Der Umbau vom Bürgergeld zur Grundsicherung wird der Mietpreisbremse einen unverhofften Aufschwung bescheren. Es ist nicht die einzige Überraschung, die der kürzlich vorgelegte Gesetzentwurf der Koalition bereit hält.

Foto: Sabine Mittermeier
Im Mittelpunkt der lange diskutierten Reform stehen schärfere Sanktionen. Bereits ab dem zweiten versäumten Termin beim Jobcenter wird Beziehenden von Bürgergeld, das künftig Grundsicherung heißt, der Regelsatz um 30 Prozent gekürzt. Wer dreimal nicht erscheint, bekommt den kompletten Regelsatz gestrichen. Gleiches gilt bei Ablehnung eines Arbeitsangebots. Wer innerhalb eines Monats nach Beginn der Sanktionen nicht im Jobcenter erscheint, gilt als nicht erreichbar. Die Folge: kompletter Leistungsentzug.
Dass es nun erstmals möglich sein soll, auch die Zahlung der Unterkunftskosten einzustellen, wird von einem breiten Bündnis aus Sozialverbänden und Gewerkschaften scharf kritisiert. Betroffene, darunter auch Familien, wären damit akut von Obdachlosigkeit bedroht, heißt es in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten: „Durch diese Regelung entfällt zudem die bisherige Sicherheit für Vermietende, dass Mieten von Bürgergeld-Beziehenden zuverlässig übernommen werden.“ Jenen wird das die Wohnungssuche ziemlich erschweren.
Persönliche Krisen kennt das Gesetz nicht
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich eine Verkettung unglücklicher Umstände vorzustellen, die zur Vernachlässigung der sogenannten Mitwirkungspflichten führen kann. Ein Krankenhausaufenthalt, die Beerdigung eines Verwandten in einer entfernten Stadt oder Postzustellprobleme können dann reichen, um Lebensunterhalt und Wohnung zu verlieren. Viele Leistungsbeziehende stecken in persönlichen Krisen und schauen wochenlang nicht in den Briefkasten. „Man will Totalverweigerer bestrafen, wird aber viele Menschen treffen, die ohnehin schon gebeutelt sind“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Sebastian Bartels. Schon jetzt habe man außerdem viele Menschen in der Rechtsberatung, die wegen irgendwelcher Fehler oder Versäumnisse des Jobcenters mit den Mieten in Zahlungsrückstand geraten sind. Zwar stellte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SDP) klar, dass für psychisch Erkrankte Ausnahmeregeln gelten würden. Bei wiederholten Pflichtverletzungen, so heißt es im Gesetzentwurf, solle in diesen Fällen eine persönliche Anhörung stattfinden. Doch viele dürfte es überfordern, zum Amt zu gehen und ärztliche Atteste vorzulegen.
Bei der Übernahme der Wohnkosten ist ebenfalls eine Verschärfung vorgesehen. So soll künftig im ersten Jahr des Leistungsbezugs maximal das 1,5-Fache der örtlichen Angemessenheitsgrenze übernommen werden. Bisher wurde in der sogenannten Karenzzeit jede Miete akzeptiert. Wer darüber liegt, hat zwei Möglichkeiten: die Differenz selber zu tragen oder seine Miete, etwa durch Untervermietung, zu senken.
Nur „in begründeten Einzelfällen“ können während der Karenzzeit höhere Unterkunftskosten anerkannt werden. Die Hürden sind hoch.
Eine weitere Neuerung: Wer mit der Miete über der Mietpreisbremse liegt, wird aufgefordert, den Verstoß gegenüber dem Vermieter zu rügen. Selbst viele gut situierte Mieter:innen scheuen einen solchen Konflikt mit dem Vermieter. Nun ausgerechnet den Schwächsten zuzumuten, eine Absenkung einzuklagen, ist dreist.
Birgit Leiß
Kaum Einsparungen, aber dramatische Folgen
Das Kabinett will den Gesetzentwurf zur neuen „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ am 10. Dezember beschließen. Unklar ist noch, ob die Reform bereits am 1. Januar oder erst im Sommer 2026 in Kraft tritt. In jedem Fall ist mit einer Klagewelle zu rechnen. Dass das Bundesverfassungsgericht die drastischen Leistungskürzungen und -streichungen absegnen wird, ist fraglich. Von den ursprünglich angekündigten Einsparungen „in Milliardenhöhe“ ist ohnehin keine Rede mehr. Der Entwurf selber geht für das Jahr 2026 von Minderausgaben in Höhe von 86 Millionen Euro aus. Knapp 70 Millionen sollen es 2027 sein.
bl
29.11.2025




