Ein Erdgasindex ist kein taugliches Marktelement nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV.
§ 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV verlangt für die Wirksamkeit einer Klausel, dass die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen zu berücksichtigen sind. Dieses Marktelement muss auf die Verhältnisse auf dem allgemeinen, das heißt sich auch auf andere Energieträger erstreckenden, Wärmemarkt ausgerichtet sein.
Dies ist nicht der Fall, wenn die Klausel von vornherein nur die Verhältnisse für einen Energieträger (Erdgas) abbildet und versorgungsrelevante andere Energieträger (erneuerbare Energieträger etc.) als Bestandteil des allgemeinen Wärmemarktes ausblendet.
LG Frankfurt vom 9.6.2025 – 2-03 O 100/24 –
Hier hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft gegen ihren Wärmeversorger darum gestritten, ob die alleinige Bezugnahme auf einen Erdgaspreisindex in der Preisklausel ein ausreichendes Marktelement darstellt.
Eine Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis, mit dem die vom Kunden abgenommene Wärmemenge vergütet wird, muss nach Ansicht des Bundesgerichthofes gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV zwingend auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen (BGH vom 6.4.2022 – VIII ZR 295/20 –). Die Bestimmung in § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV legt dem Versorgungsunternehmen im Verhältnis zum Endkunden die Verpflichtung auf, in eigener Verantwortung sicherzustellen, dass sich die Fernwärmepreisgestaltung nicht allein an der Kostenentwicklung des Versorgers orientiert, sondern sich zugleich unter angemessener Berücksichtigung der Preisverhältnisse am Wärmemarkt vollzieht (BGH vom 1.6.2022 – VIII ZR 287/20 –).
Der Wärmemarkt erstreckt sich dabei nicht allein auf den Markt für Fernwärme, sondern erfasst die Preisentwicklung möglichst sämtlicher anderen Energieträger (BGH vom 6.4. 2011 – VIII ZR 66/09 –; BGH vom 1.6.2022 – VIII ZR 287/20 –), die sich außerhalb der Einflusssphäre des marktbeherrschenden Fernwärmeversorgungsunternehmens entwickelt haben (BGH vom 13.7.2011 – VIII ZR 339/10 –). Die Bezugnahme auf die Preisentwicklung nur eines Energieträges erfüllt nicht das Marktelement und macht die Klausel unwirksam.
Mit diesen höchstrichterlichen Anforderungen war – so das LG Frankfurt – die hier verwendete Preisanpassungsklausel unvereinbar, da sie von vornherein nur die Verhältnisse für einen Energieträger (Erdgas) abbilde und sich damit gerade nicht an den Verhältnissen auf dem allgemeinen Wärmemarkt ausrichte.
Es komme auch nicht in Betracht, diese höchstrichterliche Rechtsprechung einer Neubewertung zu unterziehen. Unabhängig davon, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Anteil einzelner Energieträger an der Gesamtenergieversorgung schwanke, habe der Wärmeversorger nicht dargelegt, dass der Erdgasmarkt mittlerweile den allgemeinen Wärmemarkt repräsentieren könnte. Auch nach seinem Vortrag komme anderen Energieträgern ein nicht nur unerheblicher Anteil an der Energieversorgung zu. Versorgungsrelevante andere Energieträger (erneuerbare Energieträger etc.) seien Bestandteil des allgemeinen Wärmemarktes und würden in der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel ausgeblendet.
Rechtsfolge dieser Wertung war die Unwirksamkeit der Preisklausel und sämtlicher darauf beruhender Preisanpassungen, denen die klagende Eigentümergemeinschaft innerhalb der 3-Jahresfrist widersprochen hatte.
Urteilstext
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet (1). Wider- (2) und Hilfswiderklage (3) sind zulässig, aber unbegründet.
1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß § 812 I 1 Var. 1 BGB zu, da die von ihr auf Grundlage des Wärmelieferungsvertrages geleisteten Zahlungen in Höhe der Klageforderung ohne Rechtsgrund erfolgten. Die in ihm enthaltene Preisänderungsklausel ist nichtig (a), sodass die Verbrauchsabrechnungen für die Jahre 2020 und 2021 nur auf Grundlage eines geringeren Arbeitspreises erfolgen durften (b).
a) Die Preisänderungsklausel in Ziffer 4.1. des Wärmelieferungsvertrages ist nach § 134 BGB in Verbindung mit § 24 IV 1 AVBFernwärmeV nichtig.
aa) Die AVBFernwärmeV ist anwendbar.
