Neues Jahr, neues Glück. Aufmunternde Worte wie diese können Berliner Mieter:innen gut gebrauchen. Denn neben einigen begrüßenswerten Entwicklungen hat die Politik 2024 wenig zur Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt beigetragen – die Turbulenzen auf Bundesebene machen die Lage nicht einfacher. Gleichzeitig organisieren sich Mieter:innen verstärkt, und neue Initiativen sowie bewährte Bündnisse stimmen optimistisch für 2025.
Neubau: Verfehlte Ziele und falsche Prioritäten
Die Entschärfung der Wohnungskrise steht und fällt bekanntlich mit der Erweiterung der staatlichen Wohnraumversorgung. Mieter:innenschutz und bedarfsgerechter Wohnungsneubau sind entscheidende Bausteine. Der Berliner Koalitionsvertrag von 2023 setzt ambitionierte Ziele: bis zu 20.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 5.000 Sozialwohnungen. Zwei Jahre hatten die Parteien Zeit, als wirtschaftsfreundliche Regierung die Weichen besser zu stellen als die rot-grün-rote Vorgängerregierung.
Doch die Zahlen bleiben deutlich hinter den Koalitionsvereinbarungen zurück: Nur etwa 15.000 prognostizierte Fertigstellungen gab es 2024, davon circa 3.500 Sozialwohnungen. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen verfehlten ihr Ziel von 6.500 Wohnungen um 30 Prozent. Auch die Genehmigungszahlen zeichnen keine Trendumkehr für 2025 – schon gar nicht beim sozialen Wohnungsbau. Von Januar bis November 2024 wurden mit 9.217 Wohnungen 35 Prozent weniger genehmigt als im Vorjahreszeitraum.
Der Berliner Mieterverein kritisiert eine weiterhin fehlgeleitete Priorisierung beim Wohnungsneubau. Zahlreiche Studien und Analysen unterstreichen die Notwendigkeit, den Fokus stärker auf bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau zu legen. Auch das Engagement in Bereichen wie dem Genossenschaftsbau, alternativen Wohnkonzepten und der nachhaltigen Umgestaltung von Bestandsgebäuden bleibt unzureichend, obwohl dies zur Ressourcenschonung beitragen würde.
Schneller-Bauen-Gesetz: Ein Papiertiger?
Um sich trotz der dürftigen Zahlen als „Anpack-Koalition“ präsentieren zu können, verabschiedete der Senat 2024 das Schneller-Bauen-Gesetz.
Ziel ist es, überflüssige Bürokratie abzubauen, strenge Auflagen zu lockern sowie Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Doch die Herangehensweise wirkt oberflächlich: Langen Bearbeitungszeiten werden lediglich kürzere Fristen entgegengesetzt, während Standards für Barrierefreiheit, Denkmal- und Umweltschutz aufgeweicht werden. Zudem orientiert sich die Bauplanung privater Investor:innen in vielen Fällen nicht an den tatsächlichen Bedürfnissen der Berliner:innen – für diesen Missstand sieht das Gesetz jedoch keine Regelung vor.
Wibke Werner, Geschäftsführerin im Berliner Mieterverein, stellt fest: „Mit der Festlegung kürzerer Bearbeitungsfristen ist noch keine Beschleunigung erreicht.“ Ohne ausreichend Personal in den Bezirksverwaltungen bleibe das Gesetz ein Papiertiger. Positiv hervorzuheben ist hingegen die Einführung einer koordinierenden „Bauantragskonferenz“ für große Bauvorhaben.
Der Kern des Artikelgesetzes mit dem markigen Titel ist jedoch politischer Natur. Es zielt darauf ab, dem Senat mehr Einfluss auf die Stadtplanung in den Bezirken zu verschaffen, was die Planungshoheit beziehungsweise das Bauplanungsrecht der Bezirke gefährdet. Das widerspricht nicht nur dem im Grundgesetz geregelten Selbstverwaltungsrecht der Bezirke und Kommunen, sondern untergräbt auch die Zuständigkeitsverteilung zwischen Land und Bezirken.
