Berlin steckt in der Wohnungskrise – neue, kreative Ansätze sind gefragt. Mit frischen Entwürfen von Grünen und Linken und den vor der Sommerpause angekündigten Eckpunkten der SPD nimmt die Diskussion wieder Fahrt auf. Der Handlungsdruck auf die Koalition nimmt zu. Ob Sicher-Wohnen-, Bezahlbare-Mieten- oder Wohnraumsicherungsgesetz – die Namen unterscheiden sich, das Ziel bleibt gleich: bezahlbaren Wohnraum sichern und Berlin wohnungspolitisch handlungsfähig machen. Ein Überblick.
Berlin kämpft weiter mit explodierenden Mieten, Wohnungsknappheit und Verdrängung. Das Wohnungswesen fällt seit 2006 grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer (§ 70 GG, Wohnungswesen als Länderaufgabe). Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom April 2021 zum Berliner Mietendeckel klargestellt, dass landesrechtliche Regelungen im Wohnungswesen dann zulässig sein können, wenn sie in bestehende privatrechtliche Mietverhältnisse eingreifen: Wesentliche Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien dürfen durch öffentlich-rechtliche Vorschriften überlagert werden.
Auf diesem rechtlichen Fundament basieren die aktuellen Entwürfe der Linken und der Grünen. Die Berliner SPD hatte bereits 2021 ein Wohnraumsicherungsgesetz ins Spiel gebracht. Stefan Machulik, Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz in der Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen kündigte auf der BMV Delegiertenversammlung im Mai 2025 an, dass der amtierende Senat nach dem Sommer ein Eckpunktepapier für das Gesetz vorlegen wolle – bislang ist dies jedoch nicht geschehen. Stattdessen haben die Fraktionen der Linken und Grünen inzwischen Gesetzeskonzepte präsentiert. Als Grundlagen dienen unter anderem rechtswissenschaftliche Gutachten von Professorin Pia Lange zur verpflichtenden Beteiligung privatwirtschaftlicher Wohnungsunternehmen an der sozialen Wohnraumversorgung, von Professor Stephan Klinski zur Marktzugangsbeschränkung für Akteure, die definierte Bewirtschaftungsregelungen missachten.
Sicher wohnen versus Bezahlbare Mieten
Die Linksfraktion strebt mit ihrem Entwurf eines „Sicher-Wohnen-Gesetzes“ an, jährlich etwa 17.000 Wohnungen zu Konditionen des sozialen Wohnungsbaus zu vermieten. Ein erweitertes Wohnungsamt auf Senatsebene soll Verstöße gegen Mietpreisregelungen ahnden, ein Eigentumskataster führen und die Vermietungsquoten der Wohnungsunternehmen kontrollieren. Zudem ist ein faktischer Abrissstopp vorgesehen, indem die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeitsgutachten verändert werden. Der Gesetzentwurf soll noch im Laufe dieses Jahres in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden.
Das „Bezahlbare Mieten–Gesetz“ der Grünen verfolgt ein ähnliches Ziel: die Sicherung einer angemessenen Wohnraumversorgung in Berlin als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge. Wohnungsunternehmen – einschließlich privater Vermieter:innen mit mehr als 50 Wohnungen – sollen verpflichtend zur Mitwirkung an der sozialen Wohnraumversorgung herangezogen werden. Kernstück ist die Durchsetzung der Regelungen aus Wohnraumbewirtschaftungs-, Wohnraumsicherungs- und Wohnungsaufsichtsgesetz sowie die Einrichtung eines Wohnungskatasters.
Insofern ähneln sich die Gesetzentwürfe. Beide Fraktionen fokussieren zunächst sehr stark auf die Wohnraumversorgung mit der verpflichtenden Vermietung von Sozialwohnungen. Die Grünen fordern zusätzlich, dass Vermieter:innen Rücklagen bilden und ihre Bestände instand halten. Die Linken setzen einen weiteren Schwerpunkt bei der Zweckentfremdung durch Abriss, Leerstand und Kurzzeitvermietungen. Sind es bei den Linken hauptsächlich Bußgelder, die als Sanktionen gegen säumige Vermietende zum Einsatz kommen sollen, setzen die Grünen bei schweren Verstößen sogar auf einen Veräußerungszwang. Damit knüpfen sie an den Vorschlag aus dem Jahr 2022 an, eine sogenannte Marktzugangsbeschränkung einzuführen.