Allgemeine Versorgungsbedingungen im Sinne von deren § 1 I 1 liegen vor. Dies hat die Klägerin unter Bezugnahme auf das zur Akte gereichte standardisierte Vertragsmuster und dessen Allgemeinen Bedingungen zur Wärmelieferung dargelegt (Bl. 9 ff., 16 ff. d.A.). Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Ihrem Verweis auf den Abschluss des Wärmelieferungsvertrages zwischen Kaufleuten (Bl. 124 d.A.) lässt sich allenfalls entnehmen, dass sie die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der AVBFernwärmeV hinterfragt haben könnte. Dies greift aber nicht durch, weil dieses Regelwerk insoweit eine Anwendungsbeschränkung nur für Industrieunternehmen vorsieht (§ 1 II). Ein solches steht hier nicht in Rede. Im Übrigen fehlt es an Vortrag der darlegungsbelasteten Beklagten, wonach die Vertragsbedingungen tatsächlich individuell ausgehandelt worden sein könnten, das heißt tatsächlich zur Disposition der Gegenseite gestanden haben könnten (vgl. Theobald/Kühling, Energierecht, Dez. 2024, AVBFernwärmeV § 1 Rn. 13 f.).
bb) Die genutzte Preisanpassungsklausel ist inhaltlich unangemessen.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 24 IV 1 AVBFernwärmeV eine inhaltliche Angemessenheit solcher Klauseln dergestalt verlangt, dass die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2022, VIII ZR 287/20, Rn. 27 ff.). Dieses Markelement muss auf die Verhältnisse auf dem allgemeinen, das heißt sich auch auf andere Energieträger erstreckenden, Wärmemarkt ausgerichtet sein (Rn. 30).
Mit diesen höchstrichterlichen Anforderungen ist die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel unvereinbar. Sie bildet von vornherein nur die Verhältnisse für einen Energieträger (Erdgas) ab und richtet sich damit gerade nicht an den Verhältnissen auf dem allgemeinen Wärmemarkt aus.
Es kommt auch nicht in Betracht, diese höchstrichterliche Rechtsprechung einer Neubewertung zu unterstellen. Unabhängig davon, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Anteil einzelner Energieträger an der Gesamtenergieversorgung schwankt, hat die Beklagte nicht dargelegt, dass der Erdgasmarkt mittlerweile den allgemeinen Wärmemarkt repräsentieren könnte. Auch nach ihrem Vortrag kommt anderen Energieträgern ein nicht nur unerheblicher Anteil an der Energieversorgung zu, wie in ihrem Schriftsatz vom 10.06.2024 ausgeführt (Bl. 125 d.A.). Versorgungsrelevante andere Energieträger (erneuerbare Energieträger etc.) sind Bestandteil des allgemeinen Wärmemarktes und werden in der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel ausgeblendet.
b) Die Klägerin kann demgemäß Rückforderung für zu viel gezahlte Versorgungsbeiträge verlangen. Berechnungsgrundlage ist dabei der von ihr zuletzt für das Jahr 2020 akzeptierte Arbeitspreis (38,98 Euro/MWh).
Auch die Rechtsfolgen von nichtigen Preisanpassungsklauseln sind höchstrichterlich entschieden. Es gilt eine sogenannte Dreijahreslösung, wonach ein Kunde die Unwirksamkeit einer danach erfolgenden Preiserhöhung innerhalb von drei Jahren beanstanden muss. Ist dies erfolgt, gilt der zuletzt akzeptierte Arbeitspreis (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2022, VIII ZR 287/20, Rn. 41 ff.; zur Weiterentwicklung der Dreijahreslösung Urteil vom 25.09.2024, VIII ZR 165/21).
Eine solche Rüge hat die Klägerin mit Schreiben vom 28.09.2023 (Bl. 53 ff. d.A.) angebracht. Sie hat ausdrücklich „Widerspruch“ gegen die Abrechnungen für die Lieferjahre 2021 und 2022 erhoben und Rückforderung auf Grundlage des Arbeitspreises für das Jahr 2020 verlangt.
