarf für sich oder einen Angehörigen beanspruchen.
Der Bundesgerichtshof hat zwar vor der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG zum 01.01.2024 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen berufen kann (BGH, Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 271/06 -, juris; BGH, Urteil vom 16.07.2009 – VIII ZR 231/08 -, juris; BGH, Urteil vom 23.11.2011 – VIII ZR 74/11 -, juris; BGH, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15 -, BGHZ 213, 136-168). Diese Rechtsprechung kann allerdings seit dem Inkrafttreten des MoPeG am 01.01.2024 keine Anwendung mehr finden. Denn seit dem 01.01.2024 differenziert § 705 Abs. 2 BGB zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Gesellschaften. Erstere kennzeichnen sich dadurch, dass sie selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen können, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen sollen, letztere dadurch, dass sie lediglich den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen. Die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist selbst Rechts- und Pflichtenträger, sodass nur ihr selbst und nicht den Gesellschaftern die Rechte aus dem Mietverhältnis zustehen (§ 713 BGB). Rechtsfähige Gesellschaften können allerdings keinen Bedarf an Räumen als Wohnung „für sich“ oder „einen Angehörigen“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) haben. Im Unterschied zur vorhergehenden Rechtslage besteht darüber hinaus nunmehr auch eine Eintragungsfähigkeit und Eintragungspflicht in das Grundbuch nach § 47 Abs. GBO für die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, was eine weitgehende Angleichung an andere Personengesellschaften bewirkt hat. Es bestehen deshalb deutliche Änderungen im Vergleich zu der Rechtslage, die den bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrunde lag. Eine Analogie zu § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist seit dem 01.01.2024 nicht mehr möglich. Denn hätte der Gesetzgeber der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – abweichend von den für Personenhandelsgesellschaften und juristischen Personen geltenden Grundsätzen – ein Kündigungsrecht wegen eines Wohnbedarfs der Gesellschafter oder deren Angehörigen zuerkennen wollen, wäre eine gesetzliche Regelung geboten gewesen (BeckOK BGB/Hannappel/Caspers, 72. Ed. 01.11.2024, BGB § 573 Rn. 39a; BeckOK MietR/Siegmund, 38. Ed. 01.11.2024, BGB § 573 Rn. 53; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 85. Aufl. 2025, § 573 Rn. 26; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rn. 66a; Staudinger/Rolfs (2024) BGB § 573 Rn. 76a, 76b; Hinz NZM 2023, 185 (187); ausdrücklich offenlassend: BGH, Urteil vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23 -, juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann sich die Klägerin als rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht (mehr) in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines Angehörigen eines ihrer Gesellschafter berufen. Entscheidend für die Beurteilung der Rechtslage sind die §§ 705 ff. BGB in der seit dem 01.01.2024 geltenden Fassung des Gesetzes. Denn die Wirksamkeit der Kündigung vom 19.03.2024 ist nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts entsprechend nach dem im Zeitpunkt der Kündigung geltenden Recht zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23 -, juris). Die Regelungen der §§ 705 ff. BGB gelten seit dem 01.01.2024 auch für Altgesellschaften; eine Übergangsregelung ist lediglich für einzelne Vorschriften vorgesehen (MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2024, BGB § 705 Rn. 1). Ausgehend hiervon handelt es sich bei der Klägerin um eine rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, weil sie als Vermieterin Partei des Mietvertrages ist und ausweislich der von der Beklagten eingereichten Baumitteilung auch sonst selbst im Rechtsverkehr auftritt und damit nach dem Willen ihrer Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (§ 705 Abs. 2 BGB). Für die Schwiegermutter einer Gesellschafterin kann die Klägerin demnach aus den vorgenannten Gründen keinen Eigenbedarf geltend machen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf ein (sonstiges) berechtigtes Interesse im Sinne der Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB berufen, insbesondere macht sie keinen „Betriebsbedarf“ oder „Geschäfts- oder Berufsbedarf“ geltend, weil sie die Räumlichkeiten nicht für sich oder einen gesetzlichen Vertreter beansprucht, sondern als Wohnraum für eine Angehörige einer Gesellschafterin und damit nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken nutzen will (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 573 Rn. 65, 76).
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im Hause K.-straße xx, 1xxxx Berlin, Erdgeschoss links, aus § 985 BGB. Denn das Mietverhältnis wurde aus den vorgenannten Gründen nicht beendet, sodass der Beklagten ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 Abs. 1 BGB zusteht.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
07.05.2025