Wie fühlt es sich an, ein Zuhause zu verlieren, das man sich gerade erst mühsam aufgebaut hat? In unserer neuen Podcast-Folge erzählt David, was es bedeutet, wenn dieses Zuhause nicht nur eine Wohnung ist, sondern die einzige vertraute Gemeinschaft in einer fremden Stadt.
David ist in Rumänien geboren und Teil der Berliner Rom:nja-Community. 2015 zieht seine Familie in einen großen Wohnblock in der Straße der Pariser Kommune in Friedrichshain. Rund 300 Menschen leben dort, viele von ihnen Rom:nja. Für David wird dieser Ort zu einem Stück Heimat in der Fremde.
„Da waren schon Familien aus unserer Community. Sie haben uns als Neulinge in Deutschland aufgefangen und geholfen, in einer Großstadt wie Berlin anzukommen“, erinnert er sich. Die Gemeinschaft bietet Schutz in einer Stadt, in der Ausgrenzung und Rassismus allgegenwärtig sind. Hier fühlt David sich sicher und kann auf Nachbar:innen zählen.
→ Jetzt reinhören: „Eine starke Community – Als Rom:nja auf dem Berliner Wohnungsmarkt“
Schikane auf allen Ebenen
Doch die Sicherheit währt nicht lange. Ab 2018 verschlechtern sich die Bedingungen im Block dramatisch: „Es gab Probleme im Haus“, sagt David. „Im Treppenhaus fiel der Strom aus. Wochenlang hatten wir kein Wasser. Im Winter blieben die Heizungen kalt. Nach einem Rohrbruch im Keller überschwemmten Abwasser und Fäkalien die Gemeinschaftsräume, während Kinder daneben spielten. Gefühlt ging nichts mehr. Reparaturen wurden nicht fachgerecht erledigt, verschleppt oder schlicht ignoriert.“
Parallel verfolgt die Vermieterin offenbar eine Strategie der Entmietung. Sie kündigt die Müllabfuhr und lädt Müllsäcke im Hof ab. „Es gibt Videos, die das dokumentieren“, sagt David. Gerüchte über einen bevorstehenden Abriss verbreiten Angst und Unsicherheit. David erinnert sich: „Wir hatten monatelang keine Perspektive. Sie hat uns angelogen, hingehalten und immer wieder vertröstet.“
Die Gemeinschaft zerbricht
Schließlich müssen die Bewohner:innen ausziehen. Die Gemeinschaft bricht auseinander. Familien werden getrennt – auch Davids. Seine schwerbehinderte Schwester braucht barrierefreien Wohnraum – in Berlin fast unmöglich zu finden. „Ich musste allein ausziehen. Meine Familie kam woanders unter. Die Orte, wo wir uns getroffen haben, die Menschen, die wir kannten – alles war weg.“
Diskriminierung als Dauerzustand
In dieser Zeit begleiten Fachstellen wie Gangway Friedrichshain sowie Initiativen wie „Fair mieten – Fair wohnen“ die Community. Sie dokumentieren Schäden, helfen bei der Kommunikation mit Ämtern und versuchen, politische Unterstützung zu mobilisieren. In dieser Krise spielt Esther eine wichtige Rolle. Sie kennt die Berliner Situation aus politischer und sozialer Perspektive: „Viele marginalisierte Gruppen erfahren systematische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Ablehnungen aufgrund des Nachnamens, der Herkunft oder des Aussehens sind Alltag. Viele Vermieter:innen nutzen die prekäre Lage aus, erwarten sogar, dass Bewohner:innen selbst Reparaturen durchführen“, sagt sie.
David schildert die psychische Belastung: Existenzangst, Unsicherheit, das Gefühl von Isolation. Die Wohnungssuche wird zur zermürbenden Routine. Immer wieder scheint zunächst alles zu passen – Besichtigung, Zusage, Mietkonditionen. Doch kurz darauf ziehen Vermieter:innen die Angebote zurück. Die Suche beginnt von vorn.
Sehnsuchtsort Community
Trotz aller Enttäuschungen bleibt David engagiert. „Ich würde mir einfach wünschen, dass ich wieder in meiner Community wohnen kann – egal wo. Hauptsache die Familien sind wieder beieinander und alle können sich sicher fühlen“, sagt David.
Diese Podcast-Folge beleuchtet die systematische Diskiriminerung, die marginalisierte Gruppen erfahren. Sie wirft einen Blick auf eine Community, die für die meisten Berliner:innen unsichtbar ist.
Davids Geschichte zeigt: Wohnraum für alle ist ein Grundrecht. Es geht nicht um Luxus, sondern um Sicherheit, Identität, Nähe und Teilhabe. Berlin braucht dringend Konzepte, die marginalisierte Gruppen schützen und diskriminierungsfreie Zugänge schaffen. Nur so kann die Stadt Gemeinschaften erhalten, die sonst unter den prekären Bedingungen des Berliner Wohnungsmarktes zerfallen würden.
Genau wie Liya („Vom Leben in überbelegten Wohnungen“), Amir („Wohnen nach der Flucht“) und Jonas („Neustart nach der Haft“) erzählt David seine Geschichte selbst.
fs
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18.11.2025