Es kam hierbei nicht in Betracht, die Klägerin auf den Arbeitspreis für das Jahr 2019 zu verweisen. Denn in rechtlicher Hinsicht steht dem gerade die Dreijahreslösung des Bundesgerichtshofs entgegen. Diese ist nämlich nicht so zu verstehen, dass ab einer Beanstandung des Kunden von Rechts wegen eine Rückrechnung schematisch auf das drittletzte Verbrauchsjahr erfolgt, dessen Arbeitspreis für die Berechnung einer Rückforderung maßgeblich wäre. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof dem Kunden insoweit eine Dispositionsbefugnis eingeräumt, selbst einen erklärten Widerspruch aufgeben zu dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2022, VIII ZR 287/20, Rn. 64). Hätte die Klägerin also mit dem einzig als zeitlich vorangegangen in Betracht kommenden Widerspruch auf Grund ihres Schreibens vom 28.11.2022 einen solchen angebracht, wäre sie befugt gewesen, diesen zurückzunehmen und mit Schreiben vom 28.09.2023 erneut anzubringen. Hierbei werden die Interessen des Versorgers auch nicht unberücksichtigt gelassen, denn auch in solchen Fällen (Rücknahme und Neuanbringung eines Widerspruchs) wirkt die Dreijahreslösung begrenzend und kann den durch sie bezweckten Interessenausgleich (vgl. vor allem BGH, Urteil vom 25.09.2024, VIII ZR 165/21) bewirken.
Vor diesem Hintergrund liegt eine – rechtsgrundlose – Überzahlung zu Gunsten der Beklagten vor. Auf Grundlage des Arbeitspreises für das Jahr 2020 ergibt sich nach der schlüssigen Berechnung der Klägerin, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist, die Klageforderung.
Zinsen sind nach § 288 I BGB geschuldet, allerdings erst ab 13. Oktober 2023. Denn in ihrem Schreiben vom 28. September 2023 hat die Klägerin Zahlung bis zum 12. Oktober 2023 verlangt, sodass erst ab dem Folgetag Verzug eingetreten ist.
2. Die zulässige Widerklage ist unbegründet. Denn der Beklagten steht auf Grundlage der von ihr verwendeten Preisanpassungsklausel aus der Abrechnung für 2022 kein Zahlungsanspruch zu. Diese Klausel ist, wie festgestellt, nichtig. Nach dem demnach maßgeblichen Arbeitspreis ergibt sich kein Saldo zu ihren Gunsten.
3. Über die Hilfswiderklage ist zu entscheiden, weil die zulässige innerprozessuale Bedingung, unter der sie gestellt ist, eingetreten ist. Über sie ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zu entscheiden, ohne dass sich aus § 269 I ZPO eine Beschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis ergeben könnte. In der Bezifferung des zunächst im schriftsätzlich angekündigten Hilfswiderklageantrags offengelassenen Basisarbeitspreises (AP0) auf 40,48 €/MWh netto liegt keine Teilklagerücknahme. Die Beklagte hat zeitgleich von einer „Rücknahme“ wie auch von einer „Präzisierung“ ihrer Hilfswiderklageforderung gesprochen und damit kein Willen zum Ausdruck gebracht, dass über eine rechtshängig gemachte Forderung – auch teilweise – nicht mehr entschieden werden soll. Stattdessen hat sie Bedenken gegenüber deren Bestimmtheit ausräumen wollen. In diesem Sinne konnte auf Grundlage allein des schriftsätzlich angekündigten Antrages auch nicht beurteilt werden, ob der darin offen gelassene Basisarbeitspreis über, genau bei oder unter 40,48 €/MWh netto liegen sollte. Vor diesem Hintergrund konnte dahinstehen, ob die Kläger aufgrund ihres zuletzt gestellten Antrags, die Hilfswiderklage abzuweisen, in eine etwaige Teilklagerücknahme durch eine Einlassung auf die etwaig abgeänderte Hilfswiderklage eingewilligt hat.
