Der Berliner Doppelhaushalt 2026/2027 soll im Dezember beschlossen werden. Seine Grundrichtung ist eindeutig: Der Senat setzt massiv auf den Wohnungsneubau. Gleichzeitig wird bei den Strukturen gekürzt, die dafür sorgen, dass Stadtteile sozial stabil, lebenswert und zusammenhaltend bleiben.
Der schwarz-rote Senat verhandelt derzeit den Doppelhaushalt 2026/2027. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt und den immer weiter steigenden Mieten, zeigt der aktuelle Entwurf leider eine Verschiebung der Schwerpunkte: Während sich die Investitionen in den Wohnungsneubau nahezu verdoppeln, stehen Programme der Stadterneuerung, das Quartiersmanagement, Beteiligungsprogramme und die soziale Infrastruktur unter Druck.
In einigen Programmen bleibt das Finanzierungsvolumen zwar konstant zu den Vorjahren, Inflation, steigende Bau- und Personalkosten sowie stetig wachsende Bedarfe schmälern jedoch die reale Förderkraft teilweise erheblich. Die Spannung zwischen ambitionierten Neubauprojekten und stagnierenden sozialen Begleitmaßnahmen prägt das Bild des kommenden Doppelhaushalts.
Der Etat für das Kapitel Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung wächst von 905 Millionen Euro im Jahr 2025 auf 1,85 Milliarden Euro im Jahr 2026 und weiter auf 2,19 Milliarden Euro im Jahr 2027. Damit steigt dieser Haushaltsbereich so stark wie kaum ein anderer im Stadtentwicklungsetat.
Deutliche Ausweitung und neue Förderarchitektur
Der Doppelhaushalt sieht eine deutliche Ausweitung der Wohnraumförderung vor – bei gleichzeitiger Änderung der Förderarchitektur.
Die Finanzierung des Neubaus stützt sich künftig vor allem auf schuldenbremsenkonforme Transaktionskredite des Landes Berlin, die über die Investitionsbank Berlin (IBB) vergeben werden. Für 2026 stehen 1,085 Milliarden Euro und für 2027 weitere 1,383 Milliarden Euro als zinsgünstige Darlehen bereit. Damit wird die IBB faktisch zur zentralen Förderbank des Berliner Wohnungsneubaus, während die Mittel direkt über den Landeshaushalt gesteuert werden.
Zuschüsse hingegen werden weiterhin über das Sondervermögen Wohnraumförderfonds Berlin (SWB) ausgereicht, das aktuell rund 48 Millionen Euro umfasst und sich aus Rückflüssen früherer Förderdarlehen in den kommenden zwei Jahren speist.
Parallel steigen auch die Fördermittel des Bundes deutlich an – von 108 Millionen im Jahr 2025 auf 152 (2026) und 167,6 Millionen Euro (2027). Damit ergänzt der Bund die Berliner Programme insbesondere im Bereich sozialer und klimafreundlicher Wohnungsbau.
Die Finanzierung im Überblick
| HH 2026/2027 | 2026 | 2027 |
| Darlehen IBB | 1,085 Mrd. € | 1,383 Mrd. € |
| Zuschüsse Bund | 152 Mio. € | 167,64 Mio. € |
| Zuschüsse SWB | 336,84 Mio. € | 321,51 Mio. € |
| – Wohnungsneubau | 284,63 Mio. € | 254,33 Mio. € |
| – Genossenschaftsförderung | 7,96 Mio. € | 1,84 Mio. € |
| – Klimagerechtes Bauen | 42,58 Mio. € | 38,36 Mio. € |
| – Junges Wohnen | 1,68 Mio. € | 26,98 Mio. € |
| Gesamt Förderung | 1,574 Mrd. € | 1,872 Mrd. € |
Schwerpunkt: Sozialer Neubau
Kern der Neuausrichtung ist die Wohnungsneubauförderung, die mit rund 285 Millionen Euro Zuschüssen im Jahr 2026 und 254 Millionen Euro im Jahr 2027 ausgestattet ist. Hinzu kommen die erwähnten IBB-Darlehen, die etwa zwei Drittel der Förderung ausmachen. Mit diesen Mitteln sollen zehntausende neue Mietwohnungen entstehen – vor allem im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung mit Mietpreis- und Belegungsbindungen.
