Wer aus der gemeinsamen Wohnung flüchtet, weil der Partner gewalttätig geworden ist, kommt oft nur schwer aus dem gemeinsamen Mietvertrag. Doch es gibt Hoffnung auf Verbesserungen für Betroffene. Die Justizminister:innen der Länder fordern vom Bund Maßnahmen, die eine schnelle Beendigung des Mietverhältnisses erlauben.

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Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. In Berlin sind die Zahlen alarmierend: 19 213 Fälle wurden im Jahr 2024 zur Anzeige gebracht – der höchste Wert der letzten zehn Jahre. 71 Prozent der Betroffenen waren weiblich. Wer aus der gemeinsamen Wohnung flüchten muss, hat bislang häufig Probleme, einen neuen Mietvertrag einzugehen. Denn ein gemeinsamer Mietvertrag muss auch gemeinsam gekündigt werden. Verweigert der gewalttätige Partner die Unterschrift, kommen Betroffene nicht aus dem Vertrag heraus und haften weiterhin für Miete und mögliche Schäden. Die Anmietung einer neuen Wohnung ist wegen der Doppelbelastung oft nicht leistbar.

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Zwar haben sie in der Regel einen Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung, müssen dieses Recht im Streitfall aber in einem Zivilprozess beziehungsweise bei Ehepartnern vor einem Familiengericht geltend machen. Dadurch können gewalttätige Partner noch länger Kontrolle über das Leben Betroffener behalten. Um hier Erleichterungen zu erreichen, hat die Konferenz der Länder-Justizministerinnen und -Justizminister Anfang Juni einen Beschluss gefasst, der die Beendigung gemeinsamer Mietverträge beschleunigen soll. Konkret fordern sie Bundesjustizministerin Stefanie Hubig auf, „zeitnah Möglichkeiten gesetzlicher Regelungen zu prüfen, mit denen die Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs gegen den Mitmieter vereinfacht und beschleunigt wird“. Auch Berlins Justizministerin Felor Badenberg hatte kürzlich gegenüber dem Tagesspiegel geäußert, von häuslicher Gewalt Betroffene müssten so schnell wie möglich aus der Wohnung ausziehen können.
Berlin zieht mit am selben Strang
Dr. Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, begrüßt den Vorstoß der Berliner Justizsenatorin und hofft, dass die Bundesjustizministerin schnell handelt. Durch den katastrophal verengten Wohnungsmarkt hätten es nicht nur Frauen in Gewaltbeziehungen schwer, eine neue Wohnung und damit Abstand zu ihrem gewalttätigen Ex-Partner zu finden. Sämtliche Paare, die sich trennen möchten, können die Trennung praktisch schwer vollziehen, weil eine zusätzliche Wohnung fast doppelt so teuer ist wie die alte. Hamann-Onnertz: „Dass man außerdem vertraglich weiter gebunden bleibt, wenn der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin nicht den Mietvertrag aufgeben möchte, ist einfach lebensfern und muss dringend verbessert werden.“
Katharina Buri
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Gesetzlicher Schutz gegen häusliche Gewalt
Das bundesweit geltende Gewaltschutzgesetz hat den Schutz vor Gewalt und Nachstellungen, insbesondere im häuslichen Bereich, zum Ziel. Es sieht unter anderem Näherungsverbote und Wohnungszuweisungen vor.
Das erst im Februar in Kraft getretene Gewalthilfegesetz gibt von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung, der ab 2032 auch einklagbar sein wird. Ab 2027 müssen die Bundesländer flächendeckend Schutz- und Beratungsangebote sicherstellen.
Die Novelle des Berliner ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) sieht weitere Möglichkeiten zur Verhinderung von häuslicher Gewalt vor. So kann künftig ein Betretungsverbot der gemeinsamen Wohnung für 28 statt 14 Tage ausgesprochen werden. Auch die elektronische Fußfessel nach spanischem Modell soll für als gefährlich eingestufte Ex-Partner:innen mit Annäherungsverbot kommen. Zudem sind nun Fallkonferenzen für Hochsicherheitsfälle möglich, bei denen alle beteiligten Stellen sich austauschen können.
kb
01.10.2025




