Die Wärmewende ist das politische Großprojekt der nächsten Jahre. Ohne eine umfassende Dekarbonisierung des Gebäudebestands bleiben die Klimaziele unerreichbar. Doch wer die Wärmewende nur durch die Brille der Wohnungs- und Energiewirtschaft betrachtet, übersieht einen entscheidenden Faktor: Mieter:innen kämpfen schon jetzt mit hohen Energiekosten. Fraglich ist, wie die künftige Koalition von Union und SPD die Wärmewende voranbringen wird.
Bereits heute leidet etwa ein Viertel der privaten Haushalte in Deutschland unter Energiearmut – Tendenz steigend. Vor dem Hintergrund der Wohnungskrise mit hohen Mieten, Verdrängung und zunehmender Wohnungslosigkeit ist die Wärmewende eine große soziale Herausforderung. Viele Instrumente der Wärmewende – wie Fernwärme, Contracting oder CO₂-Bepreisung – bergen erhebliche soziale Risiken, wenn soziale Ausgewogenheit und Verbraucher:innenschutz nicht zur Grundlage politischen Handelns werden. Um den Gebäudebestand auf fossilfreie Wärme umzustellen, sind erhebliche Investitionen nötig. Mit dem geltenden Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist der Heizungstausch mit Übergangsfristen und unter den Voraussetzungen der kommunalen Wärmeplanung in den Städten und Gemeinden verpflichtend und zugunsten der Miethaushalte kostenmäßig gedeckelt. Doch die neue Bundesregierung plant, das „Heizungsgesetz“ wieder abzuschaffen. Ein neues Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll „technologieoffen, einfach und flexibel“ sein. Klingt gut – ist aber gefährlich: Denn konkrete Verpflichtungen verschwinden, wirtschaftliche Anreize zum Heizungstausch sollen sich verstärkt über den CO₂-Preis ergeben. Damit droht der politische Kurswechsel die Last der Transformation auf die Mieter:innenseite zu verlagern.
Unsicherheit bei Förderung und Preisgestaltung
Um Miethaushalte vor hohen Umlagen zu schützen und Eigentümer:innen den Heizungstausch investitionsschonend zu ermöglichen, förderte bislang die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) die Umstellung auf Wärmepumpen-betriebene Heizungsanlagen in Gebäuden. Ob die BEG in ihrer bisherigen Form erhalten bleibt, ist unklar. Gleichzeitig entwickelt sich Fernwärme – Hoffnungsträger klimaneutraler Wärmeversorgung in den Städten – zur Kostenfalle: Intransparente Preisgestaltung, fehlende Kontrolle und steigende Tarife belasten Mieter:innen erheblich. Der Energiedienstleister Techem gibt für das Jahr 2024 erneute Preissteigerungen von durchschnittlich 27 Prozent an. Zwar sieht der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot eine „unverzügliche“ Novellierung der AVB-Fernwärmeverordnung vor – mit mehr Transparenz, fairen Preisen und unabhängiger Preisaufsicht –, aber vor allem für sichere Investitionsbedingungen.

Contracting als Kostenfalle
Noch problematischer ist das Contracting. Immer mehr Vermieter:innen lagern die Wärmeversorgung an externe Dienstleister aus – mit teils drastischen Preissteigerungen. Ohne gesetzliche Regeln zu Effizienzstandards, Preisgestaltung und echter Preiskontrolle bleibt das Modell eine Kostenfalle für Mieter:innen. Auch weil es keine Abgrenzung von Fern- zur Nahwärme und schon gar nicht zu siedlungsbezogenen Contractingmodellen gibt. Abgerechnet wird auch hier nach AVB-Fernwärmeverordnung, nach der bislang Börsenpreise in die Preisberechnungsklauseln einfließen können. Der Koalitionsvertrag enthält dazu keine konkreten Maßnahmen. Es bleibt zu befürchten, dass sowohl die Wärmelieferverordnung als auch die Kostenneutralität nach Umstellung auf ein Contractingmodell laut Paragraf 556c im Bürgerlichen Gesetzbuch die neue Bundesregierung nicht überleben werden. Contractinganbieter wie die Getec Holding GmbH sehen diese Regelungen als Hindernis für Investitionen. „Die Wärmewende gibt es nicht zum Nullbon“, sagte Dr. Henning Lustermann, CEO Segment Immobilien der Getec Plattform Deutschland kürzlich auf einem Panel beim ZIA-Nachhaltigkeitskongress 2025.
