Berliner Mieterverein bezieht Stellung zu den verfassungsrechtlichen Angriffen auf den Berliner Mietendeckel
Das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und die Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietendeckels
Das Gesetz zur Mietbegrenzung für Wohnraum in Berlin, der sogenannte Mietendeckel, ist eine öffentlich-rechtliche Mietpreisregulierung. Das Gesetz stützt sich, so der BMV-Vorsitzende Dr. Rainer Tietzsch, auf die Zuständigkeit für das Wohnungswesen, das seit der Verfassungsreform 2006 eine Kompetenz der Bundesländer ist. Der öffentlich-rechtliche Mietendeckel steht neben den zivilrechtlichen Regelungen des BGB. Das BGB selbst ordnet an, dass Geschäfte, soweit sie gegen andere Gesetze – insbesondere öffentlich-rechtliche Gesetze – verstoßen, nichtig sind (§ 134 BGB).
Deshalb ist trotz der Zuständigkeit des Bundes für das Bürgerliche Recht, zu dem auch das Mietrecht gehört, verfassungsrechtlich die Zuständigkeit des Landes Berlin für Preisregulierungen für Wohnraum gegeben, wenn die Marktverhältnisse im Wohnungswesen aus dem Ruder laufen.
Eine solche Schieflage auf dem Wohnungsmarkt ist in Berlin festzustellen, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Etwa seit 2012 zunehmend stehen die Mieter bei der Anmietung von Wohnungen unter dem Druck, ohne Rücksicht auf ihre sonstigen Lebensbedürfnisse praktisch jeden aufgerufenen Mietpreis zahlen zu müssen, und in Bestandsmietverhältnissen nimmt die Mietbelastung verglichen mit den Haushaltseinkommen vor allem für das unterste Drittel, aber auch für die mittleren Einkommen immer mehr zu. Trotz zivilrechtlicher Begrenzungen entstanden für das Gemeinwesen gravierende unerwünschte Effekte wie z.B. Verdrängung, Entwurzelung von Menschen, Segregation der Bevölkerung, und ansteigende Kosten für Transferzahlungen.
Die zum Stichtag 18.6.2019 eingeführte öffentlich-rechtliche Preisgrenze ist, so Wild, im Grundsatz für die Wohnungswirtschaft auskömmlich und auch deshalb kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG.
Die 65. (Az. 65 S 54/20) und die 66. Kammer (Az. 66 S 95/20) des Landgerichts Berlin halten die Regelungen für verfassungsgemäß, die 67. Kammer ist gegenteiliger Ansicht.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (Az Vf. 32-IX-20) hat zwar kürzlich das Volksbegehren für einen Mietenstopp nicht zugelassen, befasste sich aber ausschließlich mit dem dortigen Gesetzesvorschlag und bemängelte u.a., dieser sei nicht Teil eines öffentlich-rechtlichen Regelungskonzepts. Das ist beim Mietendeckel grundlegend anders.
Zuständigkeit des Landes Berlin für das Wohnungswesen inklusive Mietpreisregulierungen
Die Bundesländer haben – nach dem klaren Wortlaut der Verfassung und mehreren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts – die Zuständigkeit, wenn im Grundgesetz dem Bund keine ausdrückliche Zuständigkeit für das Sachgebiet zugewiesen ist (Art. 30, Art. 70 GG).
Schon in der Weimarer Republik gab es (Art. 10 der Weimarer Reichsverfassung) eine besondere Zuständigkeit für das Sachgebiet des Wohnungswesens. Auf diese Zuständigkeit wurden seit 1917 jahrzehntelang öffentlich-rechtliche Mietpreisregulierungen für Altbauwohnraum gestützt, aber auch Regelungen zur Wohnungsbauförderung mit entsprechender Preisbindung und Belegungsbindung, zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum u.a. Nach dem zweiten Weltkrieg stand das Wohnungswesen als konkurrierende Zuständigkeit des Bundes in Art. 74 Nr. 18 GG. Dass die in der Vergangenheit jahrelang existierende öffentlich-rechtliche Mietpreisregulierung auch nach Auffassung des Bundes dem Wohnungswesen zuzuordnen war, kann u.a. daraus geschlossen werden, dass z.B. das Bundesgesetz zur Regelung der Berliner Mietpreisbindung von 1982 („Drittes Gesetz zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin“) nicht nur unterscheidet zwischen Mietrecht und Mietpreisrecht, sondern sich für die Änderungen des Preisrechts auch auf den Kompetenztitel Wohnungswesen beruft.
