Berlin ist als Bundesland zuständig für das Wohnungswesen und könnte den Mietwohnungsmarkt viel stärker regulieren als bisher. Der CDU-SPD-Senat hat zwar ein Wohnraum-Sicherungsgesetz angekündigt, kommt damit aber nicht vom Fleck. Aus der Opposition heraus haben nun Grüne und Linke ihrerseits Gesetzentwürfe vorgestellt – auch um dem Senat Beine zu machen. Das der vor Ablauf der Legislaturperiode 2026 seine Ankündigung umsetzt, darf bezweifelt werden.

Foto: Sabine Mittermeier
Als erstes hat die Linksfraktion ihren Entwurf für ein „Sicher-Wohnen-Gesetz“ vorgelegt. Sie will gewerbliche Vermieter:innen, die mindestens 50 Wohnungen besitzen, dazu verpflichten, einen steigenden Anteil der jährlich freiwerdenden Wohnungen zu vergünstigten Mieten an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vermieten. Vermieter:innen mit 50 bis 500 Wohnungen sollen 30 Prozent so vermieten. Bei bis zu 1000 Wohnungen beträgt die Quote 40 Prozent und bei noch größeren Unternehmen 50 Prozent. Davon gehen jeweils die Hälfte der Wohnungen an Menschen mit niedrigem Einkommen (WBS 140) und mittlerem Einkommen (WBS 220). Zusätzlich sollen Unternehmen mit mehr als 1000 Wohnungen jede zehnte Wohnung an Wohnungslose vergeben.
Die Miethöhen sollen dem sozialen Wohnungsbau entsprechen: Derzeit sind das 7,00 Euro pro Quadratmeter bei WBS 140 und 11,50 Euro bei WBS 220. Die Linke hat berechnet, dass auf diese Weise jährlich rund 17.000 Wohnungen bezahlbar vermietet werden.

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In einem transparenten Register wird erfasst, welche Vermieter:innen wie viele Wohnungen besitzen, um zu ermitteln, wer welche Sozialquote erfüllen muss. Das Zweckentfremdungsverbot soll in das „Sicher-Wohnen-Gesetz“ eingefügt werden. Um die Vernichtung von billigem Wohnraum zu verhindern, will die Linke einen faktischen Abriss-Stopp verhängen. Zur Durchsetzung der Regeln soll ein neues Landesamt gegründet werden. Damit Bußgelder auch abschreckend wirken, kann das Amt bis zu 500.000 Euro verhängen.
Quoten nach Bestandsgröße

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Der Gesetzentwurf beruht auf einem Rechtsgutachten der Jura-Professorin Pia Lange, die 2024 im Auftrag der Linken die landesrechtlichen Möglichkeiten im Wohnungswesen ausgelotet hat. „Berlin kann und muss handeln“, sagt der Linken-Wohnungspolitiker Niklas Schenker. „Mit unserer Sozialquote werden wir bis zu 100.000 Wohnungen wieder bezahlbar machen. Das wäre ein Quantensprung im Kampf für ein bezahlbares Berlin.“
Die Grünen-Fraktion will mit ihrem „Bezahlbare-Mieten-Gesetz“ ebenfalls Sozialquoten für Bestandswohnungen einführen. Sie legen Zielmarken fest: Vermieter:innen mit 51 bis 1000 Wohnungen müssen 10 Prozent ihres Bestandes sozial vermieten, bei bis zu 2000 Wohnungen sollen es 20 Prozent sein, ab der 2001. Wohnung 30 Prozent. Solange diese Quoten noch nicht erreicht sind, müssen alle freiwerdenden Wohnungen sozial vermietet werden. Wer bis zu 50 Wohnungen im Bestand hat, ist davon befreit.
Die Mieten dieser „Sozialbestandswohnungen“ sollen 20 Prozent unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Mindestens die Hälfte dieser Wohnungen geht an WBS-140-Haushalte, die übrigen stehen Haushalten mit einem Einkommen bis zur Stufe WBS 180 zur Verfügung. Für diese Mietverhältnisse wollen die Grünen Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen ausschließen. Vermieter:innen mit mehr als 50 Wohnungen sollen außerdem nachweisen, dass sie für Instandsetzungen ausreichende Rücklagen gebildet haben. Je nach Baualter verlangt der Gesetzentwurf jährlich 10,61 bis 17,18 Euro pro Quadratmeter.
Landeswohnungsamt – „ein starkes Signal“

