Der Mieter hat gegen den Vermieter einen Anspruch auf Erstattung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten, wenn der Anwalt tätig werden musste, um ein offensichtlich ungerechtfertigtes Mieterhöhungsverlangen zurückzuweisen.
AG Mitte vom 15.8.2025 – 4 C 176/25 –
Mit Schreiben vom 24.7.2024 forderte die Vermieterin die Mieter auf, der Erhöhung der geschuldeten Nettokaltmiete um 183,60 Euro auf 1407,60 Euro zuzustimmen. Eine Zustimmung unterblieb.
Die Mieter wehrten das vorprozessual geltend gemachte Erhöhungsverlangen mit zwei Schreiben vom 31.08.2024 und 29.10.2024 ab. Mit Schreiben vom 11.11.2024 verfolgte die Vermieterin ihr Begehren allerdings weiter.
Mit der Forderungsabwehr beauftragten die Mieter daraufhin einen Anwalt. Dieser wies das klägerische Zustimmungsverlangen am 27.11.2024 nochmals als unbegründet zurück.
Für das außergerichtliche Tätigwerden stellte der Anwalt den Mietern 367,23 Euro in Rechnung. Hiervon haben die Mieter 150,00 Euro selbst bezahlt und den restlichen Teil ihr Rechtsschutzversicherer; dieser hat seine Ansprüche an die Mieter abgetreten.
Im Prozess wurde die Zustimmungsklage der Vermieterin als unbegründet abgewiesen und den Mietern im Rahmen ihrer Widerklage ein Schadenersatzanspruch zugesprochen.
Dieser ergebe sich aus abgetretenem Recht in geltend gemachter Höhe gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 249 BGB.
Eine schuldhafte Nebenpflichtverletzung des Vermieters könne vorliegen, wenn dem Mieter zumindest fahrlässig ein „klar“ ungerechtfertigtes Mieterhöhungsverlangen gestellt werde.
Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Die Mieter hätten sich daher veranlasst sehen dürfen, zur vorprozessualen Interessendurchsetzung einen Rechtsanwalt zu mandatieren.
Hierbei habe das Gericht insbesondere den vorprozessualen Schriftverkehr zwischen den Parteien berücksichtigt. Bereits 2023 habe es Korrespondenz zwischen den Parteien betreffend den Mietspiegel gegeben. Im Schreiben vom 29.10.2024 haben die Mieter einige der relevanten Gegenargumente bereits frühzeitig kommuniziert, so zum Beispiel die nunmehr erst im Prozess unstreitig gestellte hohe Lärmbelastung. Es wäre der Vermieterin ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, im Anschluss an vorgenanntes Schreiben die relevante Lärmkarte einzusehen.
Auch der erst im Prozess unstreitig gestellte Umstand, dass Elektroleitungen und die Be- und Entwässerung auf Putz liegen, hätte die Vermieterin ungeachtet des Hinweises der Mieter selbst prüfen bzw. wissen müssen; schließlich sei sie Eigentümerin der Wohnung. Nach Prüfung des Übergabeprotokolls hätte auch intern dazu recherchiert werden können, was mit der im Protokoll durchgestrichenen Küchenausstattung geschehen sei. Jedenfalls die Mail der Mieter vom 5.3.2023 an die damalige Hausverwaltung hätte vorliegen und auffallen müssen. Die Vermieterin habe die zumutbaren Nachforschungen betreffend auf der Hand liegende Ausstattungsmerkmale fahrlässig unterlassen. Von Anfang an erkennbar ohne Erfolgsaussicht sei auch der Einwand gewesen, die behauptete gute ÖPNV-Anbindung bzw. die Nahversorgung rechtfertige eine Spannenabweichung.
Urteilstext
Entscheidungsgründe
I.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB, da die Beklagten bereits einen Mietzins schulden, der die ortsübliche Vergleichsmiete nicht unterschreitet.
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Das Mieterhöhungsverlangen vom 24.07.2024 ist formell wirksam erklärt, § 558a Abs. 1 BGB. Insbesondere ist die begehrte erhöhte Miete betragsmäßig ausgewiesen und zur Begründung auf den bei Ausspruch des Erhöhungsverlangens geltenden Mietspiegel 2024 unter Angabe eines Mietspiegelfeldes verwiesen. Die Klägerin hat auch die Klagefrist des § 558 b Abs. 2 BGB eingehalten.
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Unter Anwendung des Berliner Mietspiegels 2024 beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete 7,33€/m², was einer Nettokaltmiete von EUR 1.196,68 entspricht. Dies entspricht nach der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung mit einem Abschlag von -40 % der unteren Spanne vom Mittelwert. Die von den Beklagten momentan geschuldeten EUR 1.224,00 übersteigen diesen Betrag bereits.
