Die Entwicklung der Berliner Wasserbetriebe in den letzten Jahren zeigt, dass hohe Standards in der Versorgungsqualität und steigende Investitionen auch ohne privatwirtschaftlichen Einfluss möglich sind. Die Organisation könnte als Vorbild für eine nachhaltige Wohnraum- und Wärmeversorgung dienen.
Wasser ist lebenswichtig – eine unmittelbarere Form der Daseinsvorsorge als die Bereitstellung von Trinkwasser gibt es kaum. Doch dass Wasser selbstverständlich aus dem Hahn fließt, ist ein Privileg, das wir oft übersehen. Erst ein Rohrbruch in der Seestraße am Silvesterabend 2024, der in mehreren Stadtteilen die Versorgung lahm legte, machte dies vielen bewusst. Stundenlang war für hunderttausende Berliner:innen nicht nur das Trinkwasser knapp – auch der Gang zur Toilette, Duschen und Kochen war für viele unmöglich.
Trotz solcher Ausnahmen gilt Berlins Wasserversorgung im nationalen wie internationalen Vergleich als überaus zuverlässig. Ein weit verzweigtes Netz aus Pumpen, Klärwerken und mehr als 9.500 Kilometern Leitungen – größtenteils unsichtbar und unterirdisch – sorgt rund um die Uhr für frisches Wasser.
Die Geschichte der Berliner Wasserversorgung – von den Anfängen bis heute
Für die Wasserversorgung und die Abwasseraufbereitung sind die Berliner Wasserbetriebe (BWB) verantwortlich. Als größtes kommunales Unternehmen dieser Art in Deutschland reicht ihre Geschichte mehr als 170 Jahre zurück. 1852 schloss Berlin einen Vertrag mit der Londoner Berlin Waterworks Company zur Versorgung der Stadt mit fließendem Wasser ab. Vier Jahre später nahm das erste Wasserwerk am Stralauer Tor seinen Betrieb auf.
Knapp 20 Jahre später war die Berliner Verwaltung der Auffassung, das Unternehmen käme seinen vertraglichen Pflichten zum Ausbau des Leitungsnetzes nicht angemessen nach. Die Stadt erwarb daraufhin das Netz für 1,35 Millionen Pfund – damals rund 25 Millionen Mark. In den folgenden Jahrzehnten erfolgte der Ausbau der Kanalisation, bevor die Stadt 1924 die Berliner Städtische Wasserwerke AG gründete.
Während der deutschen Teilung verwalteten Ost- und Westberlin die Trinkwasserversorgung getrennt. 1992 fusionierten die beiden Organisationen zu den heutigen Berliner Wasserbetrieben, die anschließend in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt wurde.
Mythos „Durchspülen“ – Weil jeder Tropfen zählt!
Laut dem Wasseratlas von BUND und Heinrich-Böll-Stiftung belief sich der private Verbrauch von Trinkwasser in Deutschland 2023 auf täglich 121 Liter pro Kopf. Davon entfallen mehr als 60 Prozent – etwa 76 Liter – auf Körperpflege und Toilettenspülung. Weitere 22 Liter flossen für die Reinigung von Geschirr und Wäsche. Essen und Trinken machten mit 5 Liter nur rund 4 Prozent des Gesamtverbrauchs aus.
Die Wasserbetriebe berechnen keine konkreten Bedarfe zum Wassersparen für einen nachhaltigen Verbrauch, rufen aber seit 2022 mit einer öffentlichen Kampagne zum Wassersparen und zur Abwasservermeidung auf. Der verbreitete Glaube, dass bei zu wenig Verbrauch die Leitungen nicht angemessen durchgespült würden, ist laut BWB-Pressesprecher Stephan Natz falsch. Das Problem bestehe zwar, lässt sich jedoch technisch lösen.
Gutes Geschäft stärkt Investitionsmöglichkeiten
Obwohl die Wasserbetriebe keine konkreten Bedarfe zum Wassersparen berechnen, ist die verkaufte Wassermenge im Jahr 2023 leicht zurückgegangen und lag bei 211 Millionen Kubikmetern. Die Ursache hierfür war vor allem das regenreiche Jahr. Infolgedessen ging auch der Umsatz der Wasserbetriebe leicht zurück. Dennoch blieben die BWB mit Abstand die gewinnbringendste Beteiligung des Landes Berlin und erzielten einen Jahresüberschuss von 220 Millionen Euro.
Ein Teil dieses Überschusses fließt laut Pressesprecher Stephan Natz in die Deckung des Berliner Haushalts. Er dient der Tilgung von Rekommunalisierungskrediten und erhöht die Eigenkapitalquote für zukünftige Investitionen. 2023 konnten somit im Schnitt 1,3 Millionen Euro pro Tag in Projekte fließen – insgesamt 474 Millionen Euro. Für die Jahre 2024 und 2025 soll diese Summe auf jeweils rund 642 Millionen Euro steigen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Rüstung gegen Starkregen und Trockenheit sowie dem Ausbau von Schwammstadt-Konzepten. Teils fließen auch Steuermittel in diese Projekte, im Falle der Kanalisation sogar 60 Prozent, da diese neben Abwasser auch Regenwasser ableitet. Laut Natz versuchen die Wasserbetriebe zudem, wo immer möglich, Fördermittel von Bund, Ländern oder der EU zu nutzen.

