1. Der Rückerhalt der Mietsache i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen.
2. Für den Verjährungsbeginn ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist mit der Folge, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann.
3. Zum Rückerhalt der Mietsache bei Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters.
BGH vom 29.1.2025 – XII ZR 96/23 –
Langfassung im Internet: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Die Parteien streiten über die Verjährung von möglichen Schadensersatzansprüchen aus einem gewerblichen Mietverhältnis. Die Ausführungen des BGH gelten aber entsprechend auch für Wohnraummietverhältnisse. Die BGH-Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Vermieters kann bereits beginnen, wenn der Mieter die Schlüssel der Mietsache in den Briefkasten des Vermieters einwirft – selbst wenn das Mietverhältnis noch nicht beendet und der Vermieter mit der Rückgabe nicht einverstanden ist.
Im Einzelnen:
Der Mieter hatte den Mietvertrag im März 2020 gekündigt, dabei aber die bei Gewerberäumen zulässigerweise vereinbarte längere Kündigungsfrist versäumt, so dass das Mietverhältnis bis zum 4.6.2021 lief.
Der Vermieter wies deshalb darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung deutlich später ende. In der Folgezeit nutzte der Mieter die Räumlichkeiten bis zum 31. Dezember 2020 weiter und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters. Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 erklärte der Vermieter, dass die Rückgabe der Schlüssel ausdrücklich gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei.
Im Juni 2021 forderte der Vermieter den Mieter erfolglos auf, näher bezeichnete Schäden an den Räumen zu beseitigen. Am 30. August 2021 beantragte er über seine Schadensersatzforderungen von mehr als 30 000 Euro einen Mahnbescheid.
Im nachfolgenden Streitverfahren erhob der Mieter die Einrede der Verjährung.
Zu Recht, entschied der BGH.
Gemäß § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährten Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten. Die Frist beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhalte.
Der Rückerhalt der Mietsache im Sinne dieser Vorschrift setze grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt werde, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen.
Weiter sei für den Rückerhalt erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgebe. Dagegen reiche es nicht aus, dass der Vermieter (vorübergehend) die Möglichkeit erhalte, während des (auch nur mittelbaren) Besitzes des Mieters die Mieträume besichtigen zu lassen.
Der Rückerhalt der Mietsache sei auch dann für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet sei – mit der Folge, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren könne.
Der Lauf der Verjährungsfrist sei vorliegend durch Einwurf der Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters in Gang gesetzt worden, weil dieser hierdurch die Mieträume zurückerhalten habe. Nach dem Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters sei die für einen Rückerhalt erforderliche Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters im Sinne eines Übergangs des unmittelbaren Besitzes jedenfalls im Zeitpunkt seiner Kenntnis von der vollständigen Besitzaufgabe des Mieters und der eigenen Sachherrschaft eingetreten.
Dass diese Änderung dem Vermieter durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten aufgedrängt wurde, rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn der Mieter habe nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Zugang mehr zu den Mieträumen gehabt, während der Vermieter ungehinderten Zugriff und damit die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung erhalten habe.
Beim Protest des Vermieters gegen die Schlüsselrückgabe durch das Schreiben vom 7. Januar 2021 sei es nur darum gegangen, einen Verlust seiner Ansprüche auf weitere Mietzahlungen zu vermeiden. Sein Wille habe sich danach nicht primär gegen die Erlangung des unmittelbaren Besitzes und damit gegen den Rückerhalt des Mietobjekts als solchen gerichtet.
Die danach aufgrund des Einwurfs der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters am 31. Dezember 2020 und die nachfolgende Kenntniserlangung des Vermieters spätestens am 7. Januar 2021 beginnende Verjährung sei durch den erst nach Ablauf von sechs Monaten vom Vermieter beantragten Mahnbescheid nicht gehemmt worden. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien damit verjährt.
02.06.2025