Kooperationsvereinbarung mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften Berlins
Stand: 11/22
Das „Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin (Berliner Wohnraumversorgungsgesetz – WoVG Bln)“ vom 24. November 2015 ist im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 2015, Seite 422 veröffentlicht. Es enthält vom BGB abweichende – mieterfreundliche – Regelungen zum Mietrecht für Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Zum aktuellen „Mietenstopp“ und zum „Kündigungsmoratorium“ siehe Punkt 15.
1. Wer ist von dem Gesetz betroffen?
Die rund 330.000 Mieterhaushalte, die bei einer der sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften wohnen.
2. Wofür gilt die Kooperationsvereinbarung?
Das Wohnraumversorgungsgesetz soll in Zukunft nochmals novelliert werden. Für Mieterhöhungen und die zulässige Miethöhe gelten bis dahin bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Regeln einer Kooperationsvereinbarung mit dem Berliner Senat. Diese (noch mieterfreundlicheren) Regeln (siehe Punkte 7 ff.) ersetzen die entsprechenden Vorschriften des Wohnraumversorgungsgesetzes.
Zwar begründet die Kooperationsvereinbarung keine Rechtsansprüche der Mieter. Verstöße dagegen dürften aber faktisch nicht durchsetzbar sein, weil der politische Wille der Stadtregierung insoweit eindeutig ist und die Wohnungsbaugesellschaften letztlich und faktisch weisungsgebunden sind. Sollten gleichwohl Verstöße bekannt werden, ist bitte auch die Geschäftsstelle des BMV hiervon zu unterrichten. Wir werden dann mit der Senatsverwaltung Kontakt aufnehmen.
3. Welche Vermieter gehören zu den städtischen Wohnungsbauunternehmen im Sinne des neuen Gesetzes?
degewo AG
GESOBAU AG
Gewobag Wohnungsbau-AG
HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH
STADT UND LAND Wohnbauten-GmbH
WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH
Soweit diese Gesellschaften oder ihre Tochtergesellschaften nicht Eigentümer der Wohnungen sind, sondern Fremdverwaltung für Private betreiben, unterfallen solche Wohnungen weder dem WoVG Bln noch der Kooperationsvereinbarung.
4. Gehören auch Sozialwohnungen zum Eigentum städtischer Wohnungsunternehmen?
Ja, circa 25.000 Sozialwohnungen befinden sich im Bestand der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen. Obwohl für Sozialwohnungen ein spezielles Mietpreisrecht gilt (vgl. unser Info Nr. 53), sollen die mieterfreundlichen Regelungen des Kooperationsvertrags auch auf diese Wohnungen Anwendung finden. Ist die Wohnung eine Sozialwohnung, sollten Mieter prüfen, ob ein Mietzuschuss beantragt werden kann (siehe hierzu unser Info Nr. 53).
5. Was ist bei den städtischen Wohnungen anders?
Abweichend zur Rechtslage für „normale“ Wohnungen werden fünf Sachverhaltsgruppen anders geregelt:
- Kündigung wegen Zahlungsverzuges
- Mieterhöhung auf das ortsübliche Niveau (§ 558 BGB)
- Mieterhöhung nach Modernisierung (§ 559 BGB)
- Wiedervermietungsmiete – Umgang mit Wohnungsbewerbern
- Möglichkeiten der Mietermitbestimmung
6. Was gilt bei städtischen Wohnungen im Hinblick auf die Kündigung wegen Zahlungsverzuges?
- Außerordentliche fristlose Kündigungen aufgrund von Mietrückständen sind soweit wie möglich zu vermeiden.
- Bei unvermeidbarer fristloser Kündigung soll dem Mieterhaushalt Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden.
- Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sollen erst dann vollzogen werden, wenn der Mieter nicht mitwirkt, anderweitig mit Wohnraum versorgt ist oder angebotenen Ersatzwohnraum in angemessener Frist nicht annimmt.
- Auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kann verzichtet werden, wenn der Mieter Lohn und Gehalt bzw. sonstige Leistungsansprüche etc. bis zur Höhe nicht erfüllter Forderungen sowie über zukünftig monatlich wiederkehrende Kosten abtritt.