Die Hilfswiderklage ist zulässig, aber unbegründet.
a) Das Rechtsschutzbedürfnis – anders als die Klägerin mit Blick auf ein einseitiges gesetzliches Anpassungsrecht der Beklagten meint – liegt vor. Die Beklagte hat ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung des eingeklagten Rechts, über das in der Sache zu entscheiden ist. Insbesondere steht ihr kein einfacherer Weg offen, um das mit der Hilfswiderklage verfolgte Begehren zu erreichen. Zwar hat sie die Möglichkeit, die Versorgungsbedingungen einseitig zu ändern (dazu sogleich). Diese vertragliche Gestaltungsmacht lässt aber unberührt, dass die gerichtliche Entscheidungsbefugnis auf den von ihr gestellten Hilfswiderklageantrag ausgerichtet ist. Demnach begehrt die Beklagte die Zustimmung der Klägerin zu einer von ihr konkret ausformulierten neuen Preisanpassungsklausel. Mit Rechtskraft eines stattgebenden Urteils würde diese Zustimmung zudem als erteilt gelten (§ 894 S. 1 ZPO). Die der Beklagten alternativ offenstehende Möglichkeit, einseitig diese Klausel zu ändern, müsste auf außergerichtlichem Weg beschritten werden. Dieser Änderung könnte die Klägerin mit einem eigenen Rechtsstandpunkt entgegentreten, weshalb die hier verlangte Titulierung ihrer Pflicht zur Zustimmung in eine Vertragsänderung einen Mehrwert für die Beklagte bedeutete.
b) Die Hilfswiderklage ist aber unbegründet, weil die Beklagte keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Zustimmung zur Vereinbarung der von ihr vorgegebenen neuen Preisanpassungsklausel hat.
aa) Zu den Rechtsfolgen nichtiger Preisanpassungsklauseln hat der Bundesgerichtshof, wie festgestellt, für vergangene Abrechnungsperioden über eine ergänzende Vertragsauslegung unter besonderer Berücksichtigung von Treu und Glauben die Dreijahreslösung entwickelt und darin einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Kunde und Versorger erkannt. Eine solche oder jedenfalls vergleichbare ergänzende Vertragsauslegung hat er hinsichtlich der künftigen Vertragsabwicklung abgelehnt (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022, VIII ZR 175/19, Rn. 27; ablehnend auch Stoffels, AGB-Recht, 5. Aufl. 2024, Rn. 823 m.w.N.). Vielmehr wird gerade in der Befugnis von Versorgern zur einseitigen Änderung ihrer Versorgungsbedingungen einschließlich einer verwendeten, aber für nichtig erklärten Preisanpassungsklausel gemäß § 4 I und II in Verbindung mit § 24 IV AVBFernwärmeV eine Möglichkeit zur „Heilung“ erkannt (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022, VIII ZR 175/19, Rn. 46 ff.; Urteil vom 06.04.2022, VIII ZR 295/20, Rn. 64 ff.; Urteil vom 01.06.2022, VIII ZR 287/20, Rn. 44; Urteil vom 27.09.2023, VIII ZR 263/22, Rn. 23; Urteil vom 27.03.2024, VIII ZR 122/23, Rn. 18; Urteil vom 25.09.2024, VIII ZR 165/21,
Rn. 60 ff.). Deren § 24 IV 4 steht einer einseitigen Änderung bei nichtigen Preisanpassungsklauseln nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022, VIII ZR 175/19, Rn. 77).
Diese „Heilungsmöglichkeit“ ist nicht davon abhängig, dass sich eine konkrete Fernwärmeversorgungsbeziehung auf ein größeres oder mehrere Versorgungsgebiete erstrecken und damit auch im Einzelfall einen besonderen Massencharakter haben muss. Sie besteht bereits dann, wenn für diese Beziehung die AVBFernwärmeV gilt. Besonderheiten im Bereich der Fernwärme ergeben sich überdies nicht erst bei einem solchen Massencharakter (vgl. etwa mit Blick auf die Bedeutung einer verlässlichen Preiskalkulation und einer stabilen Preisentwicklung BGH, Urteil vom 25.09.2024, VIII ZR 165/21, Rn. 50 ff.).