Beide Gesetzentwürfe verfolgen letztlich das Ziel, eine öffentlich-rechtlich gesteuerte Wohnraumversorgung zu etablieren, die private Wohnungsunternehmen in Bezug auf Belegung, Mietpreis und Nutzung bindet. Damit sollen soziale Gerechtigkeit, Instandhaltung und Schutz marginalisierter Mieter:innengruppen langfristig sichergestellt werden.
Die Gesetzesentwürfe von Linken und Grünen im Vergleich:
| „Sicher-Wohnen-Gesetz“ der Linken |
„Bezahlbare-Mieten-Gesetz“ der Grünen |
|
|---|---|---|
| Zielsetzung | Erhalt und Sicherung bezahlbaren Wohnraums durch verbindliche Sozialwohnungsquoten und Schutz bestehender Mietverhältnisse. Fokus auf Bestandserhalt, Mieter:innenschutz und soziale Gerechtigkeit. | Aktive Steuerung und Kontrolle der Wohnraumversorgung als öffentliche Aufgabe. Integration mehrerer Gesetze, um die Wohnraumversorgung systematisch und verwaltungsseitig zu steuern. |
| Zentrale Instrumente | Sozialwohnungsquote*:
Mietpreisbindung: 7–11,50 €/m², max. 80 % der ortsüblichen Vergleichsmiete Zweckentfremdung: striktes Verbot, faktischer Abrissstopp, Treuhändermodell bspw. zur Instandsetzung Sanktionen: Bußgelder, Meldepflicht bei Wohnungsfreigabe |
Sozialwohnungsquote*:
Mietpreisbindung: max. 20 % unter ortsüblicher Vergleichsmiete, Mieterhöhung nur bei starkem Anstieg (+10 %) der Vergleichsmiete Kündigungsschutz: Ausschluss von Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen Rücklagen: verpflichtende Instandhaltungsrücklagen Sanktionen: Bußgelder, Veräußerungszwang |
| Aufgabe der Verwaltung | Einrichtung eines Landeswohnungsamts zur Kontrolle der Sozialquoten, Sanktionierung bei Verstößen, Führung eines Eigentumskatasters. Ziel: Sicherung der Wohnraumverteilung und Durchsetzung der Mietpreisbindung. | Landeswohnungsamt mit erweiterten Befugnissen: Überwachung der Einhaltung, Einrichtung eines Wohnungskatasters, Eingriff bei Verstößen (z. B. Treuhänder, Veräußerungspflicht). Ziel: aktives Wohnraummanagement. |
| Pflichten für Vermietende | Bereitstellung eines festgelegten Anteils an Sozialwohnungen für WBS-Haushalte, Instandhaltung der Wohnsubstanz, Vermeidung von Leerstand und Zweckentfremdung, Meldung freiwerdender Wohnungen. | Bereitstellung von Sozialwohnungsanteilen, Bildung von Instandhaltungsrücklagen, Einhaltung der Mietpreisbindung, Offenlegung von Informationen an Verwaltung, Verzicht auf Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen. |
| Links | Sicher-Wohnen-Gesetz | Bezahlbare-Mieten-Gesetz |
* Die Sozialwohnungsquote verpflichtet alle Wohnungsunternehmen, einen bestimmten Anteil ihres Bestandes – insbesondere in angespannten Wohngebieten – an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vermieten, um sozialen Wohnraum zu sichern, die Verantwortung auch privatwirtschaftlichen Anbietenden aufzutragen, bestehende Mietverhältnisse anzupassen und so die soziale Wohnraumversorgung in der angespannten Wohnungsmarktlage mitzutragen.
Politische Bewertung
Beide Gesetzentwürfe verfolgen das gemeinsame Ziel, Wohnraum sozial verträglich zu gestalten, unterscheiden sich jedoch in ihrer Methodik und Steuerungslogik:
- Das „Sicher-Wohnen-Gesetz“ der Linken ist stärker schützend und auf Bestandserhalt ausgerichtet. Es setzt auf hohe Sozialwohnungsquoten, feste Mietpreisobergrenzen für unterschiedliche WBS-Klassen sowie verbindliche Instandhaltungspflichten.