In der Vergangenheit standen die Vorstellungen des Senats oft den Interessen von Nachbarschaften und lokalen Umweltschutz- und Klimaresilienz-Vorhaben entgegen. Kritiker:innen warnen daher, dass das Gesetz langfristig die Kluft zwischen zentralen und dezentralen Planungsansätzen vertiefen und den Einfluss lokaler Akteur:innen weiter schwächen könnte.
Wohnraumversorgung Berlin: Entmachtet und zahnlos
Problematisch ist auch die Schwächung der Wohnraumversorgung Berlin (WVB) durch den Senat. Die Anstalt öffentlichen Rechts formulierte einst soziale Leitlinien für landeseigene Wohnungsunternehmen (LWU) und bot wohnungspolitischen Initiativen und Zivilgesellschaft durch transparente Jahresberichte wertvolle Unterstützung. Nun soll sie sich lediglich auf die Beratung von Mietenden der LWU und ihrer Gremien beschränken.
Die WVB ist damit nur noch eine zahnlose Version ihrer ursprünglichen Idee eines 2015 mit fast 50.000 Unterschriften angestoßenen Volksentscheids, auf dessen Druck hin die Anstalt mit weitreichenden Kompetenzen und einer Kontrollfunktion ausgestattet wurde. Doch mit ihrer Demontage fehlt es nun an unabhängiger Kontrolle und verbindlichen Vorgaben für die Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand.
Die Folgen zeigen sich bereits deutlich: Seit 2023 haben die LWU drei Mieterhöhungswellen umgesetzt. Statt bezahlbaren Wohnraum zu sichern, liegt der Fokus wieder auf Gewinnmaximierung. Diese Entwicklung stellt nicht nur einen klaren Rückschritt im Mieterschutz dar, sondern auch eine Abkehr von der ursprünglichen Zielsetzung, eine soziale und gerechte Wohnungspolitik in Berlin zu gewährleisten.
Fortschritte und Herausforderungen bei der Wärmewende
2024 war die Wärmewende ein bestimmendes Thema. Ein zentraler Erfolg war der Rückkauf des Berliner Fernwärmenetz von Vattenfall für 1,6 Milliarden Euro, was neue Gestaltungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Wärmeversorgung eröffnet. Ob diese zugunsten von Mieter:innen genutzt werden, bleibt ungewiss. Wirtschaftssenatorin Giffey forderte im Herbst 2024 in ihrer Stellungnahme zur Novelle der Fernwärme an das Bundeswirtschaftsministerium eine zusätzliche Preisanpassung für Fernwärme und Contractingunternehmen. Das klingt für Mieter:innen, die in den letzten Heizperioden mit massiv steigenden Kosten zu kämpfen hatten, zunächst wenig vielversprechend.
Ein wichtiger Meilenstein war die Errichtung einer Großwärmepumpe im „Energiedreieck Ruhleben“. Diese nutzt Abwärme aus Müllverbrennung und Kläranlagen, um Wasser für rund 80.000 Haushalte zu erhitzen. Parallel dazu wurden in Potsdam mit 3D-Seismik und einer kilometertiefen Testbohrung die Potenziale der Geothermie untersucht. Der Senat plant bis 2028 insgesamt zwölf weitere Bohrungen in Berlin, um diese Technologie auszubauen.
Auch Abwärme aus Rechenzentren rückt zunehmend in den Fokus als potenzielle Wärmequelle. Innovative Ansätze wie Niedertemperaturnetze gelten zudem als Schlüsseltechnologie für die zukünftige Wärmeversorgung. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung voranzutreiben und Berlin auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen. Bei der kommunalen Wärmeplanung kommt Berlin voran: Erste Zwischenergebnisse wurden im Herbst 2024 präsentiert, bis Ende 2025 soll es weiteren Aufschluss über nutzbare Wärmequellen für Quartiere und Bezirke geben.
