Die gute ÖPNV-Anbindung bzw. Nahversorgung ist kein wohnwerterhöhendes Merkmal im Sinne der Spanneneinordnung. Zwar können ausweislich Ziffer 10.1 des Berliner Mietspiegels in Einzelfällen weitere ebenfalls gewichtige Merkmale zum Tragen kommen. Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Wohnlagenbestimmung die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und an die Nahversorgung bereits mit eingeflossen ist. Hinzu kommt, dass die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und an die Nahversorgung in Berlin, die Metropole und Hauptstadt ist, jedenfalls innerhalb des S-Bahn Ringes durchweg anzunehmen ist. Es handelt sich daher keineswegs um ein besonderes hervorstechendes Merkmal in einem Einzelfall.
AG Mitte vom 11.3.3025 – 8 C 269/24 –
Siehe hierzu auch die in MM 5/2025, Seite 30 veröffentlichen Amtsgerichtsurteile.
Urteilstext
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über die Wohnung im Hause…
Mit Schreiben vom 20.6.2024 begehrte die Klägerin die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von 427,74 € monatlich auf 491,90 € monatlich ab dem 1.9.2024.
Die Wohnung ist 47,42 m2 groß und verfügt über einen Abstellraum. Das Gebäude war 1935 bezugsfertig und befindet sich in besonders lärmbelasteter Lage. Die Heizungsanlage wurde 2015 eingebaut. Die Küche verfügt über einen Cerankochfeld.
Mit Schreiben vom 14.10.2024 stimmte der Beklagte einer Mieterhöhung auf 469,53 € zu.
Die Klägerin hat mit der am 21.12.2024 zugestellten Klage zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von ihm bei der Klägerin gemietete Wohnung im Hause von zur Zeit 427,74 € monatlich um 64,16 € monatlich auf 491,90 € monatlich ab dem 1.9.2024 zuzustimmen. Die Klägerin hat im Termin am 25.2.2025 die Klage hinsichtlich der Teilzustimmung des Beklagten zurückgenommen.
Die Klägerin behauptet, in der Küche sei ein hochwertiger Bodenbelag aus Vinyl vorhanden. Der Boden sei pflegeleicht, unempfindlich, dämme Trittgeräusche und sei feuchtigkeitsbeständig. Er sei genauso pflegeleicht und widerständig wie ein echter Fliesenboden. Die Wohnanlage sei ein architektonisches Kleinod und biete ein schönes Umfeld. Die denkmalgeschützten, charakteristisch gestrichenen Häuser seien zum Hof hin mit einem Grünstreifen durchsetzt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Wohnung befinde sich in bevorzugter Citylage. Ferner sei eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und eine gute Nahversorgungslage wohnwerterhöhend zu berücksichtigen. Diese Merkmale hätten in der Wohnlageklassifizierung des Mietspiegels keine signifikante Rolle gespielt. Die Wohnung liege 160 m entfernt von der Haltestelle Rosa-Luxemburg-Platz. Der Edeka-Supermarkt befindet sich in rund 400 m Entfernung, Apotheken seien in rund 300 m Entfernung zu finden. Der Umstand, dass das Fenster klein sei, sei unerheblich. Eine ausreichende Lüftungsmöglichkeit sei gegeben.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
den Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von ihm bei der Klägerin gemietete Wohnung von 469,53 € um weitere auf 491,90 € monatlich ab dem 1.9.2024 zuzustimmen.
Der Beklagte hat den Klageanspruch im Hinblick auf eine weitere Mieterhöhung von 4,29 € monatlich anerkannt und beantragt im Übrigen, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, es sei wohnwertmindernd zu berücksichtigen, dass im Bad nur ein sehr kleines Fenster vorhanden sei. Er trägt dazu vor, dass dieses kein ausreichendes Tageslicht biete. Es sei von kleinen Menschen nur mithilfe eines Hockers zu öffnen. Es sei von einer schlechten Isolierung des Hauses auszugehen, da er einen Heizkostenvorschuss von 332 € für seine Einzimmerwohnung zu leisten habe. Der Fußboden in der Küche sei lediglich billiges PVC, der Heizkörper weise Spuren von Rost auf.
Der Beklagte ist ferner der Ansicht, eine bevorzugte Citylage sei durch die Lage an der viel befahrenen lärmbelasteten Torstraße ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist, soweit sie nicht anerkannt wurde, unbegründet.