7. Was gilt bei städtischen Wohnungen hinsichtlich der Mieterhöhung auf das ortsübliche Niveau (§ 558 BGB)?
Die Bestandsmieten können bis Februar 2025 maximal bis zu 1 Prozent jährlich erhöht werden. Entsprechende Mieterhöhungen können frühestens am 1. Januar 2022 angekündigt werden. Ab dem Jahr 2025 können Mieterhöhungen in Höhe der Inflationsrate erfolgen.
Aufgrund des MietenWoG Bln („Mietendeckel“) abgesenkte Mieten können frühestens mit Ankündigung ab 1. Januar 2022 schrittweise bis maximal zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden. Dabei darf die Mietanhebung nicht mehr als 2,5 Prozent jährlich betragen. Die rund 28.000 betroffenen Mieterhaushalte werden frühzeitig und umfassend durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen informiert.
Mieter können beim Vermieter beantragen, dass die Nettokaltmiete nicht mehr als 30 % des Haushaltsnettoeinkommens beträgt (Härtefallregelung). Nach der Kooperationsvereinbarung ist hierfür nicht einmal eine vorausgegangene Mieterhöhung nötig. Voraussetzung ist aber weiterhin, dass bestimmte Einkommensgrenzen (siehe unter 8.) nicht überschritten werden. Die Wohnungsgröße spielt für den Umfang des Härteausgleichs ebenfalls eine Rolle.
Diese Kappungsgrenze sinkt auf 27 % des Haushaltsnettoeinkommens, wenn die Mieter in einem Gebäude mit einem Endenergieverbrauchswert von mehr als 170 kWh/m²/Jahr wohnen.
8. Welche Einkommensgrenzen sind für die Inanspruchnahme der Härtefall-Kappungsgrenzen maßgeblich?
Für die Anerkennung eines Härtefalls dürfen folgende Einkommensgrenzen für das Gesamteinkommen des Mieterhaushalts nicht überschritten werden:
16.800 Euro pro Jahr für einen Einpersonenhaushalt;
25.200 Euro pro Jahr für einen Zweipersonenhaushalt;
zusätzlich 5.740 Euro pro Jahr für jede weitere zum Haushalt gehörende Person;
zusätzlich 700 Euro pro Jahr für jedes zum Haushalt gehörende Kind.
Das anrechenbare Gesamteinkommen wird von den landeseigenen Wohnungsunternehmen in Anwendung der §§ 20 bis 24 des Wohnraumförderungsgesetzes ermittelt.
9. Welche Wohnflächen sind für die Inanspruchnahme der Härtefall-Kappungsgrenzen maßgeblich?
Für die Anerkennung eines Härtefalls sind folgende Wohnflächenobergrenzen festgelegt:
- 45 m² bei einem Einpersonenhaushalt;
- 60 m² bei einem Zweipersonenhaushalt;
- 75 m² bei einem Dreipersonenhaushalt;
- 85 m² bei einem Vierpersonenhaushalt;
- zusätzlich 12 m² für jede weitere zum Haushalt gehörende Person.
Bei Überschreitungen erfolgt die Absenkung anteilig.
Beispiel: Bewohnt ein Single eine 60 m² große Wohnung, dann findet die Kappung auf 30 % des Einkommens lediglich auf 45 m² Anwendung.
Bei Vorliegen besonderer Lebensumstände, wie bei kürzlichem Tod eines Haushaltsmitgliedes oder bei Rollstuhlbenutzung, können die landeseigenen Wohnungsunternehmen eine Überschreitung der Wohnflächenobergrenze um bis zu 20 % anerkennen. Dasselbe gilt, wenn die Wohnung Besonderheiten in ihrem Wohnungsgrundriss aufweist, welche eine deutlich höhere Wohnfläche bewirken, als diese bei Wohnungen mit ähnlicher Wohnqualität üblich ist.
10. Was gilt bei städtischen Wohnungen hinsichtlich der Mieterhöhung nach Modernisierung (§ 559 BGB)?
- Abweichend von § 559 BGB beträgt der Modernisierungszuschlag jährlich 6 % (statt 8 %) der aufgewendeten Modernisierungskosten. Das gilt für alle Modernisierungsankündigungen, die ab dem 1.11.2016 ausgesprochen wurden. Für Modernisierungsankündigungen zwischen dem 1.1.2016 und dem 30.10.2016 betrug der Zuschlag 9 %.
- Nach einer Modernisierung soll die Miete nicht mehr als 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, sofern es sich bei der Modernisierung nicht um umfassende Modernisierungsvorhaben handelt. Bei Modernisierungsankündigungen ab dem 1.11.2016 gilt die Grenze von 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete.
