Achtung: Bluff mit § 57 a Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG)
Stand: 5/05
Wenn ein Mietshaus (oder eine Eigentumswohnung) zwangsversteigert wird, weil der alte Eigentümer seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, kann es passieren, dass der Ersteigerer den Mietern unverzüglich unter Vorlage des Zuschlagsbeschlusses eine Kündigung zusendet. Der Ersteigerer erwirbt schon mit dem Zuschlag in der Versteigerung – und nicht erst mit der Eintragung in das Grundbuch – das Eigentum am Grundstück (§ 90 ZVG).
Meist wird die Kündigung ausschließlich mit § 57 a Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) begründet. Nach dieser Vorschrift gilt: Wird ein Grundstück durch Zwangsversteigerung erworben, kann der Ersteher ein Mietverhältnis mit gesetzlicher Frist (3 Monate) zum nächstzulässigen Termin kündigen.
Der Wortlaut von § 57 a ZVG:
Kündigungsrecht des Erstehers
1. Der Ersteher ist berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen.
2. Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist.
Beispiel: Wird das Grundstück im Dezember ersteigert, kann der Erwerber ein Mietverhältnis bis zum 4. Januar zum 31. März des nächsten Jahres kündigen.
Aber Vorsicht! Lassen Sie sich nicht bluffen: Obige Aussage gilt für Wohnraummietverhältnisse so nicht. Der Ersteher kann sein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 57 a ZVG gegenüber einem Wohnraummieter nur ausüben, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 BGB hat und dies auch in seinem Kündigungsschreiben begründet (Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofes vom 21.4.1982 – VIII ARZ 16/81 – veröffentlicht in WuM 82, 178):
“Wer eine Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung erwirbt, bedarf zur Kündigung eines berechtigten Interesses (zum Beispiel Eigenbedarf) …”.
Diese Wertung des Bundesgerichtshofes ergibt sich seit dem 1.9.2001 auch aus dem Gesetz (§ 573 d Abs. 1 BGB).
Keinesfalls kann der Erwerber die Wohnung allein unter Berufung auf das Sonderkündigungsrecht des § 57 a ZVG kündigen. Zwar erlaubt § 57 a ZVG grundsätzlich auch während eines befristeten Mietverhältnisses den Ausspruch der Kündigung (vgl. OLG Celle NJW-RR 88, 79). Bei Wohnraum aber unterliegt auch im Falle der Zwangsversteigerung die Kündigung des Erwerbers dem gesetzlichen Kündigungsschutz (vgl. §§ 573 ff. BGB).
Kündigungsschutz bedeutet u.a.:
- Eine wirksame Kündigung erfordert die Einhaltung von Formalien (Schriftform, Begründungszwang).
- Der Vermieter muss ein “berechtigtes Interesse” an der Beendigung des Mietverhältnisses i.S.d. § 573 BGB haben und nachweisen können. Das einzige hier grundsätzlich in Frage kommende berechtigte Interesse ist der Kündigungsgrund “Eigenbedarf”.
- Der Mieter kann – trotz Vorliegens eines berechtigten Interesses – der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn ein Härtefall vorliegt.
- Handelt es sich um eine umgewandelte Wohnung, muss gegebenenfalls auch die 3- bis 10-jährige Kündigungssperrfrist eingehalten werden (vgl. BayObLG RE WuM 92, 424, siehe unser Info Nr. 26 “Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen”).
Strittig kann im Einzelfall die rechtzeitige Ausübung des dem Ersteher auf Grund der Ersteigerung des Mietgrundstücks zustehenden Sonderkündigungsrechts sein.
Beispiel: Das OLG Düsseldorf hatte über folgende Sachlage zu entscheiden:
26.3.1999: Zuschlag
06.4.1999: 3. Werktag des April
14.4.1999: Zugang der Kündigung
Das Gericht hielt die Kündigung für wirksam und begründete wie folgt:
“Die bloße theoretische Möglichkeit bestimmt nicht den ersten zulässigen Termin für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts. Maßgebend ist vielmehr, ob dem Kläger die Ausübung des Rechts unter Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt bis zum 6.4.1999 tatsächlich möglich war. … Dabei muss dem Ersteher grundsätzlich Gelegenheit eingeräumt werden, die Sach- und Rechtslage zu überprüfen, sich über Umstände zu informieren, die für oder gegen ein Verbleiben des Mieters sprechen, und die interne Willensbildung im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes durchzuführen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Zuschlag – wie hier – unmittelbar vor dem Beginn des rechnerisch ersten zulässigen Termins für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts erfolgt. Der Begriff des ersten zulässigen Termins darf daher nicht zu überspannten Anforderungen führen. Es ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles derjenige Termin, für den die Kündigung dem Ersteher ohne vorwerfbares Zögern möglich ist…” (OLG Düsseldorf v. 5.9.2002 – 10 U 66/02 -, WuM 02, 674).
09.04.2019