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In Bezug auf die Merkmalgruppen der Orientierungshilfe liegt dem Urteil folgendes Ergebnis zu Grunde:
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1. Merkmalgruppe 1 (Bad): unstreitig neutral
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2. Merkmalgruppe 2 (Küche): negativ
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3. Merkmalgruppe 3 (Wohnung): unstreitig negativ
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4. Merkmalgruppe 4 (Gebäude): kann dahinstehen
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5. Merkmalgruppe (Umfeld): negativ
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Im Einzelnen zu den noch streitigen Merkmalgruppen:
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Die Merkmalgruppe 2 ist negativ zu bewerten. Relevant ist hier das Übergabeprotokoll (Anlage B4). Unter Ziffer 6 auf Seite 6 sind der Kochherd, die Spüle mit Armaturen und die Küchenmöbel handschriftlich durchgestrichen. Handschriftlich ist ergänzt: „Herd wird entsorgt“; wird entsorgt“. Die Beklagten haben auch substantiiert unter Vorlage des Mailverkehrs vorgetragen, dass die vorgenannten Gegenstände letztlich auch abgeholt worden sein. Jedenfalls ist unstreitig geblieben, dass die Beklagten diese Ausstattung im Nachgang auf eigene Kosten selbst beschafft haben. Dieses Inventar ist insoweit nicht mit vermietet. Insoweit trägt die Klägerin auch nicht etwaige Instandhaltungskosten. Dies wirkt sich insgesamt wohnwertmindernd aus.
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Die Merkmalgruppe 5 ist als negativ zu bewerten. Die wohnwertmindernde Lärmbelastung hat die Klägerin schriftsätzlich unstreitig gestellt. Darüber hinaus kennt die Orientierungshilfe kein Merkmal „gute Anbindung an den ÖPNV“ oder „Gute Nahversorgung“. Auch ist durch die Klägerin keine „im Einzelfall vergleichbare Situation“ dargelegt (Berliner Mietspiegel 2024, S. 20, Ziff. 10.1; vgl. Dokumentation Berliner Mietspiegel 2024, S. 32). Nach Auffassung des Gerichts ist die Anbindung an den Personennahverkehr sowie die Nahversorgung bewusst nicht in die Merkmalgruppe 5 mit aufgenommen worden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese bereits bei der Bezifferung der Spannen hinreichend Berücksichtigung fand.
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Da bereits eine Spannenabweichung von -40% vorliegt, kommt es auf die Merkmalgruppe 4 nicht mehr an.
II.
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Die zulässige Widerklage ist begründet.
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Die Beklagten haben einen Erstattungsanspruch aus abgetretenem Recht in geltend gemachter Höhe gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 249 BGB.
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Eine schuldhafte Nebenpflichtverletzung kann vorliegen, wenn dem Mieter zumindest fahrlässig ein „klar“ ungerechtfertigtes Mieterhöhungsverlangen gestellt wird (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 558b Rn. 42, m.w.N.). Dies war vorliegend der Fall. Die Beklagten haben sich daher veranlasst sehen dürfen, zur vorprozessualen Interessendurchsetzung einen Rechtsanwalt zu mandatieren.
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Hierbei berücksichtigt das Gericht insbesondere den vorprozessualen Schriftverkehr zwischen den Parteien. Bereits 2023 gab es Korrespondenz zwischen den Parteien betreffend den Mietspiegel. Im Schreiben vom 29.10.2024 (Anlage B3b) haben die Beklagten einige der relevanten Gegenargumente bereits frühzeitig kommuniziert, so zum Beispiel die nunmehr erst im Prozess unstreitig gestellte hohe Lärmbelastung. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, im Anschluss an vorgenanntes Schreiben die relevante Lärmkarte einzusehen. Auch der erst im Prozess unstreitig gestellte Umstand, dass Elektroleitungen und die Be- und Entwässerung auf Putz liegen hätte die Klägerin ungeachtet des Hinweises der Beklagten selbst prüfen bzw. wissen müssen; schließlich ist sie Eigentümerin der Wohnung. Nach Prüfung des Übergabeprotokolls hätte auch intern dazu recherchiert werden können, was mit der im Protokoll durchgestrichenen Küchenausstattung geschehen ist. Jedenfalls die Mail der Beklagten vom 05.03.2023 (Anlage B4a) an die damalige Hausverwaltung hätte vorliegen und auffallen müssen. Die Klägerin hat die zumutbaren Nachforschungen betreffend auf der Hand liegende Ausstattungsmerkmale fahrlässig unterlassen. Von Anfang an erkennbar ohne Erfolgsaussicht war auch der Einwand, die behauptete gute ÖPNV-Anbindung bzw. die Nahversorgung rechtfertige eine Spannenabweichung (s.o.).
III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 709 ZPO.
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Der Streitwert beträgt EUR 2.203,20. Eine Addition der Streitwerte von Klage und Widerklage hatte wegen wirtschaftlicher Identität zu unterbleiben, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Solch eine wirtschaftliche Identität ist gegeben, wenn – wie vorliegend – die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht beiden stattgeben könnte, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich ziehen müsste (BeckOK KostR/Schindler, 49. Ed. 1.6.2025, GKG § 45 Rn. 12 mit weiteren Nachweisen).
02.12.2025




