Eine vorformulierte Vertragsklausel in einem Mietvertrag gilt nur dann als individuell ausgehandelt i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, wenn der Vermieter sie ernsthaft zur Diskussion stellt und dem Mieter echte Gestaltungsmöglichkeiten einräumt. Die Wahl zwischen zwei Alternativen reicht nicht aus.
BGH v. 8.4.2025 – VIII ZR 245/22 –
Langfassung im Internet: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 17 Seiten]
Hier war zwischen den Parteien streitig, ob eine im Mitvertrag enthaltene Quotenabgeltungsklausel für Schönheitsreparaturen wirksam ist oder nicht. Eine Quotenabgeltungsklausel, durch die der Mieter anteilige Kosten für bei Auszug noch nicht fällige Schönheitsreparaturen übernimmt, kann nur individualvertraglich vereinbart werden.
Als Formularvereinbarung ist sie jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Denn sie benachteiligt den Mieter unangemessen, weil sie von ihm verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen (BGH vom 6.3.2024 – VIII ZR 79/22 –).
Der Vermieter meinte, die hiesige Quotenklausel sei ausgehandelt worden und deshalb als wirksame Individualvereinbarung zu behandeln, und er könne deshalb den aus ihr folgenden Geld-Anspruch mit der Mietkaution verrechnen. Er verwies darauf, dass er bereit gewesen sei, Änderungen am Vertrag vorzunehmen und auf Wünsche des Mieters einzugehen. Zudem habe der Mieter zwischen verschiedenen Vertragsvarianten wählen können.
Der Mieter hingegen beharrte darauf, dass es sich um eine unwirksame Formularklausel handele und die Mietkaution ungeschmälert zurückzuzahlen sei.
Dem lag anlässlich des Mietvertragsabschlusses folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein erster – vom Vermieter vorgelegter – Entwurf des Mietvertrages sah einen beiderseitigen Kündigungsausschluss von 48 Monaten vor. Im Gegenzug sollte der Vermieter die Schönheitsreparaturen übernehmen.
Der zweite, ebenfalls vom Vermieter gestellte Entwurf des Mietvertrages, sah einen Kündigungsausschluss von 24 Monaten vor. Darüber hinaus verringerte sich die Miete gegenüber dem ersten Entwurf um 56 Euro. Im Gegenzug sollte der Mieter die Schönheitsreparaturen übernehmen und für den Fall des Auszuges vor Fälligkeit der Schönheitsreparaturen sollte er über eine Quotenabgeltungsklausel zu einer anteiligen Kostentragung verpflichtet sein.
Die Parteien unterzeichneten schließlich den zweiten Entwurf.
Der BGH gab dem Mieter Recht:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeute „Aushandeln“ mehr als Verhandeln. Es genüge nicht, dass das gestellte Formular dem Verhandlungspartner bekannt sei und nicht auf Bedenken stoße, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert werde und den Vorstellungen des Partners entspreche. Von einem Aushandeln in diesem Sinne könne vielmehr nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stelle und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräume mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er müsse sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären