Zwischen Mietenwahnsinn und der Hoffnung auf Selbstverwaltung kämpfen die Mieter:innen in der Hermannstraße 48 seit Jahren gegen Verdrängung. Nun könnte ein neues Kapitel beginnen – doch die Eigentümer:innen ignorieren die Bewohner:innen.
In Neukölln, wo der Verkauf von Mehrfamilienhäusern oft Verdrängung bedeutet, liegt die Hermannstraße 48 – kurz H48. Hier leben Familien, Queers, Studierende, ältere Menschen mit niedrigem Einkommen, Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte sowie Menschen, die auf barrierefreies Wohnen angewiesen sind. Sie alle verbindet der Wunsch, ihr Zuhause sicher und bezahlbar zu erhalten. Doch seit das Altbauensemble mit dem ehemaligen Gewerbehof im Jahr 2021 verkauft wurde, kommen die Mietenden nicht zur Ruhe.
Seit Jahren kämpfen sie nun, vor allem um die großen Wohngemeinschaften im Hinterhaus. Sie haben Kündigungen erhalten, Prozesse geführt und kürzlich erfahren: Die Eigentümer:innen sind zu einem Verkauf bereit.
Für Mio, der im ehemaligen Fabrikgebäude lebt, ergibt sich damit eine einmalige Gelegenheit: „Wir können den Wohnraum und den Ort der Vernetzung für die Nachbarschaft im Kiez nachhaltig schützen“, sagt er. „Also haben wir überlegt, ob wir als Hausgemeinschaft das Haus kaufen können.“
Gesagt, getan: Mit Unterstützung des Mietshäuser Syndikats haben die Bewohner:innen eine solide Finanzierung aufgestellt – und ein Kaufangebot von 9,5 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Doch wird das reichen?
Wohnungen sollen zu Luxusbüros werden
Die Geschichte der H48 ist ein Lehrstück über die Berliner Wohnungspolitik. 2021 hätte das Gebäude noch über das bezirkliche Vorkaufsrecht zugunsten der Hausgemeinschaft erworben werden können. Doch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kippte die Berliner Vorkaufsrechtspraxis im November 2021. Der Bezirk konnte den Vorkauf nicht mehr durchsetzen.
Die Eigentümer:innen machen keinen Hehl aus ihren Plänen für das Gebäude. Von Instandhaltung kann keine Rede mehr sein. Im Hinterhof, dem ehemaligen Fabrikgebäude, steht mittlerweile Wohnraum für etwa 50 Menschen leer. Sieben Wohngemeinschaften bestehen noch, doch die WG-Bewohner:innen haben allesamt Kündigungen erhalten. Zwei der Wohngemeinschaften sollen bereits im Sommer geräumt werden. Gegen andere laufen Räumungsklagen – obwohl in mehreren Fällen noch Berufungsverfahren laufen. Die Eigentümer:innen hatten die Etagen im Hinterhaus bereits auf Immobilienportalen als teure Luxusbüros inseriert – die Mietenden sind empört.
Ein Plan für solidarisches Eigentum
So aussichtslos die Lage scheint – die Hausgemeinschaft will das Gebäude nicht spekulativen Interessen überlassen. Mit dem Kaufangebot wollen die Bewohner:innen dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sichern. Die Sanierung soll behutsam erfolgen – in Eigenregie und möglichst ohne Mieterhöhungen.
„Wir wollen das selbst in die Hand nehmen – und gleichzeitig die Miethöhe so erhalten, dass wir alle hier wohnen bleiben können“, erklärt Feli, Bewohnerin des Vorderhauses. „In Anbetracht des schlechten Zustands des Gebäudeensembles und mit Rücksicht auf den gesunkenen Grundstückswert ist unser Kaufangebot daher mehr als angemessen.“
Doch die 9,5 Millionen Euro reichen nicht aus: Die Eigentümer:innen reagieren nicht auf das Kaufangebot – und ignorierten zudem die Einladung des Bezirks Neukölln zu einem Runden Tisch am 28. Mai 2025. Ihr Ziel scheint deutlich: maximaler Gewinn – auch wenn dafür intakte Wohn- und Lebensräume zerstört werden.
Die H48 als Symbol für Berlins Krise
Was in der Hermannstraße 48 passiert, steht sinnbildlich für den Umgang mit Wohnraum in Berlin. Häuser werden wie Aktien gehandelt, Bewohner:innen als Störfaktor betrachtet. Die Politik schaut oft tatenlos zu oder ist machtlos – nicht zuletzt, seit Instrumente wie das Vorkaufsrecht nur noch unter sehr engen Bedingungen anwendbar sind.
Und dennoch: Die Hausgemeinschaft H48 gibt nicht auf. Mit Gemeinschafts- und Veranstaltungsräumen strahlt das Projekt weit über die Hausgrenzen hinaus in den Kiez, viele Nachbar:innen zeigen sich solidarisch und unterstützen die H48 – auch finanziell. Die Forderungen sind unmissverständlich:
- Keine Profitmaximierung mit der H48!
- Verkauft das Haus an unsere Hausgemeinschaft!
- Stoppt die Räumungsklagen!
Ana vom Hausverein bringt es auf den Punkt: „Wir wären die besten Eigentümer:innen, denn wir wollen hier bleiben und uns gemeinsam um unser Zuhause kümmern! Und genau deshalb werden wir uns auch gegen die Räumungsklagen bis zum Ende wehren.“
Ihre Hoffnung ist, die Eigentümer:innen über ein jahrelanges Verfahren hinhalten zu können, bevor das Fabrikgebäude mit den Wohngemeinschaften endgültig leer steht und als renditestarkes Investitionsobjekt weiterverkauft werden kann. Der Verkauf an die Hausgemeinschaft wäre der schnellere Weg.
fs
18.06.2025