1. Auch nach altem Recht, das für vor dem 1.9.2001 abgeschlossene Mietverträge nach Art. 229 § 3 EGBGB fort gilt, war die Kündigung eines Mietverhältnisses mit Kettenbefristung (Verlängerungsklausel) vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig.
2. Wird in der Kündigung wegen Eigenbedarfs lediglich angegeben, der Vermieter befinde sich in Trennung und sei daher auf die Wohnung angewiesen, genügt dies den Anforderungen an eine wirksame Kündigungsbegründung nicht. Vielmehr hätte der Vermieter Angaben zur seiner Wohnsituation machen müssen, weil sich aus dieser der angebliche Bedarf ergab. Die Angabe, sich in Trennung zu befinden, spricht nämlich alleine nicht für einen anderen Wohnbedarf. Denkbar ist beispielsweise, dass die bisherige Partnerin die gemeinsame Wohnung verlassen hat oder dass er bereits eine andere Wohnung bezogen hat. Eine Begründung genügt dann nicht, wenn sich das Gericht einen wesentlichen Teil der Begründung selbst ausdenken muss.
3. Wird während des Prozesses von der Vermieterseite mit der Klageschrift gekündigt und wird die Klageschrift zwar per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (beA) eingereicht, aber nicht gemäß § 126 a Abs. 1 BGB qualifiziert elektronisch signiert, fehlt es an der für Kündigungen nach § 568 Abs. 1 BGB erforderlichen Schriftform. Die Kündigung ist dann unwirksam.
Aber auch wenn die Klageschrift qualifiziert signiert wird, ist die Form nicht gewahrt, wenn der Mieter zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten ist. Denn ein nicht anwaltlich vertretener Beklagter kann nicht überprüfen, ob diese Voraussetzung vorlag, weil er dazu nicht über die entsprechende Vorrichtung verfügt.
AG Schöneberg vom 22.8.2024 – 7 C 49/24 –,
mitgeteilt von RAin Evelyn Meyer
Urteilstext
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung.
Die Eltern des Beklagten mieteten mit Mietvertrag aus dem Jahr 1955 die Wohnung im Hause B.-Straße x, 1xxxx Berlin, Vorderhaus, 1. OG rechts. Nach § 2 des Mietvertrages erfolgte der Vertragsschluss zunächst auf drei Jahre befristet. Sofern es nicht spätestens drei Monate vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird, so verlängerte sich das Mietverhältnis jedes Mal um 1/4-Jahr. Der Beklagte trat nach dem Tod seiner Eltern als Erbe in das Mietverhältnis ein. Der Kläger wurde am 17. September 2021 als Eigentümer der Wohnung in das Grundbuch eingetragen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Februar 2024 erklärte der Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Mai 2024 und fügte dem eine Originalvollmacht mit der Unterschrift des Klägers bei. Vorsorglich erklärte er auch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs und gab an, er wolle mit seinen beiden Kindern einziehen, weil er sich in Trennung befinde. …
Mit Schreiben vom 21. Februar 2024 wies der Beklagte die Kündigung zurück, weil er den Namen des Vermieters auf der Vollmacht aus der Unterschrift nicht erkennen könne.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er erklärte in der Klageschrift vorsorglich eine weitere Kündigung. Die Klageschrift wurde per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (beA) eingereicht. Sie trug keine qualifizierte elektronische Signatur. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2024 erklärte der Kläger eine weitere Kündigung, ohne diese weiter zu begründen. Der Schriftsatz trägt ebenfalls keine qualifizierte elektronische Signatur.
Der Kläger meint, das Mietverhältnis sei durch die Kündigung vom 15. Februar 2024 beendet, weil der Mietvertrag eine Beendigung durch Kündigung vorsehe. Zudem sei der Eigenbedarf hinreichend begründet worden, jedenfalls in Verbindung mit später ergänztem Vortrag. Sofern die Kündigung in der Klageschrift formunwirksam sei, sei jedenfalls die Kündigung vom 14. Mai 2024 zu berücksichtigen, weil die Beklagte – was unstreitig ist – zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertreten gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung in dem Objekt B.-Straße x, 1xxxx Berlin, Vorderhaus 1. OG rechts, bestehend aus 2,5 Zimmern, einer Küche, einem Korridor, Bad, Abstellraum, einem Kellerraum mit einer Wohnfläche von 62,3 m2 zu räumen und geräumt an ihn am 31. Mai 2024 herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Kündigung vom 15. Februar 2024 sei unwirksam, weil er sie aufgrund einer unzureichenden Vollmacht zurückgewiesen habe.
…
Entscheidungsgründe
Die Klage ist abzuweisen. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Nach § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn das Mietverhältnis wurde bislang nicht beendet.