Während Preisregulierungen für geförderten Wohnraum noch heute bestehen, wurden sie für Altbauwohnraum nach und nach abgeschafft. Der Sachbereich Wohnungswesen und der Kompetenztitel bestanden aber fort.
Im Rahmen der Föderalismusreform 2006 wurde Art. 74 GG geändert, das Wohnungswesen findet sich nun nicht mehr unter den Bereichen, für die der Bund zuständig ist. Daraus ergibt sich nach dem Grundsatz des Art.70 GG klar, dass die Länder nunmehr für diesen Sachbereich ausschließlich zuständig sind.
Was regelt das BGB?
Für das Bürgerliche Recht, wozu auch das Mietrecht für Wohnungen gehört, ist der Bund zuständig (allerdings nur „konkurrierend“, dazu unten). Bürgerliches Recht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen. Hier können Grenzen festgelegt werden, die eine Übervorteilung einer Seite verhindern, und die damit dem Rechtsfrieden und insofern auch der Allgemeinheit dienen sollen.
Ob dies jedoch zu ausreichender Versorgung mit Wohnraum zu akzeptablen Bedingungen auf lokaler Ebene führt, ist vom Bürgerlichen Recht gar nicht erfasst. Mietrechtliche Regelungen wie zum Beispiel der Ausschluss der Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung bestanden auch in der Vergangenheit neben öffentlich-rechtlichen Preisregulierungen. Preisrecht kann also keine „unerlässliche Voraussetzung“ für Regelungen des Bürgerlichen Rechts sein.
Der Bund setzt zwar im Mietrecht des BGB auch Grenzen, die ein Wohnraumvermieter nicht überschreiten darf – das Gesetz verlässt sich aber darauf, dass die Vermieter mit diesem Spielraum verantwortlich umgehen, ihre im Grundgesetz niedergelegte Verpflichtung, beim Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen (Art. 14 Abs. 2 GG), beachten.
Selbst wenn man das Preisrecht für Wohnraum noch dem Bürgerlichen Recht zuordnen würde, ist weiter zu beachten, dass der Bund nur die „konkurrierende“ Gesetzgebungszuständigkeit für das Bürgerliche Recht hat, nach Art. 72 und Art. 74 GG. Das heißt, nur soweit der Bund abschließende Regelungen getroffen hat, kann überhaupt eine Sperrwirkung gegenüber abweichenden Regelungen der Länder eintreten. Der Bundesgesetzgeber gibt zwar im Mietrecht des BGB den Ländern Mittel zur Regulierung in die Hand. Er hat aber selbst die Länder als „sachnäher“ bezeichnet und verlangt ausdrücklich, dass die Länder weitere Maßnahmen ergreifen, weil er selbst in diesem Bereich weder detailliert genug regeln kann noch will.
Bisherige Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts, die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshof und die Berliner Rechtsprechung der Instanzgerichte
Das Bundesverfassungsgericht wird entscheiden, ob das Land Berlin für solche Regelungen zuständig ist oder nicht, und auch ob die Eingriffe in Grundrechte, insbesondere das Eigentumsrecht des Art. 14 GG, von der Verfassung erlaubt sind.
Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte sich bereits mit Eilanträgen gegen den Mietendeckel zu befassen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde jedoch abgelehnt. Dabei erklärte das Bundesverfassungsgericht, die Frage, ob das Land Berlin die Kompetenz besitzt, das MietenWoG Bln einzuführen, sei als „offen“ zu bezeichnen (BVerfG, Beschluss vom 10.3.2020, Az 1 BvQ 15/20). Bis zur absehbaren verfassungsgerichtlichen Entscheidung entgehender Gewinn sei kein die Eigentumssubstanz berührender Schaden. Jedenfalls sei diese Schmälerung des Ertrags hinzunehmen.
Das Bundesverfassungsgericht (1. Senat) prüft nun weiter die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache und wird darüber entscheiden, ob das Land eine Gesetzgebungszuständigkeit hat, und ob die getroffenen Regelungen Grundrechte der Beschwerdeführer verletzen.
Beim 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts liegt ein Antrag von Bundestagsabgeordneten, die vor allem geltend machen, das Land Berlin habe keine Zuständigkeit für Mietpreisregulierungen. Auch wird behauptet, die Eingriffe in das Eigentum seien zu stark.
Ebenso liegt beim Landesverfassungsgerichtshof Berlin ein Antrag von Berliner Abgeordneten, die geltend machen, das Land sei für den Erlass solcher Regelungen nicht zuständig, und die Eingriffe seien zu schwerwiegend. Wann der LVerfGH Berlin entscheidet, ist noch nicht abzusehen.
Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 16.7.2020 (Az. Vf. 32-IX-20) trägt zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietendeckels nichts bei. Denn der BayVerfGH konnte sich nur mit dem dort vorgelegten Volksbegehren befassen, mit dem naturgemäß nur ein knappes Gesetz zur Abstimmung vorgeschlagen werden konnte, so dass der BayVerfGH insbesondere bemängelte, ein öffentlich-rechtliches Konzept sei nicht erkennbar.
Demgegenüber steht das Berliner Gesetz nicht nur im Zusammenhang verschiedenster Maßnahmen des Landes zur Linderung des Wohnungsmangels, sondern das Gesetz ist auch selbst klar öffentlich-rechtlich verfasst, überträgt Bezirksämtern, der Senatsverwaltung für Wohnungswesen und der Investitionsbank Berlin (als Beliehener) öffentlich-rechtliche Zuständigkeiten für Entscheidungen und Eingriffe, über deren Rechtmäßigkeit die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben.
Der BayVerfGH hat zwar auch – mit 6 : 3 Richterstimmen – entschieden, das Land Bayern habe „offensichtlich“ keine Regelungskompetenz. Da drei Richter dies nicht für richtig hielten, ist schon zweifelhaft, ob es „offensichtlich“ sein kann. Und die Mehrheit der Richter setzt sich zugleich in klaren Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht, das entschieden hatte, diese Frage sei „offen“.
Von den für Mietrecht zuständigen Berufungskammern am Landgericht Berlin haben die 65. Kammer (Urteil vom 10.6.2020, Az. 65 S 54/20) und die 66. Kammer (Urteil vom 31.7.2020, Az. 66 S 95/20) entschieden, dass sie das Gesetz nicht für verfassungswidrig halten. Anders die 67. Kammer des LG Berlin. Sie hat mit Vorlagebeschluss vom 12.3.2020 (Az. 67 S 274/19) vertreten, das Gesetz zur Mietenbegrenzung für Wohnraum in Berlin sei verfassungswidrig und diese Frage gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (Az. dort 2 BvL 4/20). Zur Zulässigkeit der Vorlage kam die Kammer allerdings nur, indem sie eine erweiternde Auslegung des Gesetzes vornahm. Denn sie erging in einem Fall, in dem ein Mieterhöhungsverlangen vom 8.3.2019 zu einer Erhöhung ab 1. Juni 2019 führen sollte, also noch vor dem Senatsbeschluss vom 18.6.2019, auf den sich das am 23.2.2020 in Kraft getretene Gesetz bezieht. Der Bundesgerichtshof hat diesen Rechtsstandpunkt inzwischen (in einem Altfall betreffend eine Mieterhöhung von 2015, über die noch nicht rechtskräftig entschieden war) ausdrücklich abgelehnt (Urteil vom 29.4.2020 Az. VIII ZR 355/18). Ob die Vorlagefrage der 67. Kammer hiernach noch als zulässig angesehen wird, bleibt abzuwarten. Weitere Vorlagebeschlüsse liegen vor von einer Abteilung des Amtsgerichts Mitte und einer Abteilung des Amtsgerichts Schöneberg.
Die meisten Amtsrichterinnen und Amtsrichter in Berlin haben hingegen in den bisher vorliegenden Urteilen erklärt, dass sie keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Begrenzung der Wohnungsmieten in Berlin haben.
Das Gesetz zur Mietbegrenzung für Wohnraum in Berlin ist als öffentlich-rechtliches Preisgesetz angelegt. Auswirkungen auf die Vertragsverhältnisse und die Zahlungsansprüche zwischen Vermietern und Mietern haben derartige Gesetze über die Vermittlung von § 134 BGB und die Anwendung durch Zivilgerichte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbietet es die Einheit der Rechtsordnung, ein Verhalten, das öffentlich-rechtlichen Vorgaben zuwiderläuft, mit Mitteln des Privatrechts durchzusetzen.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es bei den Zivilrichtern, ab wann das gesetzliche Verbot eingreift, und wie weit die Mieter noch zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung verurteilt werden können. Solche Meinungsunterschiede sind nicht ungewöhnlich bei einem neu eingeführten Gesetz – wobei hinzukommt, dass die heute amtierenden Richter das früher reibungslose Ineinandergreifen von öffentlichem Preisrecht und Mietrecht meist gar nicht mehr erlebt haben.
Unzulässiger Eingriff in die Eigentumsrechte?
Die Regelungen des Gesetzes zur Mietbegrenzung für Wohnraum in Berlin beschränken zweifellos das Eigentumsrecht. Jedoch sind die dort gegebenen Beschränkungen sachgerecht und verhältnismäßig.
Zum Eigentumsrecht gemäß Art. 14 GG gehört das Recht, Vermögensgegenstände als Eigentümer zu verwerten durch Verkauf und Vergabe von entgeltlichen Nutzungsrechten. Wird die Höhe des Entgelts gesetzlich begrenzt, dann kann darin eine Beschränkung des Eigentumsrechts liegen. Das aber bedeutet nicht, dass den Eigentümern immer der Preis zustünde, der bei Vermietung erzielbar wäre. Die Annahme, es stelle sich ein „natürlicher“ Marktpreis ein, beruht auf der Vorstellung, dass sich die Verhandlungspartner überhaupt nur für Geld interessieren, und vor allem, dass zwischen den Marktpartnern ein Gleichgewicht besteht.
Doch diese gleichgewichtige Situation gibt es bei stark angespanntem Wohnungsmarkt gerade nicht, und es kann auch kein Ausgleich auf der Güterebene eintreten. Weder können die Nachfrager das Wohnen einstellen bis die Preise fallen, noch kann die Anbieterseite in überschaubarer Zeit mehr Wohnraum zur Verfügung stellen. Die Aushandlung der Wohnungsmiete „auf Augenhöhe“ ist nur möglich bei ausgeglichenem Wohnungsmarkt. Ein etwa ausgeglichenes Verhältnis von Nachfrage und Angebot von Wohnraum – es wird eine Fluktuationsreserve von 2 – 3 % notwendig gehalten – gab es in Berlin etwa zwischen 2004 und 2010.
