Das neue Wechselangebot der landeseigenen Wohnungsunternehmen soll Mieter:innen entgegenkommen und für eine effizientere Verteilung von Wohnraum sorgen. Doch der Teufel liegt im Detail: Bietet das Modell echte Entlastung – oder ist es vor allem ein Instrument, um die Neubauziele der LWU über höhere Mieteinnahmen zu finanzieren?
Wenn die Kinder aus dem Haus sind, der Partner verstorben ist oder sich die Lebensumstände verändern, kann die bisherige Wohnung schnell zu groß wirken. Für solche Fälle haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) ein neues Angebot vorgestellt. Wer sich verkleinern möchte, erhält innerhalb von zwölf Monaten bis zu drei Wohnungsangebote – jeweils für eine Wohnung, die mindestens ein Zimmer und mindestens zehn Quadratmeter kleiner ist als die bisherige.
Das Angebot gilt zunächst nur innerhalb des jeweiligen Unternehmens und ergänzt das bestehende Wohnungstauschportal der LWU. Anders als beim Wohnungstausch bleibt die Nettokaltmiete der Wohnungen nicht bestehen: Wer in eine kleinere Wohnung zieht, muss die maximal zulässige ortsübliche Vergleichsmiete zahlen. Nur der bei Neuvermietung zulässige Aufschlag von bis zu 10 Prozent entfällt. Einkommensschwächeren Haushalten können bis zu zwei Monatsmieten erlassen werden.
Mit diesem Angebot sorge man dafür, „dass Wohnungen besser zu den Lebenssituationen der Menschen passen“, sagt der Senator für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung Christian Gaebler (SPD). Die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) übernähmen damit „Verantwortung für ein sicheres und bezahlbares Zuhause“. Auch LWU-Sprecher Jörg Franzen betont: „Das ist gelebte Verantwortung der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen gegenüber ihren Mieter:innen.“
Ulrike Hamann-Onnertz beklagt: „Statt das Wohnungstauschmodell mit seiner sozialen Mietgestaltung endlich vernünftig in ein Wohnungswechselmodell zu überführen, wo man zum gleichbleibenden Mietpreis in eine angemessen große Wohnung unternehmensübergreifend ziehen kann, kommt hier wieder nur ein unbrauchbares, effekthaschendes Modell, das vor allem Mietenden, die eine größere Wohnung suchen, gar nicht zur Verfügung steht. Es scheint mir noch großen Nachbesserungsbedarf zu geben.“
Wirksames Mittel gegen den Lock-in-Effekt?
Ein Vorteil des neuen Angebots liegt darin, dass freiwerdende größere Wohnungen, für die die Nachfrage besonders hoch ist, an Haushalte vermittelt werden können, die dringend mehr Platz benötigen. Gaebler spricht in diesem Zusammenhang von einer „effizienteren Verteilung des Wohnraums“.
Doch es gibt einen Haken: Die durchschnittlich bei den LWU gezahlten Mieten lagen im vergangenen Jahr mit 6,76 Euro pro Quadratmeter unter dem Mietspiegeldurchschnitt von 7,21 – was begrüßenswert ist. Für wechselwillige Mieter:innen mindert das jedoch die Attraktivität des neuen Modells. Denn der Sprung auf die ortsübliche Vergleichsmiete bedeutet in den meisten Fällen einen deutlich höheren Quadratmeterpreis als im bisherigen Vertrag.
Genau hier entfaltet sich der sogenannte Lock-in-Effekt. Viele Mieter:innen bleiben in zu großen Wohnungen, weil ein Umzug in eine kleinere Einheit finanziell keinen Vorteil bringt. Oft ist die Miete der kleineren Wohnung nur geringfügig niedriger, manchmal sogar höher. Der Aufwand für Umzug, Renovierung oder die Aufgabe zahlreicher Möbelstücke lohnt sich unter diesen Bedingungen kaum.
Die Folge: Wohnraum wird nicht effizient genutzt. Bundesweit gelten über elf Prozent der Wohnungen als überbelegt, in Berlin liegt der Anteil Schätzungen zufolge bei rund 16 Prozent.
Keine Verkleinerung bei gleicher Miete
In der Rechtsberatung des Berliner Mietervereins tauchen solche Fälle regelmäßig auf. Ein Beispiel: Eine 83-jährige Rentnerin lebt seit fast 60 Jahren in einer über 100 Quadratmeter großen Wohnung des landeseigenen Wohnungsunternehmens Stadt und Land. Ihre Kaltmiete liegt dank des alten Mietvertrags bei knapp 6 Euro pro Quadratmeter. In der Wohnung hat sie ihre Söhne großgezogen, inzwischen lebt sie allein.
Eigentlich würde sie gern in eine kleinere Wohnung ziehen und Platz für eine junge Familie schaffen. Nur: Die freie Wohnung der Stadt und Land mit knapp 50 Quadratmetern direkt gegenüber hat den stolzen Preis von 12,50 Euro pro Quadratmeter. Die Kaltmiete bliebe damit nahezu gleich, Einsparungen gäbe es nur bei den Nebenkosten. Dem gegenüber stehen Kosten und Stress von Umzug und Schönheitsreparaturen sowie der Verlust von Wohnfläche und Stauraum – wohin mit der Einrichtung der alten Wohnung? Das ist es der Seniorin nicht wert, also bleibt sie vorerst in ihrer großen Wohnung.
