Ein rechtliches Interesse gemäß § 485 Abs. 2 ZPO an der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB oder an der Feststellung von Wohnwertmerkmalen, mit deren Hilfe Zu- und Abschläge vom Mittelwert der einschlägigen Mietspiegelspanne zur Bestimmung der konkreten ortsüblichen Einzelvergleichsmiete vorgenommen werden können, besteht grundsätzlich nicht. Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO lässt sich weder mit der Ausgestaltung des in den §§ 558 ff. BGB geregelten Mieterhöhungsverfahrens noch mit den hiermit verfolgten Zwecken vereinbaren. Auch ist die Anordnung eines solchen Beweisverfahrens zur Vermeidung eines Rechtsstreits über eine von dem Vermieter begehrte Mieterhöhung nicht erforderlich.
BGH vom 1.7.2025 – VI ZR 357/24 –
Langfassung im Internet hier: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 16 Seiten]
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2023 verlangte der Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Der Mieter stimmte der Mieterhöhung nicht zu und stellte unter anderem die zu ihrer Begründung herangezogenen wohnwerterhöhenden Merkmale in Abrede.
Der Vermieter hatte daraufhin – statt eine Zustimmungsklage zu erheben – beim Amtsgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens zu 18 Fragen betreffend verschiedene Merkmale des Mietobjekts beantragt.
Amtsgericht und Landgericht hatten diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen.
Die vom Vermieter eingelegte Rechtsbeschwerde beim BGH hatte keinen Erfolg. Der BGH entschied wie aus dem Leitsatz ersichtlich.
Zur Begründung führte der BGH aus:
Das Mieterhöhungsverfahren sei in den §§ 558 bis 558 b BGB detailliert geregelt.
Hiermit solle ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern geschaffen und Streitigkeiten möglichst vermieden werden.
Ein selbstständiges Beweisverfahren würde die Schutzmechanismen der §§ 558 ff. BGB umgehen. Der Mieter müsste sich bereits vor Ablauf der gesetzlichen Fristen mit dem Gutachten auseinandersetzen und sich hierzu äußern, um seine Einwände gegen dieses in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess nicht zu verlieren. Die Regelungen zur Mieterhöhung sollen den Mieter aber gerade vor Entscheidungen unter Zeitdruck schützen.
Darüber hinaus könnte der Mieter mit Gutachtenkosten belastet werden, die er sonst nicht tragen müsste. Das widerspräche dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Interessenausgleich, denn bei der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens hätte der Mieter solche Kosten regelmäßig nicht zu tragen.
Ein selbstständiges Beweisverfahren sei auch nicht erforderlich, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Bereits das Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558 bis 558 b BGB sei auf Streitvermeidung ausgelegt.
Die gesetzliche Begründungspflicht für Mieterhöhungen ermögliche es dem Mieter, die Berechtigung des Verlangens zu überprüfen. Auch die Nutzung qualifizierter Mietspiegel diene der Objektivierung und Vereinfachung des Verfahrens. Nicht zuletzt biete die dem Vermieter eingeräumte Klagefrist ausreichend Zeit für eine außergerichtliche Einigung.
28.10.2025