Entscheidend für den Wert dieser Förderungen bleibt jedoch die soziale Bindung. Laut Senat haben die 2024 eingeführten Förderkonditionen – darunter 30-Prozent-Investitionszuschüsse im Förderweg 1 – zwar Bauanträge für rund 5.000 Sozialwohnungen ausgelöst. Aber ohne dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindungen fällt geförderter Wohnraum spätestens nach 30 Jahren aus den Bindungen und geht in den frei finanzierten Wohnungsmarkt über. Diese zeitliche Begrenzung war bereits eine Hauptursache für den massiven Verlust früherer Sozialwohnungsbestände – und ein zentraler Grund, warum viele Mieter:innenorganisationen, Verbände und Gewerkschaften eine weitreichende Neue Wohngemeinnützigkeit mit dauerhaften Mietpreis- und Belegungsbindungen fordern.
Landeseigene Wohnungsunternehmen: Wenig Kapital, Druck auf die Mieten
Die Kapitalzuführungen an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften steigen zwar leicht – auf 34,1 Millionen Euro im Jahr 2026 und 42,7 Millionen Euro im Jahr 2027. Sie liegen damit jedoch nur knapp über dem Niveau von 2025.
Dieses Volumen mag ausreichen, um steigende Zinsen abzufedern. Von der im schwarz-roten Koalitionsvertrag angekündigten „strategischen Ankaufspolitik“ ist man jedoch weit entfernt. Auch müssen die LWU weiterhin ihre Neubauaktivitäten aus den Mieten finanzieren. Das löst einen erheblichen Druck auf Mieter:innen der LWU aus.
Es stellt sich die Frage, ob der Senat mit der begrenzten Ausstattung bewusst die Handlungsspielräume der LWU einschränkt, um privaten Bauträger:innen eine stärkere Rolle beim Wohnungsneubau zu sichern.
Klimaschutz, Genossenschaften und Modernisierung im Schatten
Während der Neubau massiv gestärkt wird, bleiben Programme für die energetische Modernisierung, wichtige Sanierung und Bestandsförderung deutlich kleiner dimensioniert. Das Programm „Klimagerechtes Bauen“ erhält 42,6 Millionen Euro (2026) und 38,4 Millionen Euro (2027) an Zuschüssen. Damit sollen energetische Sanierungen und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz gefördert werden – allerdings wird das Volumen kaum ausreichen, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die Förderbedingungen gestaltet werden und ob insbesondere bei den Sanierungen neue Sozialbindungen Bestandteil der Förderverträge sein werden.
Die Genossenschaftsförderung, die gemeinschaftliches Wohnen und alternative Eigentumsformen stärkt, schrumpft von 7,96 Millionen Euro (2026) auf nur 1,84 Millionen Euro (2027). Auch hier wird der Darlehensanteil über die IBB abgewickelt, doch das geringe Zuschussvolumen zeigt, dass soziale Vielfalt beim Wohnen und kollektive Eigentumsformen im Haushalt an Gewicht verlieren.
Neue Programme: „Junges Wohnen“ und Wohneigentum
Mit „Junges Wohnen“ startet ein Förderprogramm für Wohnheime für Auszubildende und Studierende – 1,68 Millionen Euro (2026) und 26,98 Millionen Euro (2027) sind eingeplant. Zumindest für 2027 ist damit ein erheblicher Zuwachs der Mittel gegeben und damit auch die Aussicht, dass junge Menschen in Ausbildung in einigen Jahren wieder mehr Chancen auf dem Berliner Wohnungsmarkt haben. Die Wohneigentumsförderung bleibt mit 17 Millionen Euro pro Jahr konstant. Sie verliert jedoch real an Wirkung: Die Mittel stehen künftig nicht mehr vorrangig Mieter:innen zur Verfügung, die ihre Wohnungen über das Mieter:innenvorkaufsrecht erwerben wollen, sondern sollen zudem auch Familien einer bestimmten Einkommenskategorie zugute kommen. Für die altersgerechte und barrierefreie Modernisierung sind Finanzierungszuschüsse in Höhe von etwa 3,5 Millionen Euro vorgesehen, ob damit auch neue Belegungs- oder Mietpreisbindungen einhergehen, ist derzeit noch offen.