Höhere Einnahmen für den Vermieter sind garantiert
Für die LWU ist der Wohnungswechsel eine lukrative Ergänzung zum direkten Tausch. Lag die bisherige Miete unter dem ortsüblichen Niveau, kann sie nun sowohl in der kleineren als auch in der größeren Wohnung auf die Vergleichsmiete erhöht werden. Und da die große Wohnung neu vermietet wird, ist zusätzlich ein Aufschlag von 10 Prozent erlaubt – ein höherer Betrag, als bei der kleineren Wohnung möglich wäre. Die Unternehmen möchten den Aufschlag möglicherweise selbst mit ihrer größeren Wohnung kassieren. Das könnte erklären, warum ein Wechsel nur innerhalb desselben Unternehmens möglich ist.
Angesichts einer durchschnittlichen Wohndauer von 27 Jahren im LWU-Bestand ist diese sofortige Erhöhung an die maximal zulässige Miete für die Unternehmen weitaus profitabler, als die Bestandsmieten nur alle drei Jahre mühselig um maximal 11 Prozent erhöhen zu können.
Private Unternehmen brauchen Profite
Warum aber diese Profitorientierung, obwohl Gesobau, WBM und Co. der Stadt gehören? Der Grund liegt in ihrer Rechtsform. Die LWU sind als private Unternehmen organisiert und müssen gewinnorientiert arbeiten – auch wenn sie im Besitz des Landes sind.
Gleichzeitig sind die LWU auch verantwortlich für den Neubau. Denn Berlin tritt nicht selbst als Bauherr auf, etwa über eine eigene Anstalt öffentlichen Rechts. Neubauprojekte werden über Förderkredite und Zuschüsse unterstützt, doch eine ausreichende staatliche Grundfinanzierung für dauerhaft bezahlbaren Wohnraum fehlt. Im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2040 definiert sich der Senat lediglich als Impulsgeber – die Verantwortung zur Erfüllung der Neubauziele wird in weiter abgeschwächten Kooperationsvereinbarungen vollkommen den LWU zugeschoben.
Mieter:innen der LWU tragen die Kosten für Neubau
Entsprechend müssen die Gesellschaften ihre Investitionen aus eigener Kraft stemmen. So kündigten diese im Juli Rekordinvestitionen von 2,6 Milliarden Euro für 2025 an, davon 1,6 für Neubau. „Die Unternehmen müssen weiterhin aus eigener Kraft wirtschaften und investieren können“, betont Maren Kern, Vorständin des Vermieterverbandes BBU. Für die Praxis bedeutet das: Am Ende zahlen die Mieter:innen über ihre Mieten den größten Teil für die Neubauprojekte ihres Vermieters – obwohl die Lösung der Wohnungskrise eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie zu gemeinwohlorientierten Bewirtschaftungsmodellen zeigt zudem: Im Vergleich mit Berliner Genossenschaften und der Wiener Wohnen verlangen die LWU die höchsten Quadratmeterpreise – vor allem, weil sie hohe Kosten für Zinsen und Abschreibungen tragen müssen.
Indirekt sind alle Mieter:innen der Stadt betroffen
Diese Finanzierungslogik führt dazu, dass die LWU den Rahmen für Mieterhöhungen maximal ausnutzen: Bis Februar 2026 sollen die Mieten für rund 112.000 Wohnungen steigen. Seit April 2023 haben bereits 285.000 Wohnungen Mieterhöhungen erhalten. Insgesamt verfügen die landeseigenen Gesellschaften über etwa 370.000 Wohnungen – rund 22 Prozent des Berliner Bestands. Solch umfassende Mieterhöhungen treiben den Mietspiegel nach oben und eröffnen damit auch privaten Vermieter:innen zusätzliche Möglichkeiten für Erhöhungen.
Der Vermieterverband BBU gibt sich dabei selbstzufrieden. Man bewege sich im rechtlichen Rahmen, heißt es, und halte die Mieten trotz gestiegener Baukosten „bezahlbar“ – eine Leistung, „die gerade jetzt alles andere als selbstverständlich ist“.
Recht auf Wohnungstausch und Finanzierung von Neubau
Gerade weil die LWU ihren Neubau über höhere Mieteinnahmen absichern, droht das neue Wechselmodell für viele Mieter:innen unattraktiv zu bleiben. Solange eine kleinere Wohnung nicht spürbar günstiger ist, wird der Lock-in-Effekt kaum überwunden – der Anreiz zum Umzug fehlt.
Ein Vorschlag zur Nachbesserung wäre, Verkleinerungen ähnlich wie beim direkten Wohnungstausch zu gestalten: ohne Sprung auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Ein gesetzlich verankertes Recht auf Wohnungstausch – auch bei privaten Vermieter:innen – könnte die Wohnraumverteilung zusätzlich verbessern. Und nicht zuletzt müsste das Land Berlin seine Herangehensweise an die Wohnungsfrage neu ausrichten: Dauerhaft bezahlbarer Wohnraum braucht eine stärkere öffentliche Finanzierung, statt die Kosten über Umwege auf die Mieter:innen der LWU abzuwälzen.
ml
18.09.2025