Bereits ab 2011 zeigte sich ein Rückgang der Leerstandsquote, die 2012 unter 2 % fiel und seither darunter blieb. Die nach 2013 abgeschlossenen Mietverträge beruhen bereits auf einem deutlichen Marktungleichgewicht, inzwischen besteht eine gefährliche Schieflage. Mieten bei Wiedervermietung sind seither Ergebnis dieses Marktungleichgewichts, sozusagen ein „widernatürlicher Preis“. Dieser trieb – nicht zuletzt, weil nur Neuabschlüsse und Erhöhungen der letzten vier Jahre in den Mietspiegel Eingang fanden – die durch Gesetz definierte „ortsübliche Vergleichsmiete“ nach oben, die wiederum ständige Mieterhöhungen im Bestand nach sich zog, so dass ergänzt durch Modernisierungsmieten eine unaufhaltsame und steile Mietentwicklung das Ergebnis ist.
Das Grundgesetz geht von dem gesellschaftlich verantwortlichen Eigentümer aus, und setzt die Anforderungen umso höher an, je mehr andere Menschen auf die Nutzung der Eigentumsgegenstände angewiesen sind, so das Bundesverfassungsgericht. Die Anordnung des Art. 14 Absatz 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen“, ist kein unverbindlicher Appell, sondern eine verbindliche Verhaltensanforderung, die sich direkt an die Eigentümer richtet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Bereich vermieteten Wohnraums die Verpflichtung auf das Wohl der Allgemeinheit besonders stark, und ist es in erster Linie Sache der parlamentarischen Gesetzgebungskörperschaften, abzuwägen und zu entscheiden, welche Befugnisse mit dem Eigentum verbunden, welche eingeschränkt und welche ausgeschlossen sind. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Befugnis zur Regelung dem Bundesgesetzgeber oder dem Landesgesetzgeber zusteht. Grundsätzlich soll über Inhalt und Grenzen des Eigentums und die Durchsetzung des Wohls der Allgemeinheit im demokratischen Willensbildungsprozess entschieden werden, der auch je nach der gegebenen Problemlage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.
Der vom MietenWoG angeordnete Mietenstopp für fünf Jahre führt nicht zu einer Substanzbeeinträchtigung des Eigentums – zumal die Erträge in den Jahren seit 2010 beträchtlich waren. Für die Wiedervermietung wird nicht etwa – wie oft kolportiert – der Mietspiegel 2013 angewendet, sondern es sind die wichtigsten Werte aus diesem Mietspiegel zugrunde gelegt und anhand der Reallohnentwicklung hochgerechnet worden. Dahinter steht die Überlegung, dass höchstens bis 2012 eine etwa ausgeglichene Wohnungsmarktlage bestand, die Menschen also den Anteil ihres Einkommens, den sie für das Wohnen ausgeben können, noch mitbestimmen konnten. Der entsprechende angemessene Anteil soll durch die Tabellenmiete abgebildet werden.
Das Einfrieren für etwa 2 Jahre von Mieten, die bis dato mindestens als auskömmlich zu bewerten waren, stellt keine erhebliche Ertragsminderung dar. Es ist schon fraglich, ob Ertragserwartungen für vermietete Wohnimmobilien überhaupt eigentumsrechtlichen Schutz genießen können. Denn wenn – wie dies allenthalben gefordert wird – die öffentlichen Hände oder klar gemeinwirtschaftlich orientierte Träger in großem Umfang Wohnraum errichten und preiswert zur Verfügung stellen würden, dann wäre für die anderen Eigentümer die Vermietung ihrer Immobilien zu höheren Preisen kaum auf Dauer möglich, sie müssten auf Preiserhöhungen verzichten, auch Preissenkungen hinnehmen. Würde also bereits die Ertragserwartung eigentumsrechtlich geschützt, dann könnte ein Eigentümer die Eigentumsverletzung geltend machen, wenn infolge der beabsichtigten und erfolgreichen – sogar staatlich initiierten und geförderten – Schaffung preiswerten Wohnraums sein eigener Ertrag abnehmen würde. Das kann nicht richtig sein.
Jedenfalls gehört es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu dem vom Grundgesetz geschützten Inhalt des Eigentums, einen größtmöglichen Ertrag zu erzielen. Beschränkungen der Erträge sind möglich, wenn dies aus Gründen des Allgemeinwohls erforderlich ist.
