London zählt zu den Städten mit den höchsten Mietpreisen der Welt. Ein Trend findet dort seit Jahren immer mehr Anhänger:innen: Um Mietkosten zu sparen, bewohnen Menschen gegen eine geringe Gebühr leerstehende Gebäude. Das Modell hat jedoch gravierende Nachteile.

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Der amerikanische Fernsehsender CNN porträtierte unlängst Luke Williams, 45, Projektmanager einer Tech-Firma, der als „Property Guardian“ (zu deutsch „Eigentumswächter“) ein leerstehendes Bürogebäude in London bewohnt.
Dafür bezahlt Williams nur einen Bruchteil dessen, was er normalerweise an Miete für eine an Fläche vergleichbare Wohnung überweisen müsste. Der Eigentümer wiederum spart sich den teuren Sicherheitsdienst, weiß sein Haus in guten Händen, geschützt vor Vandalismus und Einbruch oder Besetzung. Die Räume werden durch den „Guardian“ regelmäßig geheizt, die Leitungen durchgespült, alles instandgehalten. Zudem wird wertvoller Raum in Innenstädten nicht dem Leerstand preisgegeben.
Der Urlaub vom Wohnen muss genehmigt werden
Das Konzept ist nicht neu: Es entwickelte sich bereits in den 1980er Jahren in den Niederlanden, um illegale Hausbesetzungen einzudämmen. In den frühen 2000ern schwappte die Idee dann nach Großbritannien und traf auf dem angespannten Wohnungsmarkt einen Nerv. Medienberichte beziffern die Anzahl der britischen „Wächter:innen“ aktuell mit mehr als 13 000. Sie leben in leerstehenden sanierungsbedürftigen öffentlichen Gebäuden wie Feuerwehrstationen, Kirchen, Schulgebäuden – aber auch in Wohnungen, die beispielsweise vor der Neuvermietung noch renoviert werden sollen. Die steigenden Mietpreise sorgen für wachsendes Interesse in der Bevölkerung; Medien berichten von zehntausenden Bewerbungen. Spezialisierte Firmen vermitteln zwischen Eigentümer:innen und Bewerber:innen. Positive Stimmen bewerten das Modell als „Win-win“-Situation für Eigentümer:innen und „Guardians“. Teilweise leben diese seit Jahren in unterschiedlichen Zwischennutzungen, mitunter in Top-Lage und auf großer Fläche.

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Immer lauter werden aber auch kritische Stimmen. Bemängelt wird, dass die „Wächter:innen“ kaum rechtlichen Schutz genießen. Da sie keinen Mietvertrag haben, können sie innerhalb kürzester Zeit auf die Straße gesetzt werden. Viele Verträge schließen Besuch aus, und Kinder oder Haustiere dürfen nicht mit einziehen. Teilweise ist es den Bewohner:innen untersagt, mit der Presse zu sprechen. Und Räume dürfen von den Eigentürmer:innen jederzeit inspiziert werden. Die Nutzungsgebühr kann jederzeit erhöht werden, wohingegen man sich Urlaub schriftlich genehmigen lassen muss. Viele der Gebäude sind zur Renovierung oder zum Abriss vorgesehen und in einem entsprechend schlechten Zustand, teilweise ohne Strom, Heizung oder fließend Wasser. Die britische Zeitung „Guardian“ berichtete schon 2015 von „Zuständen wie in Hühnerställen“, von Flächen, die mit Sperrholzwänden unterteilt wurden und über kein natürliches Licht und keine Belüftung verfügten. Menschen, die sich die hohen Mieten in London und anderen Ballungsräumen nicht leisten können, würden durch das Konzept zu „Mieter:innen zweiter Klasse“. Expert:innen fordern eine stärkere Regulierung.
Katharina Buri
Hauserhalt durch Nutzung: die Leipziger Wächterhäuser
Auch in Deutschland gibt es seit Jahren Bestrebungen, leerstehende Gebäude von „Wächter:innen“ bewohnen zu lassen, um sie gegen Vandalismus und Witterungsschäden zu schützen. Der 2004 gegründete Verein HausHalten e. V. hat in Leipzig weit über 100 Nutzer:innen in leerstehende Gebäude, so genannte „Wächterhäuser“, vermittelt. Das Erfolgsmodell wurde später auf Leipziger Ladenlokale ausgeweitet – und auf weitere ostdeutsche Städte übertragen, darunter Dresden und Erfurt. In Leipzig scheint das Modell inzwischen an seine Grenzen zu kommen: Der jahrzehntelange Leerstand weicht rasantem Zuzug von Leuten, die sich um eine Unterkunft bemühen; „Hypezig“ ist jetzt eine der am schnellsten wachsenden Städte Deutschlands.
kb
Viele Informationen rund um die Leipziger Wächterhäuser finden sich auf den Seiten des dahinterstehenden Vereins:
www.haushalten.org/de/index.asp
07.05.2025