Da der Senat offensichtlich den erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ aussitzen will, strebt die Initiative nun ein neues Volksbegehren an. Ziel ist diesmal ein verbindliches Gesetz. Ein Entwurf dafür wurde jetzt vorgestellt.

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Am 26. September 2025, auf den Tag genau vier Jahre nach dem gewonnenen Volksentscheid, stellte die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ (DWE) ihren Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vor. Nachdem klargeworden ist, dass der Senat die geforderte Vergesellschaftung großer profitorientierter Wohnungsunternehmen partout nicht umsetzen will, haben sich die Aktivist:innen zu einem neuen Anlauf entschlossen – diesmal mit einem konkreten Gesetz. Sollte dies in einem Volksentscheid angenommen werden, würde es direkt in Kraft treten. Der Senat könnte es nicht mehr blockieren.

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Zwei Jahre hat die Erarbeitung des Gesetzentwurfes gedauert. Finanziert über Spenden hat die Anwaltskanzlei Geulen & Klinger gemeinsam mit der Initiative den Gesetzestext entworfen. „So viele Ehrenamtliche haben hunderte Stunden mitgewirkt – das habe ich in dieser Professionalität noch nicht erlebt“, sagt Jura-Professor Remo Klinger.
„Der Gesetzentwurf regelt alle wichtigen Fragen“, erklärt Armin Rothemann von DWE. Auf Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes sollen profitorientierte Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Gemeineigentum überführt werden. Jeweils 3000 Wohnungen dürfen sie behalten. Ausgenommen sind öffentliche, genossenschaftliche, gemeinnützige und kirchliche Wohnungsunternehmen. Innerhalb von 18 Monaten werden die Wohnungen in einer neuen Anstalt öffentlichen Rechts namens „Gemeingut Wohnen“ zusammengefasst. Gemeingut Wohnen bewirtschaftet die Wohnungen ohne Gewinnstreben und darf sie nicht veräußern. „So stoppen wir nicht nur die Mietenkrise, sondern schaffen auch eine langfristige Lösung“, sagt DWE-Sprecherin Isabella Rogner.

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„Wir rechnen damit, dass es um etwa 220.000 Wohnungen gehen wird“, so Rogner. Weil viele mutmaßlich vergesellschaftungsreife Unternehmen ihren Immobilienbesitz verschleiern, kann sie die Zahl vorerst nur schätzen.
Entschädigung kann über die Mieten finanziert werden
Für den Eigentumsverlust erhalten die Konzerne eine gerechte Entschädigung, die sich am Bewertungsgesetz des Bundes orientiert. „Wir entschädigen den Teil des Wertes, der durch eigene Leistung entstanden ist“, erklärt Armin Rothemann. „Nicht entschädigt wird der Wert, der durch Spekulation entstanden ist.“ Das bedeutet konkret, dass der Gebäudewert vergütet wird, nicht aber die Bodenwertsteigerung seit 2013, denn dazu haben die Konzerne nichts beigetragen. Unterm Strich werden dadurch 40 bis 60 Prozent des heutigen Marktwertes entschädigt, insgesamt rund 18 Milliarden Euro. „Die Entschädigungssumme kann komplett aus den Mieten getragen werden und belastet nicht den Berliner Haushalt“, versichert Armin Rothemann. Die Refinanzierung aus den Mieteinnahmen soll über einen Zeitraum von 100 Jahren mit einer dreiprozentigen Verzinsung erfolgten.
Weil es ohne Zweifel viele Angriffe gegen das Vorhaben geben wird, war der oberste Maßstab für den Gesetzentwurf die Rechtssicherheit und die Umsetzbarkeit. „Eine sehr gute Basis für unseren Gesetzentwurf ist der Kommissionsbericht“, sagt Remo Klinger. Die vom Senat eingesetzte Expertenkommission kam 2023 zu dem Schluss, dass die angestrebte Vergesellschaftung von Wohnkonzernen nach dem – bisher nie angewandten – Artikel 15 verfassungskonform und machbar ist. „Ich bin sehr sicher, dass dieser Gesetzentwurf trägt“, meint Remo Klinger.