Balkonsolarkraftwerke: Ein kleiner Lichtblick
Seit Herbst 2024 können Mieter:innen leichter einen eigenständigen Beitrag zur Energiewende leisten: Vermieter:innen dürfen die Genehmigung von Balkonsolarkraftwerken nur noch in Ausnahmefällen verweigern. Diese Mini-Kraftwerke bringen zwar nicht so viel Leistung wie größere Anlagen auf den Dächern, bieten jedoch eine einfache Möglichkeit, selbst Solarstrom zu erzeugen.
Seit Februar 2023 fördert der Senat die Anschaffung mit Beträgen zwischen 500 und 1.000 Euro. Überschüssiger Strom wird ins Berliner Stromnetz eingespeist. Damit erzeugen Balkonsolarkraftwerke nicht nur klimafreundlich Energie für einzelne Haushalte, sondern bringen auch die Energiewende in Berlin auf dezentraler Ebene voran.
Mietpreisbremse: Ein Wettlauf gegen die Zeit
Mit dem Ende der Ampelkoalition bleiben viele Projekte auf der Strecke. Der Wahlkampf entfaltet dabei eine doppelte Dynamik: Zum einen überbieten sich Parteien jetzt mit neuen Versprechungen, um sich von ihrer sozialen Seite zu zeigen. So fordert die SPD etwa Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen in Indexmietverhältnissen und eine Schärfung des Wirtschaftsrechts zur Bekämpfung von Mietwucher. Andererseits schmücken sich Parteien mit Vorhaben, die ohnehin umgesetzt werden sollten, wie die Verlängerung der Mietpreisbremse.
Vor allem das Auslaufen der Mietpreisbremse alarmiert Mieter:innen und ihre Interessenvertretungen. Das entsprechende Bundesgesetz hat das Instrument bis Ende 2025 befristet; in Berlin läuft die Bremse schon Ende Mai aus. Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen sagte im Dezember 2024 dem Tagesspiegel, dass an einer Verlängerung zumindest bis zur bundesweit möglichen Frist Ende 2025 gearbeitet werde. Dafür muss der Senat die Rechtsverordnung zur Mietenbegrenzung in Berlin neu beschließen.
Volksentscheide werden weiter ignoriert
Wenig optimistisch stimmt der Umgang des Senats mit dem Volksentscheid der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen. 2024 wurden keine weiteren Schritte unternommen, um dem Willen der Berliner:innen zu entsprechen. Im September 2021 haben sich 59,1 Prozent der Berliner:innen für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen ausgesprochen. Nachdem die eingesetzte Expert:innenkommission bereits 2023 die Machbarkeit zur Umsetzung der Vergesellschaftung privatwirtschaftlicher Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen vorgelegt hatte, hätte ein Gesetzentwurf erarbeitet werden müssen – zumindest ein wie im Koalitionsvertrag vereinbartes Vergesellschaftungsrahmengesetz, für das sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegener erwärmen konnte. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen hat die Initiative im Frühjahr 2024 selbst die Arbeit an einem Gesetz übernommen. In Zusammenarbeit mit einer renommierten Kanzlei und weiteren Expert:innen wird der Entwurf nun ausgearbeitet. Die Vorlage des Gesetzentwurfs könnte 2025 erfolgen – wir sind gespannt!
Auch der Volksentscheid gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes wird durch den Senat infrage gestellt. Trotz breiter Kritik hat der Senat einen internationalen Ideenwettbewerb und eine Dialogwerkstatt mit ausgewählten Bürger:innen initiiert, um eine „behutsame Randbebauung“ zu ermöglichen. Erste Ergebnisse der Dialogwerkstatt zeigen jedoch, dass ein Großteil der Berliner:innen weiterhin den Erhalt des Tempelhofer Feldes als unbebaute Erholungsfläche fordert. Doch der Prozess geht weiter, ungeachtet der Kosten: Im Frühjahr 2025 sollen die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs und des Bürger:innendialogs vorliegen. Der aktualisierte Stadtentwicklungsplan Wohnen 2040 (StEPWohnen 2040) liegt seit dem Sommer 2024 vor und weist Potenzialflächen für rund 220.000 Wohnungen aus – ohne das Tempelhofer Feld.