CO2-Bepreisung als zentrales Steuerungselement
Künftig soll die CO2-Bepreisung, ab 2027 gesteuert durch den EU-Emissionshandel, zum zentralen Instrument werden. Das bedeutet: Der Fokus soll stärker auf den verursachten Emissionen liegen, weniger auf dem Energieverbrauch. Das kann dazu führen, dass selbst energetisch ineffiziente Gebäude als „klimafreundlich“ gelten, solange sie mit „grüner“ Energie betrieben werden – obwohl sie hohe Energieverbräuche und damit auch hohe Energiekosten für die Mieter:innen verursachen. Die regulatorischen Anforderungen abzusenken ist ein Ansatz, den die Wohnungs- und Energiewirtschaft bereits seit einiger Zeit verfolgen. Laut dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW sind hohe Energiekosten bei unsanierten Gebäuden teilweise immer noch wirtschaftlicher als umfassende energetische Sanierungen. Die Gebäudeallianz hingegen betont, dass Energieeffizienz weiterhin eine zentrale Rolle für den sozialverträglichen Klimaschutz spielt. Ein Gutachten untermauert diese Position.
Während der Sanierungsdruck für Vermieter:innen vermutlich sinken soll, steigt für Mieter:innen die Belastung. Besonders kritisch: Das im Wahlkampf angekündigte Klimageld – also die Rückführung an einkommensniedrige Haushalte – wird im Koalitionsvertrag nicht mehr erwähnt. Auch die Aufteilung des CO2-Preises zwischen Mietenden und Vermietenden birgt Probleme: Das Kosten-Stufenmodell ist rechtlich nicht erprobt und hoch bürokratisch für dezentral beheizte Miethaushalte. Zudem liegt keine Klassifizierung von Gebäuden nach ihrem energetischen Zustand vor. So kann es passieren, dass ein Wohngebäude mit sparsamen Mieter:innen als energieeffizient eingestuft wird, obwohl der geringere Verbrauch einzig auf das Heizverhalten der Mietenden zurückzuführen ist. Dadurch entsteht eine systematische Benachteiligung sparsamer Haushalte. Das ist nicht nur sozialpolitisch fahrlässig, es zeigt auch, wie wenig Verständnis für die Lebensrealität vieler Mieter:innen vorhanden ist. Viele Miethaushalte haben ihr Heizverhalten bereits dem ökonomischen Druck angepasst. Vor allem die Einführung der monatlichen Mitteilungspflicht in Gebäuden mit fernablesbaren Messgeräten über den Verbrauch hat in vielen Haushalten zu Einsparungen geführt.
Europäische Pflichten werden ausgebremst
Hinzu kommt der Rückschritt auf europäischer Ebene: Statt die Verpflichtung zur stufenweisen Sanierung der energetisch schlechtesten Gebäude schnellstmöglich in nationales Recht umzusetzen, will sich die neue Bundesregierung für eine Ausweitung der Fristen bei der EU-Gebäuderichtlinie einsetzen. Spielräume zu den darin geregelten Standards bei der Effizienz sollen ausgelotet werden. Das bremst den Klimaschutz weiter aus.
Mietrecht unter Druck
Auch bei der Reform der Modernisierungsumlage im Mietrecht ist höchste Wachsamkeit geboten: Zwar wird von bezahlbaren Mieten gesprochen – gleichzeitig aber auch von stärkeren wirtschaftlichen Anreizen. Das könnte bedeuten, dass die Kappungsgrenzen von 2 beziehungsweise 3 Euro pro Quadratmeter fallen. Union und SPD könnten auf eine Ausweitung der Härtefallregelung für einkommensniedrige Haushalte oder eine Ausweitung der Fördermittel setzen. Letzteres ist an anderer Stelle im Koalitionsvertrag angekündigt, bislang wurden Fördermittel durch privatwirtschaftliche Vermieter:innen und Wohnungsunternehmen jedoch kaum in Anspruch genommen. Das Drittelmodell wäre hier ein wichtiger Teil der Lösung: Dabei trägt der Staat einen Anteil an den Kosten, wenn Sanierungskonzepte die Warmmietenneutralität adressieren. Kurzum: Die Wärmewende der neuen Bundesregierung trägt das Risiko, zur sozialen Schieflage beizutragen – und das nicht aus Mangel an Alternativen, sondern aus Mangel an politischem Willen.
Mieter:innen sind Teil der Lösung – wenn man sie lässt
Wer die Wärmewende gegen die Mieter:innen plant, wird scheitern. Wer sie mit ihnen plant, wird Akzeptanz gewinnen. Studien zeigen: Frühzeitige Beteiligung, transparente Informationen zu Verbrauch und Kosten – das alles hilft, Energie zu sparen und Vertrauen aufzubauen. Eine Änderung des individuellen Heizverhaltens allein reicht aber nicht aus: Eine Studie des IÖW belegt, dass optimiertes Heizverhalten den Energieverbrauch um bis zu 12 Prozent senken kann, energetische Sanierungen dagegen je nach Gebäudezustand um bis zu 80 Prozent – ein ungleich größerer Hebel.
Fazit: Sozialverträgliche Wärmewende jetzt
Die Wärmewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der vor allem die Wohnungswirtschaft am größeren Hebel sitzt. Mit echten Lösungen: dekarbonisierte Netze, effiziente Gebäude, faire Preismodelle und Beteiligung der Mieter:innen. Nur dann kann die Wärmewende sozialverträglich funktionieren – nicht irgendwann, sondern ab sofort.
fs
16.04.2025