
In der politischen Debatte um Mieten, Wohnungsmarkt und Regulierung taucht ein Bild immer wieder auf: der „Kleinvermieter“ – gern dargestellt als ehrlicher Kleinsparer, der sich mit harter Arbeit ein oder zwei Wohnungen zur Altersvorsorge zusammengespart hat. Doch was ist dran an diesem Bild?
Der Spiegel schrieb am 15. Mai 2025, 60 Prozent aller Mietwohnungen würden von „privaten Kleinvermietenden“ bereitgestellt. Auch TV-Moderator Markus Lanz erklärte in seiner Sendung Ende April, die Wohnungen gehörten Menschen, „die tüchtig waren, gearbeitet haben“ – und machte daraus kurzerhand das neue Synonym „Kleinsparer“. Ein Bild, das schnell verfängt. Aber gehört der Großteil der Mietwohnungen wirklich vielen, einzelnen Privatpersonen? Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Die Realität sieht anders aus.
Wer vermietet wie viel?
Laut der zu dieser Frage maßgeblichen Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2015 (die 2024 fortgeführt wurde) verteilen sich die privat vermieteten Wohnungen in Deutschland wie folgt:
- Etwa 19 Prozent der privaten Mietwohnungen gehören Menschen, die eine Wohnung vermieten.
- Um die 28 Prozent entfallen auf Personen, die zwei bis fünf Wohnungen vermieten.
- Rund 54 Prozent sind im Besitz von privaten Vermieter:innen mit mehr als fünf Mietwohnungen.
Mit anderen Worten: Die Mehrheit der privat vermieteten Wohnungen gehört nicht Kleinvermietenden, sondern mittleren und großen Eigentümer:innen. Als Privateigentümer:innen gelten in dieser Studie „natürliche (Einzel-)Personen, die alleine, als Ehepartner:innen oder als Mitglieder von Erbengemeinschaften oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) Immobilieneigentum haben“.
Selbst wenn man großzügig alle Privateigentümer:innen mit bis zu fünf Wohnungen zu den „Kleinvermietenden“ zählt, gehören ihnen nur die Hälfte der privaten Mietwohnungen, und damit 30 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestands in Deutschland – und nicht 60 Prozent, wie vielfach behauptet.
Immobilienbesitz fördert Ungleichheit
Eine andere Perspektive macht die Verzerrung ebenfalls deutlich: Nur ein Viertel des privat vermieteten Bestands gehört Vermieter:innen, die maximal zwei Wohnungen besitzen, die restlichen drei Viertel sind in der Hand der reichsten zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.
Die Eigentumsverteilung ist also stark ungleich – ähnlich wie die Vermögensverteilung in Deutschland insgesamt. Es sind vor allem vermögende Einzelpersonen oder Erbengemeinschaften – eben nicht „Kleinsparer“ –, die große Teile des privaten Mietmarkts kontrollieren.
In Berlin ist der Anteil noch geringer
Wenn Medien oder Lobbyverbände von „Kleinvermietenden“ sprechen, verschleiern sie die Realität oft bewusst. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass politische Maßnahmen wie Mietpreisregulierung oder verpflichtende Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand vor allem „die kleinen Leute“ treffen. Tatsächlich aber profitieren vor allem viele größere Vermietende und Wohnungskonzerne von den Mietsteigerungen und der Wertentwicklung ihrer Immobilien.
Regulierungsmaßnahmen wie die Mietpreisbremse oder der Mietendeckel würden – anders als etwa in der Talkshow von Markus Lanz am 29. April suggeriert – vor allem vermögende Eigentümer:innen empfindlich treffen. Besonders betroffen wären solche Vermieter:innen, die ihre Immobilien vorwiegend fremdfinanziert erworben haben, um steuerliche Vorteile zu nutzen und durch den sogenannten Hebeleffekt (Leverage) die Rendite auf ihr eingesetztes Eigenkapital zu steigern. Denn je stärker das Geschäftsmodell auf Kreditaufnahme basiert, desto schneller geraten diese Anleger:innen in die Verlustzone.
Ein Blick auf Berlin zeigt, wie irreführend die pauschale Gleichsetzung von „privat“ mit „klein“ ist. Nur etwa 20 Prozent der Mietwohnungen werden dort von Privatpersonen vermietet – in der Regel Eigentümer:innen eines oder mehrerer nicht aufgeteilter Mehrfamilienhäuser. Hinzu kommen rund 13 Prozent des Mietwohnungsbestands, die aus aufgeteilten Eigentumswohnungen bestehen und ebenfalls vermietet werden. Laut IBB-Wohnungsmarktbericht stehen demgegenüber rund 320.000 Wohnungen in Berlin, die von ihren Eigentümer:innen selbst bewohnt werden.
Innerhalb der vermieteten Eigentumswohnungen (13 Prozent) finden sich durchaus Kleinstvermietende, die ihr Erspartes in eine einzelne Wohnung – etwa zur Altersvorsorge – investiert haben. Zugleich ist jedoch auch ein Anteil im Besitz von wohlhabenden Eigentümer:innen, die mehrere Wohnungen in verschiedenen Häusern und Bezirken besitzen.
Berlin nimmt im deutschen und sogar europäischen Vergleich eine Sonderstellung ein: Ein geschätzter Anteil von 40 Prozent des Mietwohnungsbestands und mehr befindet sich im Besitz privater Wohnungsunternehmen, vermögender Privatvermietender und Finanzunternehmen. Damit behauptet Berlin hinsichtlich seiner Eigentumsstruktur seine historische Rolle als Brennpunkt der sozialen Polarisierung in Deutschland.
Fazit: Für eine ehrliche Debatte
Wer die Eigentumsverhältnisse am Mietwohnungsmarkt realistisch betrachtet, erkennt: Das Bild vom „Kleinvermietenden“ dient oft als politisches Schutzschild für handfeste Interessen. Und: Kleinvermieter:in ist nicht gleich Kleinsparer:in.
Im Duden findet sich für Kleinsparende die Bedeutung „Sparer kleiner Beträge“. In Wirklichkeit ist es für klassische „Kleinsparer“ finanziell kaum möglich, sich eine Eigentumswohnung zur Vermietung zu leisten. Eigentum an Mietwohnungen stammt meist aus Vermögenseinkünften oder Erbschaften. Ob Eigentümer:innen mit einem, zwei oder vier Mehrfamilienhäusern in angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin, Hamburg, Düsseldorf, München und Köln der Definition eines Kleinsparenden entsprechen, darf also stark bezweifelt werden.
ap, fs
18.06.2025