Stadtentwicklung: Stabil auf dem Papier, schwächer in der Realität
Während der schwarz-rote Senat den Neubau deutlich ausweiten will, bleiben die Mittel für zentrale Programme der Stadterneuerung nominell konstant – mit jährlich rund 28 Millionen Euro für Sozialen Zusammenhalt sowie jeweils etwa 45 Millionen Euro für Nachhaltige Erneuerung und Lebendige Zentren und Quartiere.
Doch gleichbleibende Zahlen bedeuten nicht gleichbleibende Wirkung. Steigende Bau- und Personalkosten und zugleich wachsende soziale Herausforderungen in vielen Quartieren schmälern die realen Handlungsspielräume erheblich.
Stärker betroffen ist das Programm „Europa im Quartier“: Das Volumen sinkt von 39,5 Millionen Euro im Jahr 2026 auf nur noch 19,7 Millionen Euro im Jahr 2027. Damit verlieren zahlreiche Bezirke die Möglichkeit, EU-kofinanzierte Projekte zur sozialen Teilhabe fortzuführen oder zu erneuern.
Berlin könnte bei entsprechender Ko-Finanzierung beachtliche Fördermittel der EU in Anspruch nehmen, doch durch die Absenkung der Mittel im Haushalt bleibt ein Teil der EU-Förderung liegen.
Quartiersmanagement: Strukturen ohne Weiterentwicklung
Berlin verfügt über etwa 30 bis 35 Quartiersmanagementgebiete in besonders belasteten Stadtteilen. Die QM-Teams unterstützen lokale Initiativen, stärken Nachbarschaften und schaffen Zugänge zu Bildung, Gesundheit und Freizeit. Sie sind damit zentrale Akteure für sozialen Zusammenhalt vor Ort. In manchen Quartieren sind die Mittel schon seit einigen Jahren nicht ausreichend.
Das Quartiersmanagement bleibt erhalten, doch die finanziellen Spielräume werden enger. Zwar steigt der Gesamtansatz für die Vergütung der QM-Teams von derzeit rund 8,5 Millionen Euro auf 8,65 Millionen Euro im Jahr 2026 und auf 9,475 Millionen Euro im Jahr 2027. Allerdings steigen die Kosten und Herausforderungen schneller als der Haushalt. Dadurch verschiebt sich die Struktur der Mittel: Ein immer größerer Teil fließt in die Grundfinanzierung, während für Projekte, Beteiligungsprozesse und Quartiersfonds faktisch weniger bleibt.
Die QM-Büros bleiben also als verlässliche Adresse im Kiez bestehen. Ihre aktivierende, nachbarschaftsorientierte Arbeit verliert jedoch vermutlich real an Spielraum.
Wohnungslosigkeit: Trotz steigender Fallzahlen keine Ausweitung
Im Bereich der Wohnungs- und Wohnungslosenhilfe setzt der Haushalt auf reine Bestandssicherung statt Weiterentwicklung. Das Housing-First-Programm läuft weiter, erhält aber keine zusätzlichen Mittel. Housing First bedeutet, dass wohnungslose Menschen direkt eine eigene, unbefristete Wohnung beziehen können – ohne vorherige Bedingungen wie Therapie, Abstinenz oder den Nachweis sogenannter „Wohnfähigkeit“. Sozialarbeitende begleiten in Folge die Menschen, um ihre Schwierigkeiten zu überwinden.
Zudem soll die Strategiekonferenz Wohnungslosenhilfe künftig nur noch alle zwei Jahre stattfinden. Gerade dieser Austausch zwischen Träger:innen, Verwaltung und Politik war bisher ein wichtiges Instrument, um auf neue Problemlagen reagieren zu können und koordinierte Strategien zu entwickeln. Weniger Abstimmung bedeutet zwangsläufig eine verlangsamte Reaktion auf Veränderungen – in einem Bereich, in dem oft schnelle Hilfe entscheidend ist.
