Ob Alter, Krankheit oder ein Unfall – wer trotz dauerhafter Einschränkungen in seiner Wohnung bleiben möchte, muss meistens umbauen. Ob es Kleinigkeiten sind, die den Alltag sicherer machen, oder ein aufwendiger Badumbau, es ist gut, rechtzeitig zu planen – und sich dabei beraten zu lassen.

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Das Treppensteigen wird mühseliger, der Einstieg und erst recht der Ausstieg aus der Badewanne riskanter, und ein eigentlich dringend benötigter Rollator steht zusammengeklappt in der Ecke, weil er nur schwer über die Schwellen in der Wohnung kommt und schon gar nicht durch die Badtür passt. Aber das vertraute Zuhause verlassen? Etwa in ein Pflegeheim umziehen? Für viele Menschen kommt das nicht infrage.

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Andrea Didszun, eine der Sprecherinnen der Berliner Pflegestützpunkte und Leiterin der Beratungsstelle in Pankow, hört viele Gründe dafür: „Einer liegt in den Kosten für ein Pflegeheim. Aber oft ist es auch die Angst vor dem Verlust der Selbstständigkeit. Dazu kommt die emotionale Bindung an das vertraute Zuhause und seine Umgebung.“
Die meisten Menschen, die mit zunehmendem Alter, durch eine Erkrankung oder aufgrund eines Unfalls in ihrem Alltag stark eingeschränkt oder pflegebedürftig sind, möchten ihr Leben selbst in der Hand behalten. „Und es gibt durchaus viele Möglichkeiten – sie sind nur nicht allen bekannt“, fügt die Beraterin hinzu. In den Beratungen der Pflegestützpunkte liegt ein Fokus deshalb auf einem möglichst langen Verbleib in den eigenen vier Wänden, der vertrauten Nachbarschaft – und damit auch auf einer pflegegerechten Wohnraumanpassung.
Übersehene Stolperfallen
„Dafür gibt es kein Schema F“, erklärt Andrea Didszun. Jedes einzelne Projekt ist individuell und muss auf die jeweiligen Bedürfnisse und baulichen Gegebenheiten abgestimmt werden.

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Beginnen sollte eine Wohnraumanpassung mit einem kritischen Rundgang durch die Wohnung, die angepasst werden soll. Solch eine „Inspektion“ unternimmt man am besten nicht allein. Kinder, Nachbarn und Freunde oder die Begleitung aus einem Pflegestützpunkt machen auf Stolperfallen aufmerksam, an die man sich längst gewöhnt hat und die doch rasch und unaufwendig beseitigt werden können:
• Weg mit losen Teppichen und Fußläufern.
• Das Wirrwarr herumliegender Kabel lässt sich in Kabelschächten bündeln.
• Bodenbeläge müssen rutschfest ausgestattet sein, vor allem in Küche und Bad.
• Alle Möbelstücke und Gegenstände, die im Weg stehen, lassen sich entfernen oder neu platzieren.
• Wo immer man geht, länger steht oder sitzt, sollte für einen Halt gesorgt sein.
• Eine Sitzerhöhung für die Toilette hilft, wenn das Aufstehen schwerer fällt.
Ein wichtiger Blick gilt dem Licht. Hell ausgeleuchtete Räume sorgen für Sicherheit. Gerade nachts ist der schnelle Griff zum Lichtschalter wichtig; ein Schummerlicht in der Steckdose kann den Weg zur Toilette weisen. „Es sind oft kleine Veränderungen, die das Leben erleichtern, Unfallgefahren minimieren und eine Wohnung an eingeschränkte Fähigkeiten anpassen“, weiß Andrea Didszun.
Finanzielle Hilfe aus der Pflegekasse
Um eine Wohnung wirklich barrierearm umzurüsten, sind aber oft bauliche Veränderungen unumgänglich. Dazu zählen:

