Die Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2026/27 decken auf: Berlin investiert in die Dekarbonisierung der Fernwärme, spart aber bei Programmen, die die Wärmewende sozial abfedern. Ohne stabile Förderung und ohne den Bund kann die Wärmewende für viele Mieter:innen zur Belastung werden.
Die Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus laufen auf die Zielgerade zu. Es geht um Milliarden – und um nicht weniger als die Frage, ob Berlin in den kommenden Jahren Kurs hält in Richtung Klimaneutralität.
Auf den ersten Blick wirkt vieles richtig: Rund 2,5 Milliarden Euro – davon 1 Milliarde aus dem Klimapakt mit den landeseigenen Unternehmen sowie 1,5 Milliarden aus dem Bundessondervermögen – sollen allein in die Dekarbonisierung und den Ausbau des Fernwärmenetzes fließen. Ein gewaltiges Infrastrukturprojekt, das – ambitioniert und mit den richtigen Maßnahmen umgesetzt – tatsächlich einen großen Schritt nach vorn bedeuten kann.
Die Fokussierung auf Biomasse für die zwei derzeit in Prüfung befindlichen neuen Kraftwerke stößt allerdings auf erhebliche Kritik – unter anderem vom NABU, der Deutschen Umwelthilfe und Robin Wood. Die Umweltorganisationen weisen darauf hin, dass die (Alt-)Holzverbrennung ähnlich viel CO₂ freisetzt wie die Kohleverbrennung und daher keine klimaneutrale Lösung darstellt. Eine klimafreundlichere Fernwärme nützt allen – vorausgesetzt, sie ist es auch tatsächlich: der Stadt und den Mieter:innen, die nicht noch stärker von fossilen Preisrisiken abhängig sein sollen.
Die Geothermie, also die Nutzung von Erdwärme aus den Tiefen des Berliner Untergrunds, wird frühestens ab 2035 eine Rolle spielen. Berlin hat den Einstieg in die Geothermie deutlich verschlafen. Auch wenn nur etwa 15 Prozent der benötigten Wärme aus der Erde kommen, wie Expert:innen prognostizieren: Der Einstieg in die Geothermie ist wichtig.
Senatorin Ute Bonde verweist darauf, dass der Haushalt „einen relevanten Beitrag zur Erreichung der Berliner Klimaschutzziele“ leiste. Der aktuelle Bericht zum klimagerechten Haushalten weist jährlich mindestens 37.000 Tonnen CO₂-Einsparung aus. Der Klimaschutzrat geht insbesondere vor dem Hintergrund der Kürzungen und unzureichenden Maßnahmen im Verkehrssektor davon aus, dass die Klimaschutzziele bis 2030 dennoch nach wie vor gefährdet sind.
Kürzungen bei der sozialen Flankierung
Doch hinter dieser beeindruckenden Summe öffnet sich ein anderes Bild. Während die großen, sichtbaren Projekte priorisiert werden, geraten jene Bereiche ins Hintertreffen, die die Transformation sozial verträglich machen sollen. Die Ausgaben für Umwelt- und Naturschutz sinken 2026 im Vergleich zu 2025 drastisch um rund 55 Prozent – von 186,8 Millionen Euro auf 84,7 Millionen Euro. Ihr Anteil am Gesamtetat halbiert sich nahezu von 5,4 Prozent auf unter 3 Prozent.
Am härtesten trifft es die Programme, die Haushalte, Kieze und kleine Eigentümer:innen begleiten sollen. In der Maßnahmengruppe „Klimaschutz, Klimaanpassung und Wärmewende“ streicht Berlin die Mittel um 75 Prozent im Jahr 2026 und um 80 Prozent im Jahr 2027. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Solarenergienutzung, Stadtbegrünung und die Umsetzung kommunaler Wärmepläne. Damit baut die Stadt die konkrete Unterstützung vor Ort massiv ab – ausgerechnet in dem Moment, in dem die Anforderungen steigen.
EU-Gelder in Gefahr
Besonders kritisch sind die geplanten Kürzungen beim EU-kofinanzierten Programm BENE (Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung). Dieses Programm fördert Projekte, die Klimaschutz sowie soziale Entwicklung verbinden und tief in die Alltagsrealität von Mieter:innen hineinwirken.
Für die laufende Förderperiode 2021 bis 2027 stehen bis zu 210 Millionen Euro EU-Mittel bereit, die Berlin jedoch nur abrufen kann, wenn es seinen Landesanteil von 315 Millionen Euro kofinanziert. Im Haushaltsentwurf 2026/27 sind dafür jedoch lediglich 32,3 Millionen Euro vorgesehen.