Foto: Sabine Mittermeier
Investitionen in Klimaresilienz sind dringend notwendig. Der Anstieg von zwei Maßzahlen gibt Grund zur Sorge vor Überflutungen: Temperatur und Versiegelungsgrad. Pro Grad Celsius Erwärmung kann die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf speichern. Laut Senatsverwaltung für Klimaschutz und Umwelt haben in den vergangenen Jahren Starkregenereignisse in Berlin leicht zugenommen. Gleichzeitig schätzt der Senat, dass zwischen 2016 und 2021 insgesamt 550 Hektar – das entspricht rund 154 Fußballfeldern – versiegelte Fläche hinzugekommen ist. Dies erhöht die Gefahr von Überflutungen erheblich.
Rohrbrüche in Berlin: Wie robust ist das Wassernetz?
Jedes Mal, wenn Bilder von überfluteten Straßen, wie an Silvester auf der Weddinger Seestraße oder einige Monate zuvor auf der Sonnenallee, durch das Internet gehen, muss BWB-Pressesprecher Natz Rede und Antwort stehen. Es stellt sich die Frage, wie robust das Berliner Wassernetz ist.
Um Wasser bei Rohrbrüchen zu stoppen, setzten die BWB sogenannte Schieber in den Rohren ein, erklärt Natz. Diese sind alle paar Meter verbaut und können von der Oberfläche aus gesteuert werden. In alten Rohren kommt es zwar leichter zu Defekten, doch haben sie an vielen Stellen auch eine beeindruckende Lebensdauer. Das älteste Rohr Berlins, das unter der Mühlenstraße in Friedrichshain verläuft, ist über 160 Jahre alt und immer noch intakt. Zu dieser Zeit wurde noch „Grauguss“ verwendet, eine Art Gusseisen. Seit den 1970er Jahren hingegen setzen die Wasserbetriebe duktiles Gusseisen ein, das im Vergleich zu Grauguss dehnbarer ist und Frost und Verkehr besser standhält.
Die „Rehabilitationsstrategie“ der BWB sieht vor, Rohre so zu erneuern, dass der Zielwert der Schadensquote langfristig eingehalten wird, erklärt der Pressesprecher. Der Investitionsbedarf dafür liegt bei jährlich 100 Millionen Euro. Dieses Vorgehen hat sich sowohl im nationalen als auch internationalen Vergleich als sehr erfolgreich erwiesen: Die Wasserbetriebe konnten nach eigenen Angaben die Anzahl der Schäden pro Kilometer Rohr im Jahr – die sogenannte Schadensquote – von 0,14 in 2003 auf 0,07 in 2023 senken. So gehen in Berlin lediglich drei Prozent des Wassers im Leitungsnetz auf dem Weg von den Pumpen zu den Endverbraucher:innen verloren. Der deutschlandweite Durchschnitt liegt zwischen sieben und acht Prozent, in Frankreich oder England kommt mancherorts ein Fünftel des Wassers nicht an.
Stellenweise bereiten die alten Rohre allerdings auch Kopfzerbrechen: Unter dem Tempelhofer Damm verlaufen über 150 Jahre alte Abwasserrohre, die dringend ausgetauscht werden müssen. Die Planung dafür läuft seit acht Jahren, mittlerweile schicke man laut Stephan Natz „Stoßgebete zum Himmel“, dass es zu keiner Havarie kommt. Im Zuge der Maßnahmen sollen auch die Tunneldecke der U6 sowie Strom- und Wärmeleitungen erneuert werden. Die ausgefeilte Umleitung von Teilen des Verkehrs will die Senatsverwaltung für Verkehr nun ad acta legen und stattdessen für die Baustelle 60 Bäume auf dem Mittelstreifen fällen. Umweltinitiativen gefällt das nicht, weshalb Anfang März für eine Rettung der Bäume demonstriert wurde.
Sackgasse Privatisierung
Die Geschichte der Berliner Wasserbetriebe ist exemplarisch für die Sackgasse der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge. 1999 verkaufte die BWB 49,9 Prozent der Anteile an die Unternehmen RWE und Veolia. Der schwarz-rote Senat unter Eberhard Diepgen (CDU) rechtfertigte dies mit dem üblichen Märchen von effizienterem Management und billigen Preisen und wollte mit dem Erlös von 1,7 Milliarden Euro ein Haushaltsloch stopfen. Doch naturgemäß lassen sich private Unternehmen nur auf rentable Geschäfte ein, und so kam der Verkauf die Berliner:innen teuer zu stehen: Bis 2011 stiegen die Wasserpreise um fast 35 Prozent – auf den bundesweit höchsten Wert.
