1. Die Veräußerung vermieteten Wohnraums an eine Personenhandelsgesellschaft (hier: GmbH & Co. KG) löst nicht die in der Vorschrift des § 577 a Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BGB geregelte Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen des Erwerbers aus.
2. Eine (erstmalige) Veräußerung vermieteten Wohnraums nach dessen Umwandlung in Wohnungseigentum lässt (ausnahmsweise) nicht die Kündigungssperrfrist gemäß § 577 a Abs. 1 BGB beginnen, wenn sie einem Erwerb des noch nicht aufgeteilten Hausgrundstücks durch eine Personengesellschaft oder Erwerbermehrheit im Sinne des § 577 a Abs. 1 a BGB nachfolgt (§ 577 a Abs. 2 a BGB). Soweit die Vorschrift des § 577 a Abs. 2 a BGB für diesen Fall den Zeitpunkt der Veräußerung an die Personengesellschaft oder Erwerbermehrheit auch im Verhältnis zum Erwerber des Wohnungseigentums für maßgeblich erklärt, setzt sie nicht voraus, dass es sich bei dem Erwerber um einen der Gesellschafter oder der Miteigentümer handelt.
BGH vom 6.8.2025 – VIII ZR 161/24 –
Langfassung im Internet hier: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 24 Seiten]
Das hier verhandelte Problem erschließt sich bei der Lektüre des Leitsatzes nicht auf den ersten Blick. Dabei ist der zugrunde liegende Sachverhalt einfach:
• 2004: Mietvertragsabschluss
• Januar 2012: Grundbucheintragung einer GmbH & Co. KG als neuer Eigentümer des gesamten Mehrfamilienhauses
• April 2013: Umwandlung des Hauses gemäß § 8 WEG in Wohnungseigentum
• März 2017: Grundbucheintragung des X. als neuer Eigentümer der Mieterwohnung
• September 2022: Kündigung durch X. wegen Eigenbedarfs
Der Mieter hielt die Kündigung wegen des Laufs der 10jährigen Umwandlungssperrfrist für unwirksam. Der Vermieter hingegen meinte, die 10-Jährige Sperrfrist sei bereits im Januar 2022 abgelaufen.
Die Wohnung liegt in München, wo gemäß § 577 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit einer entsprechenden Landesverordnung nicht nur eine dreijährige, sondern eine zehnjährige Sperrfrist – so wie in Berlin – gilt.
Das Landgericht folgte der Ansicht des Mieters, der BGH bestätigte im Ergebnis das Landgericht.
Wie nur konnte der Vermieter zu seiner gegenteiligen Ansicht gelangen? Zur „Ehrenrettung“ des den Vermieter vertretenden Anwalts muss allerdings gesagt werden, dass er die bis dato wohl herrschende Meinung zur Anwendung der Kündigungssperrfrist in diesem Fall vertreten hat.
Die vermieterseitige Rechtsansicht stützt sich auf eine zum 1.5.2013 erfolgte Ergänzung des § 577 a BGB durch einen Absatz 1 a und einen Absatz 2 a. Die Vorschriften lauten:
„(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
2. zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.
(2a) Wird nach einer Veräußerung oder Belastung im Sinne des Absatzes 1 a Wohnungseigentum begründet, so beginnt die Frist, innerhalb der eine Kündigung nach § 573 Absatz 2 Nummer 2 oder 3 ausgeschossen ist, bereits mit der Veräußerung oder Belastung nach Absatz 1 a.“
In Anwendung dieser Vorschriften kam der Vermieter zu dem Schluss, dass die zehnjährige Kündigungssperrfrist mit Eintragung der GmbH & Co. KG im Grundbuch im Januar 2012 zu laufen begann und demnach bei Zugang der Kündigung bereits verstrichen war.
Und in der Tat regelt der Absatz 1a des § 577 a BGB einen Fall, wo die Umwandlungssperrfrist analog gilt, obwohl noch – wie im vorliegenden Fall – keine Umwandlung in Eigentumswohnungen erfolgt ist. Deshalb erscheint daher die Argumentation des Vermieters bestechend. Warum nun urteilte der BGH gegenteilig?
Anders als die bis dato herrschende Meinung geht der BGH davon aus, dass eine GmbH & Co. KG keine „Personengesellschaft“ im Sinne des § 577 a Abs. 1 a BGB ist. Die Folge: Der Erwerb durch die GmbH & Co. KG löst keine Kündigungssperrfrist aus. Im vorliegenden Fall wird die Kündigungssperrfrist erst durch die Grundbucheintragung des X. im Jahre 2017 ausgelöst. Die Kündigung durch X. kam also 5 Jahre zu früh.