Soweit der Beklagte noch in geringfügigem Umfang zu einer Mieterhöhung verurteilt wurde, beruht dies auf seinem Anerkenntnis im Termin, § 307 ZPO.
Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen weiteren Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete gemäß § 558 BGB, denn die ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei 9,99 €/m2 und entspricht damit der Miete, der der Beklagte bereits zugestimmt und anerkannt hat.
Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat das Gericht wie auch die Parteien den Berliner Mietspiegel 2024 zugrunde gelegt. Dabei kann es dahinstehen, ob der Mietspiegel 2024 ein qualifizierter ist, denn auch als einfacher Mietspiegel kann er gemäß § 287 ZPO als Schätzgrundlage herangezogen werden, da es sich um eine empirische Datenerhebung handelt (vergleiche LG Berlin, Urteil vom 13. August 2018, 66 S 18/18, juris).
Die Wohnung des Beklagten ist angesichts von Größe, Datum der Bezugsfertigkeit und der aus dem Mietspiegel ersichtlichen Wohnlage in die Zeile 126 einzuordnen, so dass die Spanne von 6,47 €/m2 bis 11,16 €/m2 reicht bei einem Mittelwert von 8,24 €/m2.
Zur Einordnung in die Spanne hat sich das Gericht insoweit ebenfalls in Übereinstimmung mit den Parteien der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung bedient. Die Orientierungshilfe ist zwar nicht Bestandteil des Mietspiegels, es handelt sich jedoch gleichwohl um Feststellungen, die vom Sachverstand der an der Mitspiegelerstellung beteiligten Experten getragen werden.
Hiernach ist die Merkmalsgruppe 1 neutral anzusehen. Soweit der Beklagte das kleine Fenster moniert ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei bereits nicht ausdrücklich um ein negatives Merkmal im Sinne der Spanneneinordnung handelt. Dass infolge der aufgezeigten Schwierigkeiten, das Fenster zu öffnen hier davon auszugehen sein soll, dass kein Fenster vorhanden bzw. keine Entlüftungsmöglichkeit besteht, vermag das Gericht insbesondere auch nach Inaugenscheinnahme der eingereichten Fotos nicht festzustellen. Zwar ist es richtig, dass das Fenster hoch angebracht ist, jedoch ist der Griff zum Öffnen dabei an der unteren Kante angebracht. Im Hinblick auf die hinter dem Stand-WC befindliche Verfliesung besteht auch die Möglichkeit den Fensterhebel durch benutzen dieses verfliesten Absatzes als Tritt zu erreichen. Ein Hocker ist insoweit nicht nötig.
Die Merkmalsgruppe 2 ist positiv zu bewerten, da unstreitig einen Cerankochfeld vorhanden ist. Ob es sich bei dem Vinylboden um einen hochwertigen Bodenbelag handelt kann daher dahinstehen. Bei etwaigen Rostspuren an den Heizkörpern handelt es sich um zu beseitigende Mängel, die im Rahmen der Bewertung der Miethöhe nicht relevant sind.
Auch die Merkmalsgruppe 3 ist positiv zu bewerten da unstreitig ein Abstellraum vorhanden ist, was auch im Übergabeprotokoll bestätigt ist.
Die Merkmalsgruppe 4 ist positiv zu bewerten, da hier eine moderne Heizungsanlage vorhanden ist. Diese ist ausweislich des eingereichten Fotos im Jahr 2015 installiert und in Betrieb genommen worden. Der Beklagte hat dies jedenfalls nach Einreichung des Fotos nicht mehr in Abrede gestellt. Das Merkmal einer unzureichenden Wärmedämmung ist dagegen nicht substantiiert dargetan. Insbesondere kann aus der Höhe des Heizkostenvorschusses nicht auf eine fehlende oder unzureichende Wärmedämmung geschlossen werden. Die Heizkosten hängen letztlich von verschiedenen Faktoren, zum Beispiel von der allgemeinen Preisentwicklung ebenso ab, wie vom Heizverhalten des Mieters selbst.