Durch diese „Heilungsmöglichkeit“ ist sichergestellt, dass die Interessen eines Versorgers trotz der von ihm verwendeten nichtigen Klausel nicht unberücksichtigt bleiben und er einer potentiell langen Vertragsbindung auf Grundlage eines Arbeitspreises entgegensehen müsste, der das wirtschaftliche Gefüge des Versorgungsvertrages – unter Umständen zum Nachteil beider Parteien – unangemessen verschiebt. „Nur auf diesem Wege“ – wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich festgestellt hat – kann für die Zukunft eine angemessene Austauschbeziehung zwischen Kunde und Versorger erreicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2023, VIII ZR 263/22, Rn. 23; vgl. auch Theobald/Kühling, Energierecht, Dez. 2024, AVBFernwärmeV § 4 Rn. 6; Hack, Energie-Contracting, 3. Aufl. 2015, Rn. 73; Ostendorf, NJW 2022 1916, 1918). Ein Wahlrecht des Versorgers, wonach dieser stattdessen individuell auf seinen Kunden zugehen und diese ihre Zustimmung zur Änderung erteilen müssten, hat der Bundesgerichtshof nicht begründet.
bb) Für eine ergänzende, lückenschließende Vertragsauslegung gibt es keine Rechtsgrundlage im streitgegenständlichen Wärmelieferungsvertrag.
Eine Klausel, wie sie hier in Ziffer 8.2. der Allgemeinen Bedingungen zur Wärmelieferung geregelt ist und wonach die Parteien im Falle der Unwirksamkeit einer Bestimmung ihrem Vertragsverhältnis eine Regelung zugrunde legen, die der ursprünglichen Bestimmung in ihrer wirtschaftlichen Zielrichtung am nächsten kommt, ist wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.2015, VII ZR 100/15, Rn. 26; Urteil vom 26.03.2015, VII ZR. 92/14, Rn. 45).
Eine ergänzende, in die Zukunft gerichtete Vertragsauslegung zur Korrektur nichtiger Preisanpassungsklauseln wäre auch nicht sachgerecht, wenn hierfür – wie hier – jeder Ansatzpunkt für die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens fehlt (ablehnend auch BGH, Urteil vom 26.01.2022, VIII ZR 175/19, Rn. 27). Anders als bei der auf vergangene Abrechnungsperioden ausgerichteten Dreijahreslösung gibt es hierfür keinen konkreten Bezugspunkt, mit Blick auf den sich der hypothetische Parteiwillen bestimmen könnte. Die Dreijahreslösung nämlich kann auf den zuletzt akzeptierten Preis aufgebaut werden, der zumindest zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Parteien als für ihre Versorgungsbeziehung angemessen empfunden wurde. Bezüglich der von gegenläufigen Interessen geprägten Frage nach der Rückwicklung einer potentiell langjährigen Versorgungsbeziehung, die aufgrund einer nichtigen Preisanpassungsklausel nötig wird, in diesem zuletzt akzeptierten Preis einen Orientierungspunkt für eine ergänzende Vertragsauslegung zu sehen, ist sachgerecht.
Ein solcher Orientierungspunkt fehlt allerdings, soweit es um die Ersetzung einer nichtigen durch eine wirksame Preisanpassungsklausel für künftige Abrechnungsperioden geht. Denn auch insoweit ist die Interessenlage komplex und von aktuellen Marktbedingungen abhängig. Auf Grundlage des bestehenden Versorgungsvertrages unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben einen hypothetischen Parteiwillen anzunehmen, wonach – worum es bei der Hilfswiderklage geht – ein Kunde nach diesem Vertrag verpflichtet wäre, einer neuen, vom Versorger formulierten Klausel zustimmen zu müssen, trüge der Langfristigkeit und Zukunftsgerichtetheit dieser Vertragsbeziehung nicht Rechnung. Weder kann die an den aktuellen Marktbedingungen erfolgte Ausformulierung der Klausel durch den Versorger noch die ebenfalls an diesen Bedingungen zu erfolgende Zustimmung durch den Kunden an den (hypothetischen) Parteiwillens rückgebunden werden. Insofern bliebe die Annahme, dass redliche Parteien vereinbart hätten, dass die Klägerin im Falle einer nichtigen Preisanpassungsklausel einer durch die Beklagte vorgegebenen Neu-Klausel zustimmen würde, obwohl sie die Klausel auch einseitig ändern könnte, reine Fiktion.
cc) Ein Anspruch auf Vertragsanpassung, wie er Gegenstand der Hilfswiderklage ist, kann auch nicht auf eine andere dogmatische Grundlage gestützt werden, insbesondere nicht auf § 242 BGB.
Auch dies stünde im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Ersetzung einer nichtigen Preisanpassungsklausel für die Zukunft bislang einzig über ein einseitiges Änderungsrecht des Versorgers einen dogmatischen Rahmen gegeben hat.