Kürzt oder verzögert der Senat den Landesanteil nun wie geplant, können kommunale Einrichtungen, Genossenschaften, Quartiersinitiativen und soziale Wohnungsunternehmen bereits ausgereifte Projekte nicht starten – obwohl die EU-Fördergelder bereitstehen. Bereits heute liegen rund 130 vollständig vorbereitete Projekte auf Eis, weil die Landesmittel nicht angesetzt werden, obwohl sie im Haushalt für 2025 stehen.
Reiner Wild, ehemaliger Geschäftsführer des Berliner Mietervereins und Mitglied im Klimaschutzrat, bringt es auf den Punkt: „Durch die Haushaltseinsparungen beim Förderprogramm BENE 2 und auch beim Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) sind viele Projekte zur Umstellung auf erneuerbare Energien, zu stabilen Wärmepreisen und leistbaren Investitionen gefährdet.“
Es geht somit nicht nur Geld, sondern vor allem wertvolle Zeit verloren. Zeit, in der Gebäude weiterhin Energie verschwenden; Zeit, in der Sommerhitze in dicht bebauten Quartieren ungebremst wirkt; Zeit, in der soziale Konflikte rund um den Modernisierungsdruck eskalieren.
Und in der Klimapolitik ist Zeit kein neutraler Faktor. Auch internationale und nationale Klimaforschung erinnert uns: Die Zeit, in der man Klimaschutz aufschieben konnte, ist längst vorbei. Eine Erderwärmung von 2,8 Grad bis zum Jahrhundertende ist nicht mehr theoretisches Szenario, sondern reale Prognose im aktuellen Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Der Handlungsdruck steigt.
Risiko der Schieflage
Das Risiko einer Schieflage ist klar erkennbar. Wenn Förderprogramme zurückgehen, sinkt die Unterstützung bei Investitionen, während die Anforderungen steigen. Damit können Modernisierungskosten zur Belastung für Mieter:innen werden. Es wäre der falsche Moment – kurz bevor die Berliner Wärmeplanung in die Umsetzung geht – jene Programme zu schwächen, die den praktischen, sozialen und ökonomischen Übergang ermöglichen.
„Die Berliner Wärmeplanung sieht den Schwerpunkt der Wärmewende in Gebieten, in denen alte Netze verdichtet, neue Netze entstehen und grundstücksübergreifende Lösungen gefunden werden können“, sagt Wild. „Zwei Drittel des Wärmebedarfs könnten netzgebunden befriedigt werden. Doch mit der einseitigen Förderung durch Klimapakt und Sondervermögen für die Fernwärme der BEW missachtet der Senat die Potenziale, um mehr private Investitionen für soziale Verträglichkeit anzustoßen.“
Was jetzt wichtig wird
Die endgültige Entscheidung über den Doppelhaushalt 2026/2027 fällt voraussichtlich Mitte Dezember im Abgeordnetenhaus. Die Parlamentarier müssen nun intensiv über eine Stärkung der sozialen Begleitprogramme zur Wärmewende verhandeln.
Dass Bewegung möglich ist, zeigen jüngste Korrekturen: Der beliebte Reparaturbonus bleibt erhalten, der Senat finanziert Baumpflanzungen weiter, Parkläufer bleiben im Einsatz und die Kieztage der BSR können fortgeführt werden. Die Entscheidung, diese Programme nicht zu streichen, ist richtig. Sie fördert Verantwortung, Gemeinschaft und Stadtnatur – und sendet das Signal, dass Klimaschutz auch dort stattfindet, wo Menschen leben.
Doch bei aller Anerkennung dieser Schritte: Sie lösen das zentrale Problem nicht.
Die Breite der Stadt mitnehmen
Der Berliner Mieterverein fordert deshalb eine stabile, verlässliche und vorausschauende Finanzierung der Programme für Klimaschutz- und die Wärmewende, die über die großen Energienetze hinausreicht.
Gerade Programme der Beratung, Aktivierung und Förderung sind dafür unverzichtbar. Sie helfen, Konflikte zu vermeiden, Potenziale zu nutzen und Lösungen zu entwickeln, bevor Modernisierungskosten zur Belastung werden. Werden sie zurückgefahren, entstehen Lücken – und diese Lücken sind teuer.
Wer ernsthaft Klimaneutralität anstrebt, muss die Breite der Stadt mitnehmen. Mieter:innen brauchen Sicherheit: vor überzogenen Kosten, vor Überforderung, und vor dem Eindruck, Klimapolitik findet überall statt – nur nicht dort, wo sie am dringendsten gebraucht wird.
sk
18.11.2025




