Angesichts der teils prekären Zustände in den landeseigenen Wohnungsbeständen war eine berlinweite Vernetzung der LWU-Mieter:innen längst überfällig. Heike Kasten-Nkongolo, Mieterrätin bei Stadt und Land, gehört zu denjenigen, die den Stein ins Rollen gebracht haben. Ein Gespräch über strukturelle Probleme, soziales Empowerment und politische Ziele.
Heike Kasten-Nkongolo wohnt in einem Altbau der Stadt und Land in Neukölln. Mieterrätin wurde sie eher zufällig: Als 2022 die Wahlbenachrichtigung im Briefkasten lag, beschloss sie spontan, zu kandidieren. Sie landete zunächst auf Platz zwei und rückte nach, als die Erstplatzierte absprang. Als Mieterrätin vertritt sie alle Mieter:innen ihres landeseigenen Wohnungsunternehmens. Der Mieterrat hat eine Stimme im Aufsichtsrat – nicht zu verwechseln mit Mieterbeirät:innen, die für einzelne Siedlungen zuständig und damit näher am Wohnalltag der Menschen sind. Heute ist sie Mitinitiatorin der berlinweiten Vernetzung der LWU-Mieter:innen.
Frau Kasten-Nkongolo, das ist ein großes Vorhaben. Waren Sie mit Ihrer eigenen Nachbarschaft nicht schon ausgelastet?
Tatsächlich gibt es in meinem Haus keine dramatischen Probleme. Man kennt sich, vieles funktioniert, das ist schön. Der Impuls entstand aus meiner Arbeit im Mieterrat. Vor rund zwei Jahren organisierten wir ein großes Treffen mit Initiativen, Hausgemeinschaften, Mieterräten und Mieterbeiräten – also allen, von denen wir wussten, dass sie sich für ihre Häuser engagieren. Dort sammelten wir Probleme wie Sanierungsstau, geschlossene Servicebüros, schlechte Erreichbarkeit und fehlende Instandhaltung. Politischer Auslöser waren zudem die massiven Mieterhöhungen im Zuge der neuen Kooperationsvereinbarung, die wieder deutliche Erhöhungen zulässt. Seit diesem ersten Treffen arbeiten wir kontinuierlich zusammen.
Wer ist Teil der Vernetzung?
Vertreter:innen aus Mietinitiativen, Hausgemeinschaften, Mieterrät:innen und Mieterbeirät:innen. Meist sind wir etwa 20 Personen pro Arbeitstreffen. Aber wir brauchen noch deutlich mehr Mieter:innen, damit die Arbeit nicht auf wenigen Schultern lastet. Wir laden alle ein, einen kleinen Teil beizutragen. Wir sind viel schlagkräftiger, wenn wir uns berlinweit zusammentun.
Was sind die ersten Erfolge?
Ein zentraler erster Schritt war die Neuentwicklung eines Forderungskatalogs – auch, weil wir die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September 2026 aktiv begleiten wollen. Der Wohnungsbestand des Landes Berlin ist ein wichtiges Instrument in den Händen einer neuen Landesregierung, gerade angesichts der Mieten- und Klimakrise. Dafür braucht es eine soziale Wende in der Wohnraumversorgung.
Wir befassen uns aber auch mit ganz grundsätzlichen Fragen. Warum stehen beispielsweise Wohnungen der öffentlichen Hand unter einem so hohen wirtschaftlichen Druck? Und warum sind die LWU in ihrer Rechtsform noch immer privatwirtschaftlich organisiert? Denn nicht nur der Wohnungsneubau lastet auf den Unternehmen – und damit automatisch auf den Mieten –, sondern auch die energetische Sanierung muss in den folgenden Jahren dringend vorankommen. Immerhin reden wir über mehr als 360.000 Wohnungen, die dauerhaft bezahlbar bleiben müssen. Der Bedarf ist riesig!
Wie haben Sie Ihre zentralen Forderungen erarbeitet?