Die Merkmalsgruppe 5 ist dagegen entgegen der Ansicht der Klägerin neutral zu werden. Unstreitig ist hierbei zunächst, dass eine besonders lärmbelastete Lage gegeben ist. Dies wird ausgeglichen durch das wohnwerterhöhende Merkmal der bevorzugten Citylage. Die Wohnung des Beklagten befindet sich an der nördlichen Grenze der sogenannten Spandauer Vorstadt, für die unter anderem wegen der Nähe zum Alexanderplatz eine bevorzugte Citylage anzunehmen ist (LG Berlin, Beschluss vom 26.09.2013, 67 S 40/13, juris). Entgegen der Ansicht des Beklagten schließt die parallel vorhandene besondere Lärmbelastung die Annahme der bevorzugten Citylage nicht aus. Vielmehr wird dieses wohnwerterhöhende Merkmal durch die zugleich vorliegende Lärmbelastung wieder neutralisiert. Würde man davon ausgehen, dass bei einer besonderen Lärmbelastung eine bevorzugte Citylage erst gar nicht vorliegen kann und dann zugleich aber das negative Merkmal der besonderen Lärmbelastung annehmen, so würde die Lärmbelastung unzulässig doppelt negativ gewertet.
Ein weiteres wohnwerterhöhendes Merkmal liegt allerdings nicht vor. Die gute ÖPNV-Anbindung bzw. Nahversorgung ist zunächst einmal kein wohnwerterhöhendes Merkmal im Sinne der Spanneneinordnung. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass ausweislich Ziffer 10.1 des Berliner Mietspiegels in Einzelfällen weitere ebenfalls gewichtige Merkmale zum Tragen kommen können. Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Wohnlagenbestimmung die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und Nahversorgung bereits mit eingeflossen ist (vgl. Indikatoren zur Wohnlageneinstufung Dokumentation Berliner Mietspiegel 2024, Seite 54 f.). Wenn die Klägerin meint dies sei nicht nachvollziehbar, insbesondere dass zum Beispiel die Gegend um den Bahnhof Gesundbrunnen als einfache Wohnlage qualifiziert ist, obwohl dort eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die Nahversorgung besteht, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn die genannten Merkmale sind lediglich Indikatoren im Rahmen der Wohnlagenbestimmung, aber eben nicht die einzigen. Es ist daher möglich und nachvollziehbar, dass die Wohnlage trotz der guten Anbindung oder Nahversorgung einfach bewertet wird, weil eben die anderen Indikatoren nicht zutreffen. Vorliegend kommt noch hinzu, dass die streitgegenständliche Wohnung sich jedenfalls in guter Wohnlage befindet, eine bessere Wohnlageneinstufung ist gar nicht möglich. Zwar können – wie die Klägerin richtig im Rahmen des Merkmals der Lärmbelastung aufgezeigt hat – derartige Indikatoren gleichwohl auch im Rahmen der Merkmalsgruppen herangezogen werden. Hier ist aber schon im Vergleich zu berücksichtigen das zum Beispiel bei der Lärmbelastung eben nicht jegliche Lärmbelastung genügt, um ein negatives Merkmal anzunehmen, sondern dass das wohnwertmindernde Merkmal als besonders hohe Lärmbelastung beschrieben ist bzw. im Gegensatz dazu das wohnwerterhöhende Merkmal als besonders ruhige Lage. Dies knüpft an die Formulierung in 10.1 des Mietspiegels an, wonach es sich um gewichtige Merkmale im Einzelfall handeln muss. Die dargestellte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die Nahversorgung ist in Berlin, die Metropole und Hauptstadt ist, jedenfalls innerhalb des S-Bahn Ringes allerdings durchweg anzunehmen. Es handelt sich daher keineswegs um ein besonderes hervorstechendes Merkmal in einem Einzelfall (vgl. AG Lichtenberg, Urteil vom 04.02.2025, 7 C 5099/24, juris).
Soweit die Klägerin darüber hinaus die Anlage noch als ein architektonisches Kleinod in schönem Umfeld beschreibt, ist hiermit ebenfalls kein zusätzliches wohnwerterhöhendes Merkmal vorgetragen. Dass es sich um ein zusätzlich zu berücksichtigendes Merkmal von einigem Gewicht im Einzelfall handeln würde, ist nicht substantiiert dargetan. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine pauschale Anpreisung.
Gerechtfertigt ist damit ein Zuschlag von 60 % auf den Mittelwert was einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 9,99 €/m2 entspricht. Für eine weitere Mieterhöhung ist daher kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nummer 1,708 Nummer 11, 711 ZPO.
30.06.2025