Der BGH begründet seine Ansicht wie folgt:
Soweit der Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Begriffs der Personengesellschaft darauf hindeute, dass neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts weitergehend auch Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft) erfasst sein könnten, drücke er den Regelungswillen des Gesetzgebers, wie er sich unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der nachträglich eingefügten Vorschriften und des Gesamtzusammenhangs der einschlägigen Regelungen ergibt, nicht hinreichend deutlich aus. Er sei daher in dem Sinne (einschränkend) auszulegen, dass von dem Begriff der Personengesellschaft in § 577 a Abs. 1 a BGB nicht die Personenhandelsgesellschaften wie die hier in Rede stehende GmbH & Co. KG erfasst seien.
Der Gesetzgeber wollte mit der Ergänzung der Absätze. 1 a und 2 a ausweislich der Gesetzesmaterialien die in der Praxis aufgetretene Umgehung des Kündigungsschutzes insbesondere nach dem sogenannten „Münchener Modell“ unterbinden.
Der Gesetzgeber habe beim „Münchener Modell“, bei dem eine (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Erwerb des mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Begründung von Wohnungseigentum und den anschließenden Verkauf von Eigentumswohnungen an Interessenten verzichtete und stattdessen wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter oder der Miteigentümer kündigte, das von einem Erwerb durch eine solche Gesellschaft oder Miteigentümergemeinschaft ausgehende Verdrängungsrisiko für den einzelnen Mieter als ebenso hoch angesehen wie den Fall der Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und der anschließenden Veräußerung des Wohnungseigentums. Denn die Miteigentümergemeinschaft könne sich für einen der Miteigentümer beziehungsweise die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts für einen ihrer Gesellschafter auf Eigenbedarf berufen, weshalb schon ab ihrem Eintritt in das bestehende Mietverhältnis – unabhängig von einer Begründung von Wohnungseigentum – für den Mieter das Risiko einer Eigenbedarfskündigung des Mietverhältnisses bestehe (vgl. BT-Drucks. 17/10485, S. 3, 16, 26).
Mit den Neuregelungen sollte diese Schutzlücke geschlossen und eine faktische Umgehung des Kündigungsschutzes bei der Umwandlung insbesondere nach dem „Münchener Modell“ unterbunden werden.
Die Rechtsprechung des BGH, nach der eine (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Wohnraummietverhältnis grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen darf, lasse sich aber nicht auf Personenhandelsgesellschaften wie die Kommanditgesellschaft oder die offene Handelsgesellschaft – und somit auch nicht auf die im Streitfall in Rede stehende GmbH & Co. KG – übertragen (vgl. BGH vom 15.12.2010 – VIII ZR 210/10 –; BGH vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15 –).
Dementsprechend würden sich die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien ausführlich (allein) mit der Situation bei Veräußerungen an eine (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft und der in diesen Fällen bestehenden Schutzlücke befassen (vgl. BT-Drucks. 17/10485, S. 16).
Am Rande weist der BGH noch darauf hin, dass die Anwendung des § 577 a Abs. 2 a BGB nicht davon abhängt, ob die dem Erwerb durch eine Personengesellschaft oder Erwerbermehrheit im Sinne des § 577 a Abs. 1 a BGB nachfolgende Veräußerung an einen der Gesellschafter oder Miteigentümer erfolgt oder aber – wie hier – an einen Dritten.
Fazit:
Auch ohne eine Umwandlung in Wohnungseigentum wird gemäß § 577 a Abs. 1 a BGB die Sperrfrist durch eine Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Personengesellschaft oder Mehrheit an Erwerbern ausgelöst. Wird im Anschluss an eine solche Veräußerung Wohnungseigentum begründet, tritt der Erwerber in die Restlaufzeit der Sperrfrist ein (§ 577 a Abs. 2 a BGB).
Auch wenn es in § 577 a Abs. 1 a BGB „Personengesellschaft“ heißt, wird die Sperrfrist nur durch einen Verkauf an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eine Mehrheit an Erwerbern ausgelöst, aber nicht durch einen Verkauf an eine Personenhandelsgesellschaft wie zum Beispiel eine KG, OHG oder GmbH & Co. KG. Denn anders als eine GbR kann eine Personenhandelsgesellschaft keinen Eigenbedarf für ihre Gesellschafter geltend machen. Die Gefährdungslage für Mieter ist daher nicht vergleichbar mit der bei einer Veräußerung an eine GbR.
28.10.2025