Einige Punkte waren sofort klar: Wir wollen die Wohngemeinnützigkeit für die LWU, Transparenz und echte Mitbestimmung. Mitbestimmung funktioniert nur, wenn Mieterrät:innen und Mieterbeirät:innen ernsthaft zusammenarbeiten und genau dafür auch ein Unterstützungsrahmen existiert. Momentan fühlen sich einige gewählte Vertreter:innen eher wie in einer Beschäftigungstherapie denn als Beteiligte, die ernst genommen werden.
Andere Forderungen, etwa zur Rechtsform der landeseigenen Wohnungsunternehmen, wurden kontrovers diskutiert. Einige befürworten das Genossenschaftsmodell, andere eine Anstalt öffentlichen Rechts, wie bei den Berliner Wasserbetrieben. Der Forderungskatalog ist nicht starr, aber eine gute Grundlage – auch für weitere Diskussionen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit praktisch?
Wir treffen uns jeden dritten Montag im Monat, meist auf dem Dragonerareal hinter dem Finanzamt am Mehringdamm in Kreuzberg. Dazu gibt es einen E-Mail-Verteiler, über den Protokolle und Informationen laufen. Eine feste Arbeitsgruppe beschäftigt sich spezifisch mit den Mieterhöhungen. Weitere Arbeitsgruppen gibt es bislang nicht, sollen aber folgen.
Welche Probleme melden die Mieter:innen aus den Beständen der LWU am häufigsten?
Überall sind die Berichte ähnlich: kaum erreichbare Verwaltungen, lange Reparaturzeiten, marode Aufzüge, Vermüllung, insgesamt schlechte Kommunikation. Wer nicht extrem hartnäckig ist, bekommt oft gar keine Rückmeldung auf Mängelanzeigen. Das frustriert viele zunehmend. Die Ängste der Menschen sind größer geworden: steigende Mieten, hohe Heizkosten, Unsicherheit. Das wirkt sich auch auf den Umgang zwischen Mietenden und LWU aus; der Ton ist rauer geworden, so wie auch sonst in der Gesellschaft.
Ein großes Problem sind geschlossene oder fehlende Servicebüros. Viele ältere Menschen haben keinen digitalen Zugang und sind ohne Anlaufstellen vor Ort wirklich aufgeschmissen. Auch Menschen, die unsere Sprache noch nicht so gut sprechen, sind auf persönliche Gespräche angewiesen. Ein landeseigenes Unternehmen darf niemanden ausschließen.
Gab es Orte, an denen besonders sichtbar wurde, dass diese Probleme systematisch sind?
Ja. Im Rollbergkiez gab es massive Sanierungsprobleme und einen eklatanten Mangel an Mitbestimmung. Vieles wurde über die Köpfe der Mieter:innen hinweg umgesetzt, Informationen kamen kurzfristig, die Zustände auf den Baustellen in der Siedlung waren teils unwürdig für die Mieter:innen. Der Kiezrat Rollberg hat dort 800 Unterschriften für sozialverträgliche Sanierungen und eine bessere Kommunikation gesammelt.
Auch in Schöneberg laufen inzwischen Gespräche zwischen einer Initiative und der Gewobag, wenn auch stockend. Die Vielzahl ähnlicher Fälle zeigt, dass es sich um strukturelle Probleme handelt – nicht um Einzelfälle. Betroffen sind oft größere Siedlungen.
Wie wirkt der Austausch über Siedlungsgrenzen hinweg?
Sehr empowernd. Das Wichtigste: Wir sind nicht allein. Wir können voneinander lernen und gemeinsame Strategien entwickeln. Ich wünsche mir sehr, dass noch mehr Mieterrät:innen und -beirät:innen bei unserer Vernetzung mitmachen – da ist noch viel Luft nach oben. Die Kombination aus lokaler Erfahrung und berlinweiter Vernetzung ist sehr wirksam; durch die Treffen bleiben wir auf dem Laufenden. Im Netzwerk der Mietergremien der Senatsverwaltung ist deutlich geworden, dass wir ein unabhängiges Netzwerk brauchen – das haben wir jetzt mit der LWU-Vernetzung!
