Ist die Wohnung wegen notwendiger Instandsetzungsarbeiten unbenutzbar und die Miete daher auf null gemindert, so kann die Mieterin zwar dem Grunde nach Erstattung der ihr durch die Anmietung einer Ersatzunterkunft entstehenden Kosten beanspruchen. Unabhängig davon, ob sie diese Kosten gemäß § 555 a Abs. 3 BGB als Aufwendungen oder nach § 536 a Abs. 1 BGB als Schaden qualifiziert, muss sie sich aber die auf Grund der Mietminderung ersparten Mietzahlungen anrechnen lassen, da es sonst zu einer unbilligen Überkompensation käme. Bleiben die Kosten für die Ersatzunterkunft hinter der Vertragsmiete zurück, steht der Mieterin ein Erstattungsanspruch nur insoweit zu, als sie darlegen kann, dass der Nutzen der Ersatzunterkunft drastischer hinter dem vertragsgemäßen Nutzen der Wohnung zurückblieb als die Aufwände für ihre Beschaffung hinter der vertragsgemäßen Miete.
LG Berlin vom 18.5.2022 – 64 S 249/20 -,
mitgeteilt von VRiLG Jörg Tegeder
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Das Landgericht sah keine unangemessene Belastung der Mieter oder unbillige Entlastung des Vermieters darin, den von den Mietern aufgewandten Kosten für Ersatzunterkünfte die wegen der vollständigen Minderung ersparte Miete gegenüberzustellen. Unabhängig davon, ob die Mieter diese Ansprüche von insgesamt 28 710,96 Euro für den Zeitraum 2. Juli 2018 bis 31. Oktober 2020 als Aufwendungsersatz nach § 555 a Abs. 3 BGB oder – regelmäßig weitergehend – als Schadenersatz gemäß § 536 a Abs. 1 BGB geltend machten, wäre es vielmehr unbillig und würde zu einer Überkompensation der Mieter führen, sie auf Kosten des Vermieters von jeglichen Unterbringungskosten während der Zeit der Wohnungssanierung freizustellen.
Da den Mietern nach dem Mietvertrag der volle vertragsgemäße Nutzen der loftartigen Dachgeschosswohnung mit zwei Terrassen und rund 100 m² Wohnfläche zustand, hätten sie dafür im Gegenzug die volle vereinbarte Miete von 1550 Euro monatlich, im Zeitraum Juli 2018 bis Oktober 2020 also insgesamt rund 43 400 Euro (28 × 1550 Euro) aufwenden müssen. Damit würden sich der vollständige Verlust dieses Nutzens und die vollständige Befreiung von der Pflicht zur Zahlung des Mietzinses gegenseitig aufheben. Anders als im Falle einer vorenthaltenen Eigentumswohnung liege ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegend insbesondere nicht im Verlust des Wohnungsnutzens, da gerade diesem ja die vereinbarte, hier aber ersparte Miete gegenüberstehe.
Ein Schadenersatzanspruch oder ein Aufwendungsersatzanspruch der Mieter würde voraussetzen, dass der Nutzen der Ersatzunterkünfte drastischer hinter dem vertragsgemäßen Nutzen der Wohnung zurückbliebe als die Aufwände für ihre Beschaffung hinter der vertragsgemäßen Miete.
Dies lasse sich vorliegend aber nicht mit einer für die Verurteilung des Vermieters hinreichenden Sicherheit feststellen, werde von den Mietern jedenfalls schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Ihre Mitteilung, der Nutzen des Hotelzimmers sei bloß mit 15 Prozent des vertragsgemäßen Nutzens der Wohnung zu veranschlagen, stelle bloß auf eine grobe Schätzung der jeweiligen Flächen ab und sei durch weiteren Sachvortrag nicht unterlegt. Die Mieter ließen außer Betracht, dass sowohl die Nutzung eines Hotelzimmers als auch die Mitnutzung einer Ersatzwohnung einschließlich der damit verbundenen Reisetätigkeit gegenüber einer bloßen Wohnungsnutzung vielfältige Vor- und Nachteile mit sich bringen mag, die bei einer Gegenüberstellung des jeweils erzielbaren Nutzens berücksichtigt und bewertet werden müssen.
Anmerkung:
Wie die Gegenüberstellung des jeweils erzielbaren Nutzens berücksichtigt und bewertet werden kann, sagt das Landgericht nicht, weil es mangels substantiierten Vortrags der Mieterseite hierauf auch nicht ankam.
Jedenfalls wird ein objektiver Maßstab zur Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit heranzuziehen sein. Subjektive Faktoren wie eine emotionale Bindung zu der Wohnung dürften für die Frage keine Rolle spielen. Wichtig ist, dass die (fehlende) Vergleichbarkeit nicht allein am Preis oder der Wohnfläche festgemacht wird.
02.06.2025