- Die Nettokaltmiete soll auf einen Betrag begrenzt werden, der die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich der durch die Modernisierung bewirkten Betriebskosteneinsparung (in der Regel die rechnerische oder tatsächliche Heizkostenersparnis) nicht übersteigt.
- Bei Vorliegen eines sogenannten Härtefalles (siehe Punkte 8 und 9) soll auf Antrag des Mieters die Miete nach der Mieterhöhung höchstens 30 % des Haushaltsnettoeinkommens betragen.
11. Was gilt bei städtischen Wohnungen hinsichtlich der Wiedervermietungsmiete und hinsichtlich des Umgangs mit Wohnungsbewerbern?
63 % der jährlich zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen im Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden an WBS-berechtigte Haushalte maximal zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet. Von dieser Quote der zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen werden wiederum 25 % an Wohnberechtigte besonderer Bedarfsgruppen vermietet. Einzelne Quartiere können von der 63 %-Quote ausgenommen werden.
Es wird gewährleistet, dass die Mietbelastung des jeweiligen Haushalts nicht mehr als 30 % des Nettohaushaltseinkommens beträgt.
Die Prüfung der WBS-Berechtigung kann von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften außerhalb des sozialen Mietwohnungsbestandes selbst durchgeführt werden.
Bewerberinnen und Bewerbern um eine Mietwohnung darf die Anmietung einer Wohnung nicht allein wegen einer negativen Bonitätsauskunft einer privaten Auskunftei verweigert werden.
Für die Wiedervermietungsmiete von preisfreien Wohnungen gilt Folgendes:
Bei den jährlich rund 14.000 Wiedervermietungen soll maximal die ortsübliche Vergleichsmiete abzüglich 10 Prozent, mindestens jedoch die Höhe der Vormiete angesetzt werden. Von dieser Regelung kann in Ausnahmefällen abgewichen werden, bei denen objektbezogen sonst eine Unwirtschaftlichkeit gegeben wäre. Ein objektbezogener Nachweis ist gegenüber der für Wohnen zuständigen Senatsverwaltung zu erbringen. In diesen Ausnahmefällen kann maximal die ortsübliche Vergleichsmiete angesetzt werden. Darüber hinaus können in Ausnahmefällen, etwa bei Vorkaufsfällen, einvernehmliche Ausnahmeregelungen getroffen werden. Die Geltungsdauer der Maßnahmen soll auf den ursprünglichen Geltungszeitraum des MietenWoG Bln bis Februar 2025 begrenzt sein.
Zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit von Neubauvorhaben der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist eine Anpassung der Mieten im freifinanzierten Bereich bei der erstmaligen Vermietung erforderlich. Die nachstehenden Regelungen sind unternehmensweit bei den freifinanzierten Wohnungen zu erfüllen.
- 25 % der freifinanzierten Wohnungen werden an Mieterinnen und Mieter mit Einkommen im Bereich > 140 % bis 180 % der Bundeseinkommensgrenze (BEG) zu maximal 9,50 Euro pro Quadratmeter vermietet.
- 25 % der freifinanzierten Wohnungen werden an Mieterinnen und Mieter mit Einkommen im Bereich > 180 % bis 240 % BEG zu maximal 11,50 Euro pro Quadratmeter vermietet.
- Insgesamt überschreiten die Mieten im freifinanzierten Bereich nicht einen durchschnittlichen Wert von 11,00 Euro pro Quadratmeter.
Die vorstehenden Werte können jährlich um bis zu 2 % angehoben werden.
Ändert sich der Baupreisindex für Wohngebäude gemäß Amt für Statistik Berlin-Brandenburg ab dem 1.1.2021 um mehr als 5 %, verpflichten sich die Vertragspartner bezüglich der vereinbarten jährlichen Indexierung in Höhe von 2 % zu Nachverhandlungen über eine Erhöhung innerhalb von drei Monaten. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften melden den entsprechenden Verhandlungsbedarf gegenüber den Vertragspartnern zum gegebenen Zeitpunkt an. Maßgeblich für die Laufzeit der Frist ist der Zeitpunkt der Anmeldung des Bedarfs bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.
Die Regelungen zu Mieten im Neubau (Durchschnittsmiete 11,00 Euro pro Quadratmeter sowie Anpassung um 2 % je Jahr bzw. Nachverhandlung bei Baukostensteigerungen oberhalb von 5 %) gelten rückwirkend ab dem 1.1.2021.