- Das „Bezahlbare-Mieten-Gesetz“ der Grünen verfolgt hingegen einen lenkenden und kontrollierenden Ansatz. Es schafft mit Instrumenten wie Treuhänderschaft, Veräußerungszwang bei Verstößen und einer durchsetzenden Instanz – dem Landeswohnungsamt – einen Mechanismus zur direkten Steuerung des Wohnungsmarkts.
Die Sozialwohnungsquoten bei den Linken sind insgesamt höher, während die Grünen auf proportional gestaffelte Vorgaben mit kontrollierendem Charakter setzen. Beide Entwürfe sehen Mietpreisbindungen vor. Allerdings ist fraglich, ob relative Obergrenzen – wie etwa 20 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete – in Städten mit sehr hohen Mieten tatsächlich für einkommensschwächere Haushalte bezahlbar sind.
Die SPD hat bislang keine klaren Schritte unternommen, um ihr bereits 2021 vorgeschlagenes Wohnraumsicherungsgesetz voranzutreiben. Trotz Ankündigungen, etwa zur Einführung einer Sozialwohnungsquote im Neubau, fehlen bisher verbindliche Konzepte. Das ist bedauerlich, immerhin ist die Partei in Regierungsverantwortung und hatte ein Wohnraumsicherungsgesetz für besondere Bedarfe im Koalitionsvertrag mit der CDU vereinbart.
Intelligente Wohnraumbewirtschaftung statt massenhaftem Neubau
Während die Linke die Sicherung von Sozialwohnungen und den Erhalt der Wohnsubstanz in den Mittelpunkt stellt, verfolgt die Grünen-Fraktion einen Ansatz der aktiven Lenkung und konsequenten Durchsetzung. Beide Entwürfe unterstreichen die Dringlichkeit, die soziale Wohnraumversorgung in Berlin politisch und verwaltungstechnisch aktiv zu gestalten. Vor dem Hintergrund des gescheiterten Berliner Mietendeckels an der Zuständigkeit des Bundes zu den Regelungen der Miethöhe im Bürgerlichen Gesetzbuch sollten beide Gesetze alle Berliner Regelungen zum Wohnen umfassen. Regelungen im Wohnraumversorgungsgesetz, im Wohnungsaufsichtsgesetz und im Zweckentfremdungsverbotsgesetz sollten alle Bestandteile eines neuen Wohnraumgesetzes in Berlin sein. Beide Parteien haben diese Umgestaltung in Aussicht gestellt, wir empfehlen die zeitnahe Ausgestaltung dahingehend. In den vorgenannten Regelungen gilt es, weitere Stellschrauben nachzuziehen und Regelungen zu schärfen. Die Linke macht dabei den ersten Schritt in Richtung des Abrissverbots im Rahmen der Zweckentfremdung.
Beide Gesetzesvorschläge bieten nach Ansicht des Berliner Mietervereins wichtige Lösungen für die Wohnungsnot in Berlin. Eine künftige Regierungskoalition unter Beteiligung von Linken und Grünen böte die Chance, das Beste aus beiden Entwürfen zu kombinieren. Eine Regelung zur Möblierung, wie von der SPD ins Gespräch gebracht, ist nach Ansicht des Mietervereins ebenfalls diskussionswürdig. Sicher ist, dass ein neues Landesgesetz im Rahmen der Länderzuständigkeit für das Wohnungswesen umfassend sein muss, um verfassungsrechtlich bestehen zu können, denn das sind die Lehren aus dem Mietendeckel, der allein die Miethöhen adressierte. Ohnehin gilt: Die politische Umsetzung beider Entwürfe hängt entscheidend von politischen Mehrheiten und dem Kooperationswillen der progressiven Berliner Parteien ab.
Sollte die SPD noch ein tragfähiges Wohnraumsicherungsgesetz vorlegen, könnte sich eine breitere politische Einsicht abzeichnen: Die Wohnungsnotlage in Berlin lässt sich mittelfristig nicht allein durch massenhaften Neubau bewältigen – und schon gar nicht unter den Bedingungen des Klimawandels.
Erforderlich ist eine intelligente Wohnraumbewirtschaftung, die Bestand, Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit miteinander verbindet.
fs
16.10.2025