Zudem würde die Stattgabe der Hilfswiderklage einen Kontrahierungszwang bedeuten, der mit der verfassungsrechtlichen, in das Privatrecht ausstrahlenden Werteordnung unvereinbar wäre. Es unterfällt der nach Art. 2 I GG verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie, dass Parteien im Sinne einer negativen Abschlussfreiheit eigenverantwortlich darüber befinden dürfen, ob sie einen Vertrag schließen (vgl. etwa Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 2 Rn. 54; Huber/Voßhule, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 2 Rn. 118 jeweils m.w.N.). Diese Freiheit gilt nicht schrankenlos, ihre Einschränkung bedarf aber rechtfertigender Gründe. Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich, weil die von der Beklagten gegenüber der Klägerin verlangte Zustimmung zu einer Vertragsänderung weder erforderlich noch angemessen ist. Es steht ihr als relativ milderes Mittel die Nutzung ihrer einseitigen Änderungsbefugnis offen. Diese Befugnis ist für die Klägerin milder, weil sie dadurch nicht gezwungen wird, in eine von ihr nicht gewollte Vertragsänderung einzuwilligen. Die Unterscheidung zwischen einer solchen Einwilligung und einer einseitigen Vertragsänderung ist auch kein reiner Formalismus. Denn mit der Zustimmung zur Vertragsänderung können zusätzliche Risiken verbunden sein. Ändert die Beklagte die nichtige Anpassungsklausel einseitig ab, so steht der Klägerin beispielsweise offen, auch die Unwirksamkeit einer neuen Klausel auf Grundlage der AVBFernwärmeV anzugreifen. Ob dies auch bei Zustimmung zur Vertragsänderung gilt, ist hingegen nicht vergleichbar klar. Denn im Falle einer solchen Zustimmung könnte die neue Klausel nicht mehr als eine allgemeine Versorgungsbedingung gelten, was sachliche Anwendungsvoraussetzung für die AVBFernwärmeV nach deren § 1 I 1 ist. Nicht maßgeblich ist, dass womöglich auch bei einer mit der klägerischen Zustimmung geänderten Klausel die AVBFernwärmeV anwendbar sein könnte und wie die Darlegungs- und Beweislast verteilt ist.
Maßgeblich ist vielmehr, dass die Klägerin ein – in welchem Umfang auch immer bestehendes – Risiko auf sich nehmen müsste, das sie bei einer rein einseitigen Klauseländerung nicht hätte. Ob die Klägerin dieses Risiko auf sich nehmen will, ist gerade als Ausdruck der Vertragsfreiheit ihr überlassen. Demgegenüber kann die Beklagte unter Nutzung ihrer einseitigen Änderungsbefugnis den von ihr verfolgten Zweck, für die Zukunft eine Preisanpassungsklausel unter Wiederherstellung eines angemessenen wirtschaftlichen Vertragsgefüges sicherzustellen, erreichen. Für die Beklagte folgten aus einer zweiseitigen Vertragsänderung keine Vorteile, insbesondere keine schneller erreichbare Rechtssicherheit. Denn so wie ein sich zur Zustimmung weigernder Kunde müsste auch ein eine einseitige Vertragsänderung nicht akzeptierender Kunde gerichtlich in Anspruch genommen werden; sei es auf Leistung oder Feststellung (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.2024, VIII ZR 165/21, Rn. 64). Nähme man dennoch an, dass die Beklagte durch die begehrte Zustimmung zur Vertragsänderung eine Besserstellung erreichen könnte, etwa weil der Klägerin dadurch Einwendungen abgeschnitten würden, wäre dies jedenfalls nicht angemessen.
Unerheblich ist, ob das Gericht bei Geltendmachung eines Zustimmungsanspruchs in einem laufenden Rechtsstreit über die rechtliche Zulässigkeit einer neuen Preisanpassungsklausel entscheiden könnte. Denn hiermit ist nur auf den prozessualen Rahmen aufmerksam gemacht, der die materiell-rechtliche Rechtslage nicht beeinflusst. Ob mit anderen Worten ein Versorger einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung hat, hängt nicht davon ab, ob er diesen Anspruch außergerichtlich oder gerichtlich geltend macht, sondern ist unabhängig hiervon zu beurteilen.
Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO
28.10.2025




