Die CDU-SPD-geführte Landesregierung hat in den vergangenen 18 Monaten kaum nennenswerte Klimaschutzmaßnahmen vorzuweisen. Im Gegenteil: Der rechtlich verbindliche Rahmen wird aktiv umgangen, Beteiligung blockiert, Programme und Investitionen werden gestrichen.
Berlin hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt: Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent sinken, bis 2045 sogar um 95 Prozent. Die Realität sieht düster aus: Bereits 2022 lagen die Emissionen im Gebäudesektor mehr als 21 Prozent über dem zulässigen Zielwert für 2025. Damit das Etappenziel 2030 noch erreichbar ist, müssten die Emissionen jährlich um etwa sieben Prozent sinken (bezogen auf das Jahr 2022) – mehr als doppelt so stark wie im Pandemiejahr 2020. Auch beim sektorübergreifenden Reduktionsziel bis 2030 ist keine Trendwende erkennbar: Es bräuchte jährlich 11,26 Prozent weniger Emissionen. Keine Regierung kann sich darauf ausruhen, Defizite in einem Bereich durch Fortschritte in anderen Sektoren wie Verkehr oder Energieversorgung auszugleichen. Doch was passiert aktuell beim Klimaschutz in Berlin?
- Gesetzliche Vorgaben: Ignoriert und ausgesessen
Das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) muss laut Berliner Energiewendegesetz (EWG) innerhalb eines Jahres nach Konstituierung des Abgeordnetenhauses vorgelegt und beschlossen werden. Doch bis heute ist das Programm nicht rechtskräftig. Zwar verabschiedete es der rot-grün-rote Senat 2022 mit Reduktionszielen für alle Sektoren, aber das Abgeordnetenhaus stimmte bis heute nicht zu. Seit dem Regierungswechsel blockiert die CDU die Abstimmung im Ausschuss und argumentiert, das Programm könne ohne diese Entscheidung nicht in Kraft treten. Damit fehlen verbindliche Sektorziele, die notwendig wären, um bei absehbaren Zielverfehlungen konkrete Sofortmaßnahmen einzuleiten. Die Landesregierung nutzt die ausstehende Beschlussfassung als Vorwand, um sich ihrer klimapolitischen Verantwortung zu entziehen.
- Klimahaushalt? Fehlanzeige
Das geplante Berliner Sondervermögen für Klimaschutz, Resilienz und Transformation in Höhe von 5 Milliarden Euro – mit einer möglichen späteren Aufstockung um weitere 5 Milliarden – wurde nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) auf Bundesebene vom November 2023 nicht weiterverfolgt. Statt rechtssichere Anpassungen vorzunehmen, ließ der Berliner Senat das Vorhaben ohne Alternative fallen. Auch die angekündigte Suche der Finanzverwaltung nach anderen Finanzierungswegen blieb ergebnislos – abgesehen von Appellen an landeseigene Unternehmen. Damit nicht genug: Statt die ursprünglich zugesagten Mittel für Klimaschutzmaßnahmen zu ersetzen, kürzte die Landesregierung die Mittel für das BEK von einst 21 auf vermutlich 11 Millionen Euro bis 2025. Weitere Kürzungen hat sie bereits angekündigt.
- Wärmeplanung ohne Umsetzungsstrategie
Der Berliner Senat arbeitet derzeit zwar an einem kommunalen Wärmeplan, wie es das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das Wärmeplanungsgesetz (WPG) vorschreiben. Doch die Verwaltung gestaltet den Prozess weitgehend intransparent und bezieht zentrale Akteure wie Energieberater:innen, Quartiers-Planer:innen, Wirtschaftsverbände, Gebäudeeigentümer:innen, Mieter:innenvereine und Bürgerinitiativen nicht ein. Auch Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sowie lokale Interessengruppen und Fachexpert:innen, die integrierte Wärmeversorgungskonzepte entwickeln, bleiben außen vor. Die Verantwortlichen haben bislang keinen Umsetzungsplan mit konkreten Maßnahmen, Prioritäten und Zuständigkeiten vorgelegt – obwohl das Kompetenzzentrum Wärmewende (KWW*) dies empfiehlt. Bis Frühjahr 2026 will der Senat zwar einen Wärmeplan vorlegen, doch für die Umsetzung der Planung wird Berlin kaum vorangekommen sein. Das ist ärgerlich, denn der Wärmeplan dient als Leitplanke und ist für große Teile der Stadt und die Gebäudeeigentümer:innen wichtig, um die Wärmewende anzugehen. Besonders der dringend notwendige Ausbau der Fernwärme scheint kaum voranzukommen. Auch die laut Bund und KWW geforderten Unterstützungsangebote für Genossenschaften und lokale Wärmenetze hat die Landesregierung bislang nicht entwickelt.
- Rekommunalisierung der Fernwärme ohne Plan?