1. Die Kündigung vom 15. Februar 2024 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Die Kündigung ist wegen eines Verstoßes gegen § 573 Abs. 3 BGB unwirksam.
a) Zwar handelte es sich hier um einen alten Mietvertrag mit einer automatisch eingreifenden Verlängerungsklausel. Eine solche ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 575 Abs. 1 BGB unwirksam, sondern nach Art. 229 § 3 EGBGB i.V.m. § 565a Abs. 1 BGB a.F. wirksam. Jedoch bedurfte es gleichwohl für die Kündigung eines Kündigungsgrunds nach § 573 BGB. Auch nach altem Recht, das hier nach Art. 229 § 3 EGBGB fort gilt, war die Kündigung eines Mietverhältnisses mit Kettenbefristung vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig (Emanuel, in: BeckOGK, Stand 1.7.2024, § 574 Rn. 9; LG Berlin, Urteil vom 15. Dezember 2015, 63 S 148/15 Rn. 14, juris).
b) An einem solchen Kündigungsgrund im Sinne des § 573 Abs. 3 BGB fehlt es bei dieser Kündigung aber. Nach § 573 Abs. 3 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses ist es, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2011 – VIII ZR 317/10 -, Rn. 8, juris). Bei einer Eigenbedarfskündigung sind Angaben zur Wohnsituation dann erforderlich, wenn dies für den Erlangungswunsch von Bedeutung ist (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 9).
Diesen Voraussetzungen genügen die Angaben im Kündigungsschreiben vom 15. Februar 2024 nicht. Darin hat der Kläger zwar die Bedarfspersonen (nämlich sich und seine beiden Kinder) ausreichend angegeben. Darüber hinaus hat er aber lediglich angegeben, er befinde sich in Trennung und sei daher auf die Wohnung angewiesen. Dies genügt den Anforderungen nicht. Vielmehr hätte der Kläger Angaben zur seiner Wohnsituation machen müssen, weil sich aus dieser der angebliche Bedarf ergab. Der Kläger hat aber lediglich angegeben, sich in Trennung zu befinden. Dies alleine sorgt aber nicht für einen anderen Wohnbedarf. Denkbar ist beispielsweise, dass die bisherige Partnerin die gemeinsame Wohnung verlassen hat oder weil er bereits eine andere Wohnung bezogen hat. Eine Begründung genügt dann nicht, wenn sich das Gericht einen wesentlichen Teil der Begründung selbst ausdenken muss.
c) Die Kündigung wurde auch nicht nachträglich wirksam, weil der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Juli 2024 erstmals vorgetragen, dass er aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen sei und mit seiner früheren Ehefrau überein gekommen sei, dass diese die Ehewohnung weiter nutze. Er selbst lebe in einer Wohnung zur vorübergehenden Nutzung. Denn nach § 573 Abs. 1 BGB können nur sogenannte Ergänzungstatsachen nachgeschoben werden. Bei den vorstehenden Informationen handelt es sich nach Auffassung des Gerichts aber nicht um Ergänzungs-, sondern um Kerntatsachen, da nur durch sie erstmals ein berechtigtes Interesse dargelegt wird.
d) Auf die Frage, ob die Vollmacht zurückgewiesen werden konnte, weil die Unterschrift den Aussteller nicht erkennen ließ, kommt es daher nicht mehr an.
2. Auch die weitere Kündigung in der Klageschrift hat das Mietverhältnis nicht beendet. Denn sie entsprach nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Nach § 568 Abs. 1 BGB ist die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses nur in schriftlicher Form möglich. Die Klageschrift wurde aber entsprechend der gesetzlichen Regelungen per beA, also elektronisch und nicht schriftlich eingereicht. Es wurde hier auch die Schriftform nicht wirksam durch eine elektronische Form mittels qualifizierter elektronischer Signatur ersetzt (§§ 126 Abs. 3, 126a Abs. 1 BGB). Denn die Klageschrift wurde zwar per beA eingereicht, war aber bereits nicht qualifiziert elektronisch signiert. Dies hatte das Gericht im Hinweis mit der Eingangsverfügung noch versehentlich anders mitgeteilt. Selbst wenn die Klageschrift aber qualifiziert signiert gewesen wäre, wäre die Form nicht gewahrt. Denn die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Beklagte hätte nicht überprüfen können, ob diese Voraussetzung vorlag, weil sie dazu nicht über die entsprechende Vorrichtung verfügte (vgl. Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 568 BGB, Rn. 26).
3. Die Kündigung aus dem Schriftsatz vom 14. Mai 2024 ist ebenfalls unwirksam, weil sie ebenfalls nicht den Anforderungen des § 573 Abs. 3 BGB entspricht. Sie enthielt überhaupt keine Gründe. Zudem war sie auch formunwirksam. Zwar war die Beklagte zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertreten und hätte somit über ihre Prozessbevollmächtigte prüfen können, ob der Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert war. Dies war er jedoch nicht.
4. Eine weitere Kündigung ist nicht ausgesprochen oder jedenfalls nicht vorgetragen worden, so dass das Mietverhältnis ungekündigt fortbesteht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV. Der Streitwert war nach dem Jahreswert der Nettokaltmiete von 376,56 € auf 4.518,72 € festzusetzen.
28.01.2025