Im Juni legte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) einen Entwurf für die Änderung des Genossenschaftsgesetzes vor. Was bringt die geplante Gesetzesänderung?

Genossenschaften bilden seit über 100 Jahren eine Säule der Wohnungsversorgung: Kolonie Adlershof, circa 1890
Illustration: Genossenschaftsforum
Genossenschaften spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit sicherem bezahlbarem Wohnraum. Anders als gewinnorientierte Wohnungskonzerne sind sie gesetzlich zur Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet. Aber auch Genossenschaften erhöhen mitunter das Nutzungsentgelt so weit, wie es der Mietspiegel hergibt, manche verdichten ihre Quartiere und zerstören Grünflächen oder reißen sogar günstigen Wohnraum ab, um teuer neu zu bauen. Zwar gelten Genossenschaften als demokratisch, denn jedes Mitglied hat, unabhängig von der Höhe der Einlage, eine Stimme. Aber auf die Geschäftspolitik haben die Mitglieder keinen Einfluss. Das war nicht immer so. Bis 1973 konnte die Generalversammlung der Mitglieder oder ihrer Vertreter über die Geschäftsführung des Vorstands beschließen. Dann wurde das Genossenschaftsgesetz so geändert, dass der Vorstand „die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten“ hat (§ 27 GenG). Statt langwierige demokratische Entscheidungsprozesse zu durchlaufen, sollten Genossenschaften in die Lage versetzt werden, am Markt wettbewerbsfähig zu sein. Nur in kleinen Genossenschaften bis 20 Mitglieder darf seit 2017 der Vorstand an Beschlüsse der Generalversammlung gebunden werden.
Mitbestimmung bis zu welcher Mitgliederzahl?
Im Juli 2024 hatte das Justizministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem jede Genossenschaft in der Satzung hätte vorsehen können, „dass der Vorstand an Weisungen der Generalversammlung oder eines aus der Mitte der Generalversammlung gebildeten Entscheidungsgremiums gebunden ist“. Die damalige Bundesregierung schränkte dies auf Genossenschaften bis zu 1500 Mitglieder ein. Aufgrund der Neuwahl kam es nicht mehr zu einer Abstimmung im Bundestag.
Nun hat das Justizministerium einen ähnlichen Vorschlag mit der gleichen Größenbeschränkung veröffentlicht. Die 30 größten Genossenschaften in Berlin haben mehr als 3000 Mitglieder, sie beträfe das nicht. Eine entsprechende Auflistung hat die Initiative „Die Genossenschafter:innen“ kürzlich veröffentlicht. Enttäuscht stellte Jan Kuhnert, Vorsitzender des Bundesvereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens, fest, dass mit dieser Begrenzung „leider offenbar der Kritik von Genossenschaftsverbänden gefolgt“ wurde.

Foto: Nils Richter
Mit der Gesetzesänderung soll auch die „missbräuchliche Verwendung“ der Rechtsform verhindert werden – beispielsweise, indem das Stimmrecht „investierender Mitglieder“, an die die Genossenschaft vermietet, ausgeschlossen werden kann. Der Jurist Mathias Fiedler, Vorstandssprecher des Zentralverbands deutscher Konsumgenossenschaften, erläutert auf Nachfrage: „Ob es weniger Fake-Genossenschaften geben wird, hängt von der Qualität der Prüfungsverbände ab. Und der Kreativität der Berater, den eigentlichen Zweck zu verschleiern.“ Allerdings stärke der Gesetzentwurf „im Wesentlichen die Nutzungsorientierung“. Es komme darauf an, wie der Förderzweck der Genossenschaft und die Anforderungen an die nutzenden Mitglieder definiert werden.
Mit den rechtlichen Änderungen sollen auch die Genossenschaftsgründung erleichtert und die Digitalisierung gefördert werden.
Elisabeth Voß
Gesetzesänderungen und Stellungnahmen
Der Gesetzentwurf wurde am 25. Juni vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) veröffentlicht. In einer Zusammenstellung sind die geplanten Änderungen zur derzeitigen Rechtslage übersichtlich aufgeführt. Ebenfalls veröffentlicht wurden die Stellungnahmen von Verbänden und genossenschaftlichen Interessenvertretern:
www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/0625_Genossenschaften.html
ev
29.08.2025