Eine Entziehung des Eigentums ist erkennbar nicht als Folge des MietenWoG zu erwarten, denn § 8 des MietenWoG stellt klar, dass zur Vermeidung von Härten aufgrund des Gesetzes bei der IBB die Genehmigung für eine höhere Miete als die eigentlich nach MietenWoG zulässige erteilt werden kann.
Unterhalb dieser strengen, unmittelbar aus dem Eigentumsrecht folgenden Grenzen ist – unter Wahrung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers – zu prüfen, ob die Eigentumsbeschränkungen unverhältnismäßig sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reicht es für die Eignung aus, wenn eine Annäherung an das verfolgte Ziel durch die vorgesehenen Regelungen nicht ausgeschlossen ist. Das ist offenkundig beim Mietendeckel der Fall. Die Eigentumsbeschrän-kungen müssen zudem erforderlich sein. Alle bisher im Rahmen des Zivilrechts gesetzlich verabschiedeten und angewandten Maßnahmen haben nicht dazu geführt, dass die unaufhaltsamen Steigerungen von Wohnungsmieten in Berlin zum Stillstand gekommen wären. Umgekehrt sind Ankündigungen der politischen Gegner des Mietendeckels, die Regulierungen würden nur negative Wirkungen haben, nicht belegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht dem demokratischen Gesetzgeber auch diesbezüglich ein weiter Einschätzungsspielraum zu.
Fazit der rechtlichen Betrachtungen
Nach diesen Betrachtungen und Erkenntnissen ergibt sich, dass der Berliner Mieterverein im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz und auch die Eingriffstiefe in die Verfügungsrechte der Eigentümer das MietenWoG Berlin (Berliner Mietendeckel) für verfassungsgemäß erachtet.
Bedeutung des Verfassungsstreits für die Mieter
Verfassungsrechtliche Angriffe der Vermieter gegen mietpreisregulierende Vorgaben sind nicht unüblich. So wurden Mietspiegel, Kappungsgrenzen und auch die Mietpreisbremse einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen, mit dem Ergebnis, dass all diese Eingriffe verfassungsgemäß waren, obschon die Vermieterseite auch in diesen Fällen immer zu 100% von der Verfassungswidrigkeit überzeugt war. Insoweit sind auch Ratschläge des Mietervereins, aktuell eingesparte Beträge zunächst zur Seite zu legen, leider Beratungsalltag. Für Mieter entschärfend kann sich jedoch in der Zukunft auswirken, dass Behörden durch Verwaltungsakte und Informationen Unterstützung für Mieter gewähren.
Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die aktuellen mietrechtlichen Auseinandersetzungen durch ein ungewöhnlich aggressives Vermieterverhalten geprägt sind. Dass der Staat durch öffentlich-rechtliches Preisrecht zivilrechtliche Vereinbarungen beschränkt, wird als unerträglich angesehen. Insoweit sind die Verhaltensweisen der Immobilienwirtschaft mit den Grundansätzen der Normenkontrollklagen von CDU und FDP deckungsgleich. CDU/CSU und FDP wollen Regulierungen durch öffentliches Recht mit allen Mitteln verhindern, sie vertreten – trotz ungleicher Bedingungen zwischen Anbietern und Nachfragern und trotz offensichtlicher Schieflage auf dem Wohnungsmarkt – die Auffassung, das Privatrecht werde es schon richten und die Anbieter sollten ihre Marktmacht ungebremst weiter ausnutzen können.
Die Verunsicherung von Vermietern und Mietern tritt im Kern dadurch ein, dass ein parlamentarisch verabschiedetes Gesetz nicht respektiert werden soll. Diese Verunsicherung haben somit die Vermieterverbände, die Immobilienwirtschaft sowie CDU/CSU und FDP zu verantworten. Konkret betroffen sind davon vor allem Wohnungssuchende, denen trotz Mietendeckel eine „Schattenmiete“ aufgezwungen wird.
12.08.2020