Für 1,4 Milliarden Euro hat das Land Berlin das Fernwärmenetz von Vattenfall zurückgekauft – mit dem Ziel, die Wärmewende selbst zu steuern. Doch 18 Monate später ist davon wenig zu spüren. Die Berliner Energie und Wärme GmbH (BEW), das neue kommunale Versorgungsunternehmen, agiert intransparent, ein Beteiligungsprozess – wie etwa in Hamburg – findet bislang nicht statt. Zum Jahrestag der Rekommunalisierung der Berliner Energie und Wärme GmbH (BEW) forderten im April 2024 neun Umwelt- und Klimaschutzorganisationen sowie das Bündnis Berlin Erneuerbar einen verbindlichen Dekarbonisierungsfahrplan sowie mehr Transparenz und Beteiligung der Zivilgesellschaft, auch im Verwaltungsrat der BEW.
Zwar setzt die BEW auch auf Geothermie als Zukunftstechnologie, plant aber ansonsten mit Biomasse – insbesondere durch die Umrüstung der Kraftwerke Reuter-West und Klingenberg. Kritiker:innen warnen: Der verstärkte Einsatz von Holzpellets als Brennstoff könnte die Klimabilanz sogar verschlechtern. Auch eine sozial gerechte Preisgestaltung fehlt. Eine öffentlich kontrollierte Preisaufsicht ist bislang nicht eingerichtet, obwohl das Ressort der Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey diese in ihrer Stellungnahme zur Novellierung der Fernwärme-Verordnung im Bund selbst angeregt hatte. Die Preise für Fernwärme in Berlin sind traditionell hoch, zweifelhafte Wärmelieferverträge aus der Vattenfall-Ära werden fortgeführt – zu Lasten der Mieter:innen.
- Förderpolitik: Abgebaut statt aufgebaut
Die Landesregierung hat die Förderung für energetische Sanierungen faktisch eingestellt. Sie strich das Programm „Effiziente GebäudePlus“ Ende 2023 ersatzlos und plant, das laufende Programm BENE 2 (Berliner Energie- und Umweltprogramm 2) deutlich zu kürzen. Damit schiebt sie die finanzielle Unterstützung energetischer Modernisierung nahezu vollständig in die Verantwortung des Bundes. Auch für landeseigene Gebäude stellt Berlin kaum noch Mittel bereit und gibt damit seine Vorbildrolle auf.
- Ordnungsrechtliche Maßnahmen prüfen
Auch wenn zentrale gesetzliche Vorgaben für die Wärmewende – etwa aus dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder dem Wärmeplanungsgesetz (WPG) – bundesrechtlich geregelt sind, hat Berlin auf Landesebene ordnungspolitische Spielräume. In der Vergangenheit hat das Land durchaus eigene Regeln aufgestellt, etwa im Bereich der Mietpreisgestaltung. Es wäre dringend geboten, durch ein unabhängiges Gutachten zu prüfen, welche landesrechtlichen Vorgaben – etwa zur Heizungsumstellung oder Sanierungspflicht – möglich wären. Gerade wenn Fördermittel fehlen, gewinnt das Ordnungsrecht an Bedeutung.
Fazit:
Nach eineinhalb Jahren CDU-SPD-Regierung fällt die Klimabilanz in Berlin ernüchternd aus. Die Koalition verfehlt die CO₂-Ziele im Gebäudesektor deutlich, blockiert weiterhin ein verbindliches Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) und verhindert ein Sofortmaßnahmenprogramm mit ihrer einseitigen Rechtsauffassung. Zentrale Transformationsprozesse – wie die kommunale Wärmeplanung oder die Umgestaltung der Fernwärme – erfolgen ohne Umsetzungsstrategie und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Förderprogramme des Landes für energetische Sanierungen existieren faktisch nicht mehr. Statt aktiver Steuerung erleben wir eine Verwaltung des klimapolitischen Stillstands. Wenn Berlin seine Klimaziele nicht vollständig verfehlen will, muss sich die Landesregierung jetzt bewegen – politisch, finanziell und strukturell.
fs
*Das KWW – Kompetenzzentrum Wärmewende ist eine Fachorganisation unter dem Dach der Dena, die Kommunen bei der kommunalen Wärmeplanung unterstützt. Es erarbeitet fachliche Standards, stellt Informationen und Werkzeuge zur Verfügung und begleitet die Umsetzung der Vorgaben aus dem Wärmeplanungsgesetz (WPG). Die Dena ist die Deutsche Energie-Agentur, eine bundeseigene Gesellschaft mit Sitz in Berlin. Sie versteht sich als Kompetenzzentrum für angewandte Energiewende und Klimaschutz und arbeitet im Auftrag der Bundesregierung, von Ländern und Unternehmen an Strategien zur nachhaltigen Energieversorgung.
18.07.2025