Diese Entwicklung empörte viele Berliner:innen. 2011 zwang ein Volksentscheid mit mehr als 98 Prozent Zustimmung die Politik, die Privatisierungsverträge offenzulegen. Dies offenbarte, wie krude CDU und SPD städtisches Gut der Privatwirtschaft als Beute überließen: Aufgrund von Renditegarantien im Vertrag zwischen Land, RWE und Veolia erhielten die Unternehmen einen größeren Anteil der erzielten Gewinne. In zwölf Jahren verbuchten sie mehr als 1,5 Milliarden Euro, während dem Land trotz 50,1 Prozent der Anteile nur 923 Millionen Euro blieben.
Als im folgenden Jahr das Bundeskartellamt eingriff und eine Preissenkung um 18 Prozent verfügte, verloren die Unternehmen das Interesse am Geschäft mit der Wasserversorgung und boten dem Land den Rückkauf ihrer Anteile an. Die Initiator:innen des Volksentscheides hofften auf eine Anfechtung der Verträge, um so die Kosten für eine Rekommunalisierung zu senken. Doch der Senat entschied sich schnell, die Anteile von Veolia und RWE für insgesamt 1,2 Milliarden Euro zurückzukaufen – sehr zur Freude der beiden Unternehmen.
Dennoch konnte die BWB anschließend die Wasserpreise um 15 Prozent senken und bis heute stabil halten. Erst 2027 soll das Trinkwasser aufgrund steigender Kosten und eines erhöhten Investitionsbedarfs wieder teurer werden.
Exkurs: Die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR)
Die Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) ist eine juristische Person, die öffentliche Aufgaben im Auftrag des Staates erfüllt, dabei jedoch eine eigenständige Organisation und Wirtschaftsführung besitzt. Diese Rechtsform verknüpft staatliche Steuerung mit operativer Eigenständigkeit. Ein Beispiel dafür sind die Berliner Wasserbetriebe, die als AöR organisiert sind. Die politische Dimension dieser Rechtsform ist bedeutsam: Einerseits bleibt die Kontrolle durch die öffentliche Hand gewahrt, sodass demokratisch legitimierte Organe – wie das Abgeordnetenhaus oder der Senat – strategische Entscheidungen beeinflussen können. Andererseits ermöglicht die organisatorische Unabhängigkeit der AöR einen effizienteren Betrieb, da sie nicht in die Verwaltungshierarchie eingegliedert ist. Diese Balance zwischen Gemeinwohlorientierung und betriebswirtschaftlicher Effizienz ist politisch umstritten. Die öffentliche Kontrolle soll sicherstellen, dass zentrale Daseinsvorsorge, wie die Wasser- oder Energieversorgung, nicht ausschließlich den Marktkräften überlassen wird. Insbesondere in Zeiten der Rekommunalisierung, wie sie Berlin mit der Rückführung der Wasserbetriebe oder dem Fernwärmenetz aus privater Hand vollzogen hat, zeigt sich, dass die Rechtsform der AöR ein Instrument ist, um öffentliche Daseinsvorsorge wieder stärker unter demokratische Kontrolle zu stellen. |
Was die Wasserversorgung für die Wohnungsfrage bedeutet
Neben Trinkwasser gehören auch Ernährung und Wohnraum zu den grundlegenden Bedürfnissen des Menschen. Der erfolgreiche Volksentscheid von 2021, den der Senat jedoch ignoriert, fordert, die Berliner Wohnungen großer Immobilienunternehmen in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) zu überführen – die Rechtsform, die auch die Berliner Wasserbetriebe nutzen. Laut einer Studie von Immobilienexpert:innen könnte diese Umstrukturierung die Mieten der Wohnungen um bis zu 16 Prozent senken. Die Erfahrung aus der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe zeigt, dass diese Rechnung durchaus realistisch sein kann. Durch die Überführung in die öffentliche Hand entfallen Dividendenzahlungen an Aktionär:innen, was trotz des teuren Rückkaufs eine Absenkung der Mietpreise ermöglichen könnte.
Doch im Fall der Wohnungswirtschaft setzt der Senat statt auf eine günstige Vergesellschaftung auf den Rückkauf tausender Wohnungen zu Marktpreisen, um den privaten Unternehmen bei Refinanzierungsproblemen zu helfen. Dabei ignoriert er die Tatsache, dass eine Anstalt öffentlichen Rechts in der Lage ist, sowohl gute Standards in der Versorgungsqualität sicherzustelllen als auch stetig wachsende Investitionen zu ermöglichen. Höchste Zeit also, dass Berlin neben dem Zugang zu Trinkwasser und Wärme auch die Wohnraumversorgung selbst in die Hand nimmt.
ml
Demo zum Weltwassertag am 22. März
Sauberes Wasser ist wichtig – in unseren Leitungen und den Berliner Gewässern. Verschiedene Initiativen rufen daher für den Weltwassertag am 22. März zu einer Demonstration entlang der Spree auf, mit der ein Zeichen für Wasserreinhaltung und Wassergerechtigkeit gesetzt werden soll. Gefordert werden unter anderem konkrete Maßnahmen zum Schutz vor Austrocknung und Grundwasserknappheit sowie eine gemeinwohlorientierte Entwicklung innerstädtischer Uferzonen für die Stadtgesellschaft.
Startpunkt und Uhrzeit können sich noch ändern und sind deshalb auf der Website zu finden.
12.03.2025