Investitionsbremse durch Mietenbegrenzung?
Von den Kritikern des Mietendeckels wird – unterstützt von der konservativen Medien – immer wieder behauptet, der „Deckel“ schade den Mietern selbst, weil Investitionen der Immobilienwirtschaft unterbleiben.
Was ist dran an dieser These?
Hier die Bewertung des Berliner Mietervereins:
1. Um welche Investitionen geht es eigentlich?
Der Großteil der Investitionen auf dem Berliner Wohnungsmarkt fließt gar nicht in bauliche Investitionen, sondern nur in den Handel mit Immobilien. Dieser Handel bringt aber kaum Mehrwert. Er führt bei Knappheiten schlicht zur Erhöhung der Preise, zu massiv steigendem Druck bei der Refinanzierung und zur Verringerung preisgünstiger Mietwohnungsangebote. Der Berliner Arbeitsmarkt hat gar nichts von diesen Investitionen. Wenn hier Investitionen unterbleiben, ist es kein Nachteil. Im Gegenteil.
2. Der Mietendeckel verbietet keine Investitionen:
a) Der Neubau unterliegt dem Deckel gar nicht. Eine wohnungswirtschaftliche Annahme ist, dass die Investitionen von Modernsierungen eher in den Neubau gelenkt werden. Das ist durchaus wünschenswert.
b) Modernisierungen sind weiter möglich. Allerdings ist die Mieterhöhung auf 1,- Euro pro Quadratmeter im Monat beschränkt. Damit wird das Investitionsvolumen zwar stärker beschränkt als in der BGB-Regelung mit der Kappung bei 2,- bzw. 3,- Euro pro Quadratmeter, ermöglicht aber weiterhin zum Beispiel eine Heizungsumstellung. Für umfassende energetische Maßnahmen stehen öffentliche Fördermittel als Kompensation zur Verfügung. Richtig ist, dass bei Mietbeschränkungen nach Modernisierung rendite-orientierte Anbieter ihr Interesse an Modernisierung und Klimaschutz verlieren. Dies hat schon das Mietrechtsanpassungsgesetz des Bundes ab 1.1.2019 mit der Mietenkappung bei 2,- Euro pro Quadratmeter gezeigt. Aber wir dürfen nicht vergessen: In den letzten Jahren haben gerade die jetzt so heftig gepriesenen Investitionen zur Verdrängung sehr vieler Mieterhaushalte geführt, die durch Entmietung oder massiven Mietenanstieg ihre Wohnungen und ihre sozialen Bindungen im Wohnumfeld verloren haben.
c) Die Instandhaltung und Instandsetzung von Wohnraum ist eine gesetzliche Pflicht (§ 535 BGB) für Mietverhältnisse. Wird sie von Mietern regelmäßig eingefordert, kann es nicht zur „Vernachlässigung“ des Wohnraumes kommen. Wird sie nicht eingefordert, kann es allerdings zu einem Investitionsstau kommen, der dann bei Mieterwechsel behoben werden könnte (siehe d). Damit es nicht zu Vernachlässigungen kommt, werden wir Mieter verstärkt über ihre Rechte informieren. Unter Umständen muss das Wohnungsaufsichtsgesetz verschärft werden. Aber wir halten fest: Es sind die Vermieter, die aus Enttäuschung oder Wut mutwillig den Gebäudezustand vernachlässigen wollen. Ökonomisch ist dies mit dem Mietendeckel nicht zu begründen, denn gemäß § 8 MietenWoG Bln kann der Vermieter einen Antrag auf Genehmigung einer höheren Miete stellen, wenn die Vermietung gemäß Deckel auf Dauer zu Verlusten oder Substanzgefährdungen führen würden.
d) Mieterwechsel: Zahlreiche Vermieter haben ihre Renditeerwartungen stark auf den Mieterwechsel fokussiert. Die Mietpreisbremse hat das nicht eingeschränkt. Denn bei umfangreichen Investitionen für Modernisierung und Instandsetzung soll die Bremse nicht gelten. Beim Mietendeckel spielt das aber keine Rolle. Miethöhen bei Wiedervermietung werden durch den Mietendeckel also wirksam beschränkt, sieht man vom anders gelagerten Problem der Schattenmieten ab. Diese Beschränkung ist vertretbar, denn bei nachholender Instandsetzung im Falle des Mieterwechsels gab es viele Jahre gar keine Investitionen des Vermieters in die Wohnung. Dass Wohnungsuchende für diese jahrelangen Unterlassungen bestraft werden sollen, ist nicht begründbar.
3. Die ordoliberale Erzählung
In der vermieterfreundlichen Berichterstattung wird regelmäßig ein einfaches Narrativ erzählt: Umfassende Renditechancen auf den Immobilienmärkten für wenige Immobilieneigner kommen auch den Mietern zugute. Das Gemeinwohl gemäß Art. 14 Grundgesetz kommt hier schlicht nicht vor. Dass dieses Mantra der Immobilienwirtschaft aus vielen Gründen eine Fiktion ist, haben die letzten Jahre oft genug gezeigt, nicht nur in Berlin, sondern generell in Ballungsräumen und Großstädten, ob hier im Lande oder an anderen Orten weltweit. Natürlich gibt es auch Wohnungsanbieter, die sich einer sozialen Wohnraumversorgung verpflichtet fühlen. Doch die „Musik“ bestimmen die anderen.
26.05.2021