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Die Einhaltung der Regeln kontrolliert auch im Grünen-Konzept ein neues Landesamt für das Wohnungswesen. Dieses soll ein Wohnungskataster führen, in dem jede Berliner Wohnung mit Status, Größe und Zimmerzahl verzeichnet ist. Das Landesamt soll dem Grünen-Gesetzentwurf zufolge bei Ordnungswidrigkeiten nicht nur Bußgelder bis zu 500.000 Euro verhängen dürfen. Bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen kann einem Unternehmen sogar die Wohnungsvermietung teilweise oder ganz untersagt werden. Es wäre dann gezwungen, seine Wohnungen zu verkaufen.
„Wir setzen Vermieter unter Druck und schaffen einen Rechtsrahmen für bezahlbare Wohnungen“, erklärt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Graf. „Renditejagende Immobilienkonzerne ohne jedes Verantwortungsbewusstsein haben auf unserem Wohnungsmarkt keinen Platz mehr.“ Katrin Schmidberger, Fraktionssprecherin für Wohnen und Mieten, betont: „Eigentum verpflichtet – auch auf dem Wohnungsmarkt!“ Das Gesetz würde nicht nur die Mieter:innen schützen. Es sei „ein Meilenstein, weil wir damit auch den Berliner Landeshaushalt schonen und nicht weiter Milliarden öffentlicher Gelder investieren müssen, um Bedürftigen überhöhte Mieten zu finanzieren“, so Schmidberger.

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Der Berliner Mieterverein (BMV) begrüßt beide Gesetzentwürfe ausdrücklich, insbesondere die Sozialquoten im Bestand, die auch private Wohnungsunternehmen in die Pflicht nehmen. „Es kann nicht allein Aufgabe der landeseigenen Wohnungsunternehmen sein, die jährlich aus den Bindungen fallenden Sozialwohnungen nur durch ihre Bestände zu kompensieren und den Sozialwohnungsbau voranzubringen“, erklärt BMV-Geschäftsführerin Wibke Werner. „Ein eigenes Landesamt für Wohnungswesen, das als Kernaufgabe die Einhaltung geltender Regeln hätte, wäre ein starkes Signal, dass Berlin die Wohnraumversorgung und -bewirtschaftung ernst nimmt.“ Ein Wohnungskataster wird schon seit langem vom BMV gefordert.

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Auch der von den Grünen vorgeschlagene Nachweis einer Instandhaltungsrücklage und die Linken-Forderung nach einem Abriss-Stopp treffen beim BMV auf Zustimmung. „Wohnraumpotenziale müssen vorrangig im Bestand aktiviert werden, durch Erhalt und gute Instandsetzung, aber auch durch Schutz vor Abriss oder zweckfremder Nutzung wie möblierte Ferienwohnungsvermietung“, sagt Wibke Werner. Auch der BMV hat die Erfahrung gemacht, dass sich Vermieter:innen von den bisherigen Bußgeldern nicht von Verstößen abhalten lassen. „Den Bußgeldrahmen empfindlich zu erhöhen und gegebenenfalls weitere Sanktionen einzuführen, könnte zukünftig dazu dienen, dass Regeln in der Wohnraumversorgung eingehalten werden“, hofft die BMV-Geschäftsführerin.

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Die Linksfraktion will ihren Gesetzentwurf noch in diesem Jahr ins Abgeordnetenhaus einbringen. Die Grünen diskutieren ihren Entwurf mit Verbänden und Organisationen, bevor sie ihn 2026 ins Parlament bringen.
Jens Sethmann
Wohnraum-Sicherungsgesetz lässt auf sich warten
„Wir wollen ein Berliner Wohnraum-Sicherungsgesetz verabschieden. Hierbei nehmen wir insbesondere besondere Bedarfsgruppen wie Menschen in Besitz eines WBS mit Dringlichkeit wie Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen und Obdachlose in den Blick.“ So haben es CDU und SPD im April 2023 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Die Idee geht auf die SPD zurück, die auch im Wohnungsbestand Belegungsquoten für WBS-Haushalte einführen, ein Wohnungs- und Mietenkataster schaffen und die Kompetenzen für das Wohnungswesen in einem neuen Landesamt für Wohnraumsicherung bündeln will. Einen konkreten Gesetzentwurf hat der Senat schon öfter angekündigt, doch ist zweieinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags nichts davon zu sehen. Ob in den verbleibenden zehn Monaten bis zur nächsten Wahl ein so umfassendes Gesetzesvorhaben noch verabschiedet werden kann, ist fraglich.
js
29.11.2025