12. Was gilt bei städtischen Wohnungen im Hinblick auf die Mietermitbestimmung?
Bei jedem landeseigenen Wohnungsunternehmen wird jeweils ein Mieterrat zur Beteiligung der Mieterschaft an Unternehmensentscheidungen eingerichtet.
Die Mieterräte befassen sich mit und nehmen Stellung insbesondere zu den Unternehmensplanungen bei den Neubau-, Modernisierungs- und Instandsetzungsprogrammen, bei der Quartiersentwicklung sowie bei Gemeinschaftseinrichtungen und erhalten die dazu erforderlichen Informationen.
Die Mitglieder der Mieterräte werden durch Wahlen aus der jeweiligen Mieterschaft in ihre Funktionen berufen. Die Mieterräte sollen in ihrer Zusammensetzung die Vielfalt der Mieterinnen und Mieter repräsentieren. Der Aufsichtsrat legt die Anzahl der Mitglieder des Mieterrats fest und erlässt die Wahlordnung.
13. Welche grundlegenden Probleme bereiten die neuen Regelungen bei der Rechtsanwendung?
Während das Mietrecht fast immer unmittelbare Drittwirkung für die Mieter auslöst, Mieter also direkt aus dem Gesetz auf dessen Einhaltung Klage erheben können, ist dies bei den Kündigungsschutzregelungen (Punkt 6) und den Kappungsgrenzen (Punkte 7 bis 10) für Mieter landeseigener Wohnungen nicht der Fall. Die entsprechenden Paragrafen enthalten lediglich eine Selbstverpflichtung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Für den – unwahrscheinlichen – Fall, dass ein landeseigenes Wohnungsunternehmen die Mieterschutzregelungen unter Hinweis auf die fehlende Drittwirkung ignoriert, ist daher von der gerichtlichen Rechtswahrnehmung abzusehen. Vielmehr sollten betroffene Mieter – über den Berliner Mieterverein e.V.- politischen und medialen Druck auf die Wohnungsbaugesellschaft und auf den Berliner Senat ausüben.
14. Was ändert sich durch das Wohnraumversorgungsgesetz für die anderen rund 1.300.000 Berliner Mieterhaushalte, die nicht bei einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft wohnen?
So gut wie nichts, wenn man davon absieht, dass nunmehr in § 3 Abs. 7 des Investitionsbankgesetzes bestimmt ist: „Mieterinnen und Mietern von Wohnraum, dessen Errichtung oder Modernisierung und Instandsetzung durch die Investitionsbank Berlin gefördert worden ist, erteilt die Investitionsbank auf deren Anforderung hin Auskunft über die Förderbestimmungen, soweit diese sich auf den jeweiligen Mietvertrag auswirken.“
Außerdem ist im Artikel 4 über die Errichtung des „Sondervermögens Wohnraumförderfonds Berlin“ festgehalten, dass nunmehr eine mietpreisreduzierende öffentliche Förderung von Modernisierung und Instandsetzung in Höhe von 3,5 Mio. Euro jährlich anzubieten ist.
15. Was bedeuten „Mietenstopp“ und „Kündigungsmoratorium“?
Der Berliner Senat hat in seiner Sitzung am 6. Dezember 2022 einen Mietenstopp beschlossen. Dieser sieht vor, dass für Wohnungen im Landesbesitz keine Mieterhöhungen bis zum 31. Dezember 2023 durchgeführt werden. Bereits vereinbarte Mieterhöhungen mit Wirkung zum 1. November 2022 werden durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zurückgenommen. Die berlinovo wird den Mietenstopp in ihrem Eigenbestand mit klassischem Wohnen anwenden.
Der Beschluss zum Mietenstopp ist eine weitere Maßnahme des Mieterschutzes und ergänzt das sogenannte Kündigungsmoratorium vom 27. September 2022, das die landeseigenen Wohnungsunternehmen dazu verpflichtet, in ihrer betrieblichen Praxis individuelle Vereinbarungen mit Mieterinnen und Mietern zum Abschluss von Stundungsmöglichkeiten zu treffen, keine Kündigungen aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten wegen erhöhter Energiekostenvorauszahlungen auszusprechen sowie keine Räumungen bewohnter Wohnungen durchzuführen.
10.12.2022