Im Bund nicht umgesetzt: Klimageld, Umwandlungsverbot, Fernwärmeverordnung
Das versprochene Klimageld wurde 2024 nicht ausgezahlt – und wird es wahrscheinlich auch 2025 nicht. Dennoch wurde der CO2-Preis zum 1. Januar 2024 erhöht, obwohl das Klimageld besonders sparsame Haushalte entlasten sollte. Der Berliner Mieterverein kritisiert diese Entwicklung als faktische Steuererhöhung, die Menschen mit weniger Geld prozentual stärker belastet.
Auch die Novelle des Baugesetzbuches wurde nicht abgeschlossen. Der Deutsche Mieterbund (DMB) begrüßte an dem Gesetzesentwurf, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum stärker in den Fokus gerückt werden sollte und der Paragraf zur Definition von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt entfristet werden könnte. Gleichzeitig äußerte der DMB jedoch scharfe Kritik: Der geplante „Bau-Turbo“ würde Schutzinstrumente in Milieuschutzgebieten aushebeln, das kommunale Vorkaufsrecht nicht wiederherstellen und den Umwandlungsschutz von Miet- in Eigentumswohnungen lediglich um zwei Jahre verlängern. Die Reform kam aufgrund der Neuwahlen ins Stocken. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Bundesregierung wichtige Reformen und Schutzinstrumente im Baugesetzbuch zeitnah umsetzen wird.
Ein weiterer ungelöster Punkt betrifft die Transparenz bei der Preisgestaltung für Fernwärme und Wärmecontracting, die eine Schlüsselrolle in der Wärmewende spielt. Aktuell können Fernwärmeanbieter und Contracting-Unternehmen die Preise einseitig erhöhen, ohne dass Mieter:innen ein Sonderkündigungsrecht bei den oft zehn Jahre laufenden Verträgen zusteht. Die geplante Überarbeitung der „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme“ (AVBFernwärmeV) sollte die Preisgestaltung von Fernwärme und Contracting-Unternehmen nachvollziehbar machen und Preisanpassungen begrenzen. Der Lieferant könnte sich dabei auf den Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes, eigene Kosten oder die Preissteigerungen des Primärenergielieferanten beziehen.
DMB und Mieterverein fordern schärfere Maßnahmen: staatliche Preiskontrollen, eine verpflichtende Orientierung am Wärmepreisindex und eine Deckelung von Preiserhöhungen auf maximal zehn Prozent innerhalb von fünf Jahren. Ohne diese Vorgaben drohen Mieter:innen weiterhin unkontrollierten Kostensteigerungen ausgeliefert zu sein. Missbräuche von Versorgungsunternehmen müssen durch staatliche Behörden geahndet und empfindlich sanktioniert werden.
Harte Zeiten stehen bevor
Die Perspektiven für Mieter:innen in Berlin bleiben auch 2025 angespannt. Während die politischen Weichenstellungen im vergangenen Jahr kaum zur Entlastung beigetragen haben, könnten kommende Herausforderungen – vom Auslaufen der Mietpreisbremse bis hin zu weiter steigenden Energie- und Wohnkosten – die Lage zusätzlich verschärfen.
Die Bemühungen um Neubau und Wärmewende bieten zwar grundsätzlich Hoffnung, doch ihre sozialverträgliche Umsetzung bleibt fraglich. Es mangelt weiterhin am politischen Willen, um den Druck auf einkommensärmere Haushalte zu mindern. Daran vermag auch die Wohngeldreform und die steigende Anzahl an Haushalten im Wohngeldbezug nichts ändern. Denn: Wohngeld subventioniert hohe Mieten zulasten der privaten Haushalte.
Die Durchsetzung mieter:innenfreundlicher Maßnahmen wird daher auch 2025 maßgeblich von der Stärke und dem Einsatz zivilgesellschaftlicher Initiativen wie dem BMV abhängen. Ohne deren Druck droht die soziale Wohnraumpolitik immer weiter ins Hintertreffen zu geraten.
ml, fs
22.01.2025