Der schwedische Wohnungsmarkt funktioniert auf andere Weise als der Mietmarkt in Berlin. Lisa Vollmer, Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Erkner, arbeitet zu Wohnungspolitik und sozialen Bewegungen. Das MieterMagazin hat mit ihr über ihre Forschungen in Malmö gesprochen.

Foto: Sabine Mittermeier
MieterMagazin: Frau Vollmer, was ist anders auf dem Wohnungsmarkt in Malmö als hier in Berlin?
Vollmer: In Schweden werden Mieten nicht individuell zwischen Mieter und Vermieter festgelegt, sondern kollektiv zwischen dem landesweiten Mieterbund („Hyresgästföreningen“) und den Vermietern, darunter auch große kommunale und private Wohnungsunternehmen. Die Verhandlungen über Miethöhen erfolgen in der Regel jährlich und orientieren sich am Gebrauchswertprinzip. Das bedeutet, dass die Miethöhe sich nicht am Marktpreis oder an spekulativen Entwicklungen orientieren darf, sondern an objektiven Kriterien wie Lage, Zustand, Ausstattung und Baujahr der Wohnung. Ziel ist eine faire Miete, die sowohl für Vermieter wirtschaftlich tragfähig als auch für Mieter bezahlbar ist.
Durch EU-Gesetzgebung verändert
MieterMagazin: Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?
Vollmer: Der schwedische Mieterbund vertritt mehrere Hunderttausend Haushalte und ist in allen Regionen stark verankert. Er führt die jährlichen Mietverhandlungen stellvertretend für die Mieterinnen und Mieter. Kommt es zu keiner Einigung, kann ein spezielles Schiedsgericht, die Hyresnämnden, angerufen werden, das dann die Angemessenheit einer Mieterhöhung prüft und verbindlich entscheidet. Dabei spielen Vergleichsmieten und Gebrauchswerte eine zentrale Rolle, und eben nicht allein die Marktlage.

Foto: Thomas Möller
MieterMagazin: Klingt toll. Sind Sie bei Ihrer Forschung auch auf Probleme gestoßen?
Vollmer: Das System hat über viele Jahre zu relativ stabilen Mieten geführt und galt international als sozial ausgewogen. Allerdings ist es in den letzten 15 Jahren, auch unter dem Einfluss von EU-Gesetzgebungen, so verändert worden, dass es mehr Spielraum für Mieterhöhungen gibt. Außerdem setzen vor allem große, finanzialisierte Vermieter die Axt am System an.
Ein besonders kontroverser Moment
in der Geschichte dieses Systems war das Jahr 2023, als einige Vermieter in Malmö versucht haben, die Mieten innerhalb eines Jahres zweimal zu erhöhen – einmal regulär und einmal mit Verweis auf gestiegene Betriebskosten durch die Energiekrise. Diese Forderung führte zu einem massiven Protest von Mieterinnen und Mietern. Durch diesen Druck von unten hat sich der Mieterbund schließlich motivieren lassen, auch gegen die zweite Erhöhungsrunde vorzugehen. Durch eine gezielte Organisierungskampagne wurden massenhaft Mieter:innen dazu bewegt, in einen Mieterhöhungsstreik zu treten und der zweiten Mieterhöhung nicht zuzustimmen. Das ließ die Vermieter schließlich von ihrer Forderung abrücken. Der Konflikt machte deutlich, wie wichtig die Rolle der organisierten Mieterschaft in Schweden ist und dass das Agieren von finanzialisierten Wohnungsmarktakteuren ein Umdenken der politischen Strategie im Mieterbund notwendig macht.
Das Gespräch führte MieterMagazin-Autor Stefan Klein
Groß geworden mit dem Wohlfahrtsstaat
Der Schwedische Mieterbund (Hyresgästföreningen) wurde 1923 gegründet, in einer Zeit großer Wohnungsnot und sozialer Ungleichheit. Anfangs war er ein Zusammenschluss lokaler Mietervereine, die sich gegen überhöhte Mieten und schlechte Wohnbedingungen wehrten. Insoweit gleicht die Entwicklung der in Deutschland. In den 1930er und 40er Jahren wuchs die Organisation stark, parallel zum Ausbau des schwedischen Wohlfahrtsstaats. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte der Mieterbund eine zentrale Rolle beim Aufbau eines sozialen Wohnungsmarktes. Besonders prägend war das sogenannte „Miljonprogramm“ der 1960er und 70er Jahre, bei dem eine Million Wohnungen gebaut wurden – oft unter Mitwirkung des Mieterbunds. Seitdem setzt er sich kontinuierlich für kollektive Mietverhandlungen und soziale Wohnungspolitik ein.
stk
27.06.2025