Eine zentrale Forderung lautet: Neubau darf nicht über Mieten finanziert werden. Warum?
Wohnen ist ein Grundrecht. Meine Miete soll die Instandhaltung und wichtige Investitionen in klimagerechte Sanierungen sowie Barrierefreiheit sichern – nicht den Wohnungsneubau finanzieren. Der Druck auf die Mieten ist durch die derzeitige Wohnungsbaupolitik des Senats enorm. Gerade wurde die dritte Mieterhöhungswelle seit Antritt des aktuellen Senats offenkundig, weitere 90.000 Haushalte sind betroffen.
Und nicht nur das: Weil die Fördermittel und Eigenkapitalzuführungen bislang nicht ausreichen, werden beim Neubau der LWU immer noch teure frei finanzierte Wohnungen errichtet, um die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen zu sichern. Das müsste nicht sein. Die Wohnraumversorgung ist Aufgabe des Staates, dieser bedient sich der LWU als wesentliche Bau-Akteure, aber dann müssen hier auch ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, damit Mieten und Nebenkosten für die Bestandsmieter:innen erträglich bleiben.
Gerade die energetischen Sanierungen machen vielen Mieter:innen Angst, weil unklar ist, wie sie umgesetzt und bezahlt werden sollen. Das gesamte privatwirtschaftliche Modell der LWU gehört dringend auf den Prüfstand.
Wie reagieren Politik und LWU auf Ihre Forderungen?
Mit den LWU selbst haben wir noch nicht gesprochen. Umso wichtiger ist es, dass wir bei der nächsten Kooperationsvereinbarung, die verhandelt wird, mit am Tisch sitzen. Bei der aktuellen Kooperationsvereinbarung war niemand beteiligt außer den Unternehmen selbst und dem Senat. Das ist ein Unding. Unser Protest dagegen prallte an der Senatsverwaltung ab.
Aber die Gespräche mit Politiker:innen laufen relativ konstruktiv. Überraschend war, dass die FDP offen für die genossenschaftliche Idee ist. Die Grünen haben uns eingeladen, an ihrem Gesetzentwurf für ein neues Wohnraumversorgungsgesetz mitzuarbeiten; das nehmen wir gern an. Weitere Gespräche stehen in den nächsten Wochen an. Für die Abgeordnetenhauswahl 2026 planen wir Wahlprüfsteine für die Mieter:innen der LWU.
Forderungen der LWU Vernetzung in Kürze:
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Was brauchen Sie dringend, um weiterzukommen?
Vor allem sollen noch mehr Menschen wissen, dass es die Vernetzung gibt. Und wir brauchen engagierte Mieter:innen, die mitmachen. Feste Räumlichkeiten für unsere Treffen wären schön. Auch politische und juristische Unterstützung wäre hilfreich.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Unser Auftritt als eigener Block auf der Mieten-Demo war ein starkes Signal. Und unsere Wahlveranstaltung im Bundestagswahlkampf hat viel Resonanz erzeugt.
Wie können interessierte Mieter:innen mitmachen?
Einfach zu unseren Treffen kommen. Alle Termine und unsere Forderungen stehen auf unserer Website „Brennpunkt Wohnen Berlin“. Wer möchte, kann sich dort auch auf die Mailingliste setzen lassen.
Wie geht es weiter?
Wir wollen unsere Forderungen im Wahlkampf 2026 platzieren und mehr Mieter:innen für die Gremienarbeit gewinnen. Gremienarbeit kann Spaß machen und viel bewegen – gerade in Verbindung mit der Vernetzung.
Außerdem suchen wir aktiv das Gespräch mit der Politik, um an einer Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes mitzuwirken. Unser Appell: Nehmt uns ernst. Bindet uns ein. Wir haben als Mieter:innenvertretungen manchmal einen anderen Blick, aber oft auch dieselben Interessen und Ziele. Es geht um unser Zuhause.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Franziska Schulte
16.12.2025




