Fenster und Balkone dienen vielen Menschen als Bühne für Meinungsäußerungen. Aus unzähligen Wohnungen hängen Regenbogenfahnen, Plakate mit „Free Gaza“ oder Hertha-Flaggen. Ist das überhaupt erlaubt?

Foto: Sabine Mittermeier
Das Erstaunliche ist: Es gibt nur wenig Rechtsprechung zu diesem Thema. Zur in Berlin weit verbreiteten Regenbogenfahne als Symbol der queeren Community existiert kein einziges Urteil. Grundsätzlich ist das Anbringen von Plakaten, Flaggen oder Aufklebern von Artikel 5 des Grundgesetzes, dem Recht auf freie Meinungsäußerung, gedeckt. Aber: Im Streitfall wird das gegen eine mögliche Störung des Hausfriedens abgewogen. Es kommt also auf den Einzelfall an.
Unstrittig sind lediglich zwei Dinge. Zum einen darf die Fassade nicht beschädigt werden, etwa wenn in die Hauswand gebohrt wird, um die Halterung für eine Fahne anzubringen. Zweitens darf die Äußerung nicht gesetzeswidrig sein oder den Vermieter beleidigen. Sehen könnte man einen Gesetzesverstoß zum Beispiel bei der Parole „From the river to the sea“.
Bereits 1958 hatte das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass Mieter:innen grundsätzlich berechtigt sind, ihre Meinung auf diesem Wege kundzutun – jedenfalls solange dadurch nicht der soziale Friede innerhalb der Hausgemeinschaft gestört wird. Im konkreten Fall wurde jedoch genau das moniert: Die Wahlplakate, die der Mieter an die Außenwand seiner Wohnung gehängt hatte, seien nicht zulässig. Der Eigentümer könne verlangen, dass sie entfernt werden (BVerfG vom 15. Januar 1958 – 1BvR 184/54).
„Nazis raus“ darf hängen bleiben
Es geht also nicht nur um das Eigentumsrecht des Vermieters oder der Vermieterin, sondern auch um den Schutz der anderen im Haus. Daher könnte theoretisch auch die Entfernung einer Hertha-Fahne verlangt werden. Schließlich könnten im Haus auch Union-Fans wohnen, die sich von den Farben des Konkurrenzvereins belästigt fühlen. Umstritten ist, inwieweit allgemeinpolitische Statements erlaubt sind. Nicht beanstandet wurde in einem – schon älteren – Landgerichtsurteil ein zwei Meter langes und 50 Zentimeter breites Schild über dem Balkonfenster, mit dem ein Hamburger Mieter gegen die Stationierung von Raketen in der BRD protestierte (LG Hamburg vom 26. März 1985 – 16 S 215/84 –). Auch das Aufhängen eines Plakates mit der Aufschrift „Nazis raus“ an der Balkonbrüstung kann vom Vermieter nicht untersagt werden, befand das Amtsgericht Neukölln (AG Neukölln vom 2. März 2011 – 5C340/10 –). Es habe keinen unzulässigen politischen Inhalt, präge die Hausfassade nur unwesentlich und störe den Hausfrieden nicht.

Foto: Sabine Mittermeier
Und was ist, wenn die Hausordnung ein generelles Verbot von Aushängen enthält? „Hier kommt es auf den genauen Wortlaut der Vereinbarung an“, erklärt Sebastian Bartels von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins (BMV). Wird ein Aushang beanstandet, müsse die angebliche Gefahr für den Hausfrieden konkret dargelegt werden. „Mir ist unklar, wie das beispielsweise bei einer Regenbogenfahne begründet werden könnte“, so Bartels.
Birgit Leiß
30.10.2025