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Die Initiative DWE will nun den Entwurf öffentlich diskutieren. Die Rückmeldungen sollen in den Gesetzentwurf einfließen, der bis Ende des Jahres seine endgültige Fassung bekommt. Damit will DWE im Laufe des Jahres 2026 ein neues Volksbegehren anmelden. Es sind dann erneut zwei Phasen der Unterschriftensammlung zu absolvieren, bis die Wahlberechtigten in einem Volksentscheid darüber abstimmen können. Durch das Prozedere, das von Politik und Verwaltung noch in die Länge gezogen werden kann, ist für die Abstimmung der Termin der Abgeordnetenhaus-Wahl im September 2026 nicht mehr zu bewerkstelligen.
Der Berliner Mieterverein (BMV) begrüßt den „fundierten“ Gesetzentwurf. „Die Initiative hat damit gezeigt, wie kreativ, kollektiv, klug und selbstorganisiert mit den schwerwiegenden Wohnungsmarktproblemen umgegangen werden kann“, sagte Ulrike Hamann-Onnertz aus der BMV-Geschäftsführung am Tag der Vorstellung des Entwurfs. DWE habe „die Arbeit gemacht, die der Senat seit Jahren nicht erledigt“.
Wenn Berlin nicht handelt, müssen die Berliner:innen handeln
Linke und Grüne unterstützen den DWE-Gesetzentwurf. „Die Initiative gibt mit ihrem Entwurf vollumfänglich Antwort auf alle juristischen Fragen zur Bestimmung und Anwendung, zur Entschädigung und zum konkreten Ablauf der Vergesellschaftung von großen Immobilienbeständen inklusive Zuständigkeiten und Fristen“, lobt der Linken-Landesvorsitzende Maximilian Schirmer. Er appelliert an den Senat, den Volksentscheid endlich umzusetzen. „Es gibt jetzt keine Ausreden mehr“, so Schirmer.
„Weitere vier Jahre Stillstand können wir uns nicht mehr leisten“, stellt Grünen-Fraktionschef Werner Graf fest. „Wenn die Regierung nicht handelt, müssen die Berliner:innen eben selbst den Mut haben, den erfolgreichen Volksentscheid auch zur Umsetzung zu bringen.“
Der SPD-Spitzenkandidat Steffen Krach hat zwar genau wie seine Vorgängerin Franziska Giffey verkündet, mit ihm werde es keine Enteignungen geben. Doch nun will er auch mit der DWE-Initiative reden. Die Berliner CDU bleibt hingegen auf Konfrontationskurs: Fraktionschef Dirk Stettner, selbst Immobilienunternehmer, tat den Gesetzentwurf von DWE im Tagesspiegel als „blanken Populismus“ ab. Die FDP hielt während der Vorstellung des Gesetzentwurfes sogar eine Kundgebung mit dem diffamierenden Motto „Bauen statt klauen“ ab – so als wäre eine Vergesellschaftung dasselbe wie Diebstahl gegen Entschädigung.
„Wir hauchen dem Artikel 15 Leben ein“, entgegnet DWE-Sprecherin Isabella Rogner. „Die Berliner:innen haben es in der Hand.“
Jens Sethmann
Entwurf des Vergesellschaftungsgesetzes:
dwenteignen.de/unser-gesetz
Spendenkampagne der Initiative zur Deckung ihrer Ausgaben:
dwenteignen.de/spenden
Rahmen ohne Inhalt
Um dem Volksentscheid von 2021 pro forma genüge zu tun, will der Senat erstmal ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ beschließen. Dieses soll allgemein die Grundsätze für etwaige Vergesellschaftungen in Berlin festlegen. Ob daraufhin konkrete Schritte folgen, steht auf einem anderen Blatt. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat zunächst ein Rechtsgutachten darüber in Auftrag gegeben, ob ein Vergesellschaftungsrahmengesetz verfassungskonform wäre. Den Zuschlag für das 100.000 Euro schwere Gutachten erhielten die Wirtschaftsrechts-Großkanzlei Greenberg Traurig und die auf Verwaltungsrecht spezialisierten Anwälte von Redeker Sellner Dahs. Beide Kanzleien sind in Berlin keine Unbekannten: Redeker Sellner Dahs hat für einzelne Wohnungsunternehmen Verfassungsbeschwerde gegen den Berliner Mietendeckel erhoben. Greenberg Traurig vertreten unter anderem die Vonovia. Bei der Mega-Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen war die Kanzlei beratend tätig. Man darf gespannt sein, wie sehr sich diese Juristen dafür ins Zeug legen, den Weg für die Vergesellschaftung eines ihrer großen Mandanten zu bahnen. Ende Oktober (nach MieterMagazin-Redaktionsschluss) soll das Rechtsgutachten vorliegen.
js
30.10.2025