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• die Entfernung von Türschwellen in der Wohnung oder das Anbringen von Rampen zur Überwindung von Schwellen,
• die Schaffung eines barrierefreien, mindestens aber barrierereduzierten Zugangs zum Haus, etwa über eine Rampe,
• breitere Türen, durch die ein Rollator oder ein Rollstuhl passt und
• der Einbau einer möglichst ebenerdigen Dusche.
Um all das zu planen und zu organisieren, braucht es Zeit. Das gilt auch für die Auswahl einer Fachfirma, die auf pflegegerechte Umbauten eingestellt sein sollte, aber häufig auf eine lange Wartezeit verweisen wird. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder auch größere Genossenschaften beauftragen übrigens oft selbst bestimmte Sanitärfirmen, die den Wohnungstyp kennen, routiniert und zeitsparend arbeiten – und nicht zuletzt im Kostenrahmen bleiben. Da zum Beispiel Badumbauten ziemlich ins Geld gehen können und längst nicht jeder Haushalt über die notwendigen Mittel verfügt, ist das kein ganz unwichtiger Faktor.

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An der Finanzierung gerade aufwendiger Bauarbeiten beteiligt sich die Pflegekasse, „wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird“ (§ 40 Abs. 4 Sozialgesetzbuch XI).
Ein Zuschuss kann bis zu 4180 Euro pro Maßnahme betragen und bei mehreren Pflegebedürftigen in einer Wohnung bis zu einem Gesamtbetrag von 16.720 Euro aufgestockt werden. Voraussetzungen für all das sind das Vorliegen eines Pflegegrades sowie die Beantragung und Bewilligung der Maßnahme im Vorfeld des Umbaus. Das heißt, man kann sich Kostenvoranschläge machen lassen, um zu kalkulieren, aber die Arbeiten dürfen noch nicht beauftragt worden sein.
Nicht zuletzt setzen Anpassungsmaßnahmen, die einen Eingriff in die Substanz des Gebäudes darstellen, immer auch die Zustimmung des Vermieters voraus.
Der Gesetzgeber hat zwar die Rechte älterer und behinderter Menschen in Mietwohnungen seit Jahren im Blick und mit dem Paragraf 554 BGB festgelegt: „Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen.“ Doch da heißt es ebenso, dass dieser Anspruch nicht besteht, „wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann“. Was „zumutbar“ ist, darüber lässt sich streiten. Ist es die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Balkon, wenn dafür ein neues Türelement eingebaut werden muss? Oder wenn der barrierefreie Zugang zum Haus einen Lift verlangt?
Dass längst nicht alle Vermieter offen für Anfragen nach baulichen Veränderungen sind und es mitunter Überzeugungsarbeit und gute Argumente braucht, weiß auch Andrea Didszun. Deshalb empfiehlt sie Hilfesuchenden einen Termin in einem der Pflegestützpunkte.
„Wir sind Anlaufstelle für alle, die sich in dem Pflege- und Hilfedschungel zurechtfinden müssen“, sagt sie. Dazu zählen bei weitem nicht nur Senior:innen oder Menschen mit Handicap, sondern auch ihre Kinder, Eltern, Partner: innen und Freunde.
Rosemarie Mieder
Flächendeckende Hilfe
Die 36 Berliner Pflegestützpunkte – drei in jedem Bezirk – beraten neutral und kostenfrei unter anderem zu vorbeugenden Maßnahmen, einer ambulant unterstützten Alltagsgestaltung und Hilfen im Haushalt, ebenso zu vielen Belangen rund um eine altersgerechte und barrierearme Wohnraumanpassung. Unter den folgenden Internet-Adressen finden Ratsuchende viele Informationen über weitere Leistungen der Pflegestützpunkte, pfiffige Alltagshelfer und eine Checkliste für einen Rundgang durch die Wohnung.
rm
www.pflegestuetzpunkteberlin.de/wp-content/uploads/2020/07/20200723_Endfassung_Web.pdf
www.pflegestuetzpunkteberlin.de/ratgeber_berlin_alltagshilfen-und-hilfsmittel
30.10.2025