Dabei steigt die Zahl der Menschen ohne sichere Wohnung seit Jahren kontinuierlich. Die Lage wird komplexer, nicht einfacher – Familien, junge Erwachsene nach stationären Maßnahmen, EU-Bürger:innen sowie ältere Menschen sind zunehmend betroffen. Eine Politik, die unter diesen Voraussetzungen lediglich weitermacht wie bisher, verschiebt Probleme in die Zukunft. Der Senat selbst prognostiziert, dass die Zahl der Menschen in Wohnungslosigkeit bis 2030 von jetzt 53.000 auf etwa 90.000 Personen in ASOG-Unterkünften (Not- und Übergangsunterkünfte auf Grundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes) anwachsen würde. Sozialverbände haben dem Senat vermittelt, dass es weiteren Verhandlungsbedarf gibt. Möglicherweise kann es im Bereich der sozialen Hilfen also noch Änderungen geben.
Fortschritt mit Fragezeichen: Das Wohnungs- und Mietenkataster
Positiv hervorzuheben ist, dass Berlin die Einrichtung eines Wohnungs- und Mietenkatasters haushalterisch erneut unterlegt. Für die Jahre 2026 und 2027 sind jeweils 250.000 Euro vorgesehen. Ein solches Register könnte Transparenz schaffen, indem es Miethöhen und Eigentümer:innen systematisch erfasst.
Bereits in den Haushaltsjahren 2024 und 2025 standen rund 1,1 Millionen Euro für den Aufbau eines Katasters bereit. Vertreter:innen der Opposition berichten allerdings, dass die Arbeiten an einem solchen Kataster nicht begonnen wurden, weil man auf Regelungen aus dem Bund warten würde. Ob und in welchem Umfang die Mittel künftig genutzt werden oder erneut an die Senatsverwaltung für Finanzen zurückfallen, bleibt offen.
Der BMV, zahlreiche Verbände und Politiker:innen fordern seit Jahren, ein solches Kataster endlich umzusetzen, um mehr Transparenz, Kontrollmöglichkeiten und Gerechtigkeit auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu schaffen. Wir behalten die weitere Entwicklung im Blick.
Fazit: Wachstum im Beton – Schrumpfung im Sozialen
Der Doppelhaushalt 2026/2027 setzt eindeutig auf den geförderten Wohnungsneubau. Die Fördervolumen steigen stark, finanziert über große schuldenbremsenkonforme Transaktionskredite aus dem Landeshaushalt. Damit können Investor:innen zwar kurzfristig mehr bauen. Entscheidend wird jedoch sein, welche Anteile tatsächlich in den sozialen Wohnungsbau, die energetische Sanierung und das klimagerechte und junge Wohnen fließen werden. Ebenso bleibt offen, ob der Senat die Wohnungsförderrichtlinien überarbeiten wird, insbesondere bei den Bindungsdauern und den Voraussetzungen für Investitionszuschüsse.
Wenn bezahlbarer und geförderter Neubau mit langfristigen Mietpreis- und Belegungsbindungen gesichert wird, würde das die soziale Wohnraumversorgung stärken. Durch Anreize und Spielräume für private Bauträger:innen besteht die Gefahr, dass geförderte Wohnungen für die Stadt nicht langfristig gesichert bleiben und der sozialen Wohnraumversorgung entgleiten. Positive Beispiele für die soziale Wohnraumversorgung gibt es: In Hamburg sind inzwischen die Bindungen eines Teilprogramms für 100 Jahre festgeschrieben.
Während die Mittel vor allem in den Sozialwohnungsbau fließen, geraten gleichzeitig zentrale soziale und stadtentwicklerische Strukturen unter Druck. Programme für Stadterneuerung, Quartiersmanagement und soziale Infrastruktur bleiben teils nur nominell stabil, verlieren aber real an Wirkungskraft. Auch die Wohnungslosenhilfe wird nicht ausgebaut, obwohl der Bedarf weiter steigt. So entsteht ein deutliches Ungleichgewicht.
Die zentralen Fragen des Haushalts lauten daher: Berlin wächst – aber wächst es sozial und klimagerecht? Und: Wird die neue Wohngemeinnützigkeit bei den Förderkrediten und Zuschüssen eine Rolle spielen?
Noch ist das offen. In den Haushaltsverhandlungen entscheidet sich, ob Berlin künftig vor allem auf Neubau setzt oder auch die große Bedeutung sozialer Infrastruktur, dauerhafter Miet- und Belegungsbindungen sowie einer starken Rolle von LWU und Genossenschaften anerkennt und stärkt.
fs
18.11.2025




