Pressemitteilung Nr. 55/25
Download der BMV Auswertung – Eigenbedarf – Verteidigung zahlt sich aus [PDF]
Der Berliner Mieterverein (BMV) warnt vor einem weiteren Anstieg von Eigenbedarfskündigungen in Berlin. Eine neue Auswertung von 551 Rechtsberatungsfällen aus den Schwerpunktjahren seit 2020 zeigt: Eigenbedarf ist längst kein Randphänomen mehr, sondern eine der direktesten Formen der Verdrängung von Mieter:innen auf dem Berliner Wohnungsmarkt – häufig verbunden mit Missbrauch in Form von vorgeschobenem Eigenbedarf und hohen Renditeerwartungen der Eigentümer:innen.
„Was wir aktuell erleben, ist die Ernte des Umwandlungsbooms der 2010er Jahre“, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. „Für viele Mieter:innen in umgewandelten Wohnungen bedeutet das heute die konkrete Gefahr des Wohnungsverlusts.“
Hintergrund ist das starke Umwandlungsgeschehen zwischen 2010 und 2021. Die wachsende Attraktivität Berlins nach 2004, niedrige Zinsen nach der Finanzkrise 2008, große Kapitalzuflüsse und damit verbundene hohe Renditegelegenheiten führten zu einem erheblichen Anstieg der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen – mit unmittelbarer Wertsteigerung ab Eintragung ins Grundbuch.
Die Folge zeigt sich nach Auslaufen der Kündigungsperrfristen in den Wohnungsbeständen auch in der Beratungspraxis des BMV: Seit 2020 verzeichnet der Verein jährlich rund 2.000 Beratungen zu Eigenbedarfskündigungen, insgesamt mehr als 8.000 in vier Jahren.
Die Auswertung macht deutlich, dass Eigenbedarfskündigungen häufig nicht aus dem Nichts erfolgen. In der Hälfte der untersuchten Fälle kam es in den drei Jahren vor Zugang der Kündigung bereits zu mietrechtlichen Auseinandersetzungen – etwa über Miethöhe, Mängel oder Modernisierungen. Jede fünfte Kündigung stand im Zusammenhang mit Streit über eine überhöhte Miete. Zudem zeigt sich, dass ein Eigentümerwechsel ein Risiko erhöht: In mindestens 13 Prozent der Fälle wurde die Wohnung in den drei Jahren vor der Kündigung verkauft.
Auffällig ist auch die Quote der Fälle, in denen der Verdacht eines vorgeschobenen Eigenbedarfs besteht. Die Auswertung bestätigt, dass die gesetzlichen Regelungen anfällig für Missbrauch sind. Knapp die Hälfte aller untersuchten Fälle beruht auf Eigenbedarf zur Selbstnutzung – eine Begründung, die nur schwer überprüfbar ist und damit besonders missbrauchsanfällig bleibt.
Auf jede vierte Eigenbedarfskündigung folgt eine Räumungsklage. 2024 wurden berlinweit rund 3.000 Räumungsklagen eingereicht. Der Berliner Mieterverein geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigungen ein Vielfaches höher liegt. Viele Betroffene lassen sich nicht beraten, ziehen unter Druck aus oder akzeptieren unzureichende Abfindungen.
Gleichzeitig zeigt sich auch, dass sich eine Verteidigung lohnt. Gerichtsverfahren enden in 62 Prozent der Fälle mit Vergleichen, in 24 Prozent gewinnen die Mieterinnen und Mieter – und nur in 13 Prozent die Vermietenden. Die häufigsten Härtegründe beziehen sich auf die Unmöglichkeit, angemessenen Ersatzwohnraum zu finden.
„Eigenbedarfskündigungen sind ein strukturelles Problem in Berlin. Wir erwarten, dass das Beratungsgeschehen in den kommenden Jahren auf hohem Niveau bleibt oder sogar zunimmt.“, betont Bartels. „Daher ist eine frühzeitige Rechtsberatung für betroffene Mieter:innen entscheidend. Wir raten allen Betroffenen, nicht vorschnell und ohne rechtliche Beratung auf die Kündigung zu antworten, erst recht sich nicht zum Auszug drängen zu lassen, zumal meist nur eine geringe Umzugspauschale angeboten wird. Wer einen Härtegrund hat, sollte diesen unbedingt fristgerecht, das heißt spätestens zwei Monate vor Ablauf des Mieterverhältnisses, einlegen.“ Der BMV-Geschäftsführer weist außerdem auf die hohen Kosten einer Räumungsklage hin: „Wer in einer Eigentumswohnung wohnt, sollte rechtsschutzversichert sein – denn wenn erst die Kündigung im Briefkasten liegt, wird die Räumungsklage nur gedeckt, muss man bereits drei Mitglied im BMV oder einer privaten Rechtsschutzversicherung ist.“
Aus der Auswertung leitet der Berliner Mieterverein folgende politische Forderungen ab:
- Der Erwerb bewohnter Wohnungen sollte auf angespannten Wohnungsmärkten grundsätzlich ausgeschlossen sein.
- Der Personenkreis, für den Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, muss deutlich eingeschränkt werden – vorzugsweise auf Verwandte ersten Grades.
- Mieterinnen und Mieter, die trotz intensiver Bemühungen keinen Ersatzwohnraum finden, sollen trotz eines Räumungsurteils in ihrer Wohnung verbleiben oder vorübergehend wieder eingewiesen werden können.
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Berlin, den 11.12.2025
11.12.2025




