Bei Eigenbedarfskündigungen urteilen die Gerichte zunehmend vermieterfreundlich, selbst wenn die Gründe für den angeblichen Eigenbedarf an den Haaren herbeigezogen sind. Umso erfreulicher ist ein jüngst ergangenes Urteil des Landgerichts Berlin.
Es ging um eine 150 Quadratmeter große Fabriketage in der Eisenbahnstraße in Kreuzberg. Hier wohnen seit über 25 Jahren Sabine Bruno und Peter Siebolds mit ihrer Tochter. Im März 2004 wurde der Familie wegen Eigenbedarfs gekündigt. Angeblich wollte ihre Vermieterin mit ihrer Mutter in die Wohnung einziehen. Derzeit, so gaben die beiden Frauen an, würden sie zusammen in einem 17 Quadratmeter großen Zimmer in der Kantstraße wohnen, einem Haus, das ebenfalls obiger Vermieterin gehört. Den Rest der 160 Quadratmeter großen Wohnung müsse man mit anderen Mietern teilen. Das Landgericht Berlin schenkte diesen merkwürdigen Wohnverhältnissen keinen Glauben und wies die Eigenbedarfskündigung zurück (LG Berlin vom 16. März 2006 – 62 S 248/05 -). Nach Überzeugung der Kammer war der Eigenbedarf lediglich vorgeschoben. Dass es in Wirklichkeit eher darum ging, die Mieter loszuwerden, weil die eine sehr günstige Miete zahlen, wurde durch mehrere Zeugenaussagen plausibel. Ein Mieter, der über der Familie Bruno-Siebolds wohnte, sagte vor Gericht beispielsweise aus, dass ihn die Eigentümerin ermuntert habe, ruhig mit seinem Schlagzeug Krach zu machen, dann zögen die Mieter unter ihm vielleicht aus. Die Klägerin und ihre Mutter verwickelten sich vor Gericht auch in Widersprüche, und auf Nachfragen wusste zudem eine angebliche Mitbewohnerin in der Kantstraße weder das Fabrikat der Waschmaschine in der Wohnung noch ob sie jemals eine Betriebskostenabrechnung erhalten hat. „Die Aussagen sind in wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbar und glaubhaft“, befand das Gericht. Dabei war es nicht die erste Eigenbedarfskündigung der Familie. Auch gegen andere Mieter in deren bundesweit verstreutem Immobilienbesitz wurden schon entsprechende Klagen angestrengt.
Sabine Bruno und Peter Siebolds fällt jedenfalls ein Stein vom Herzen, dass die Kündigung jetzt endlich vom Tisch ist.
Birgit Leiß
MieterMagazin 5/06
Zwei glückliche Mieter:
Die Eigenbedarfsklage der Eigentümerin war für das Gericht „nicht nachvollziehbar“
Foto: Kerstin Zillmer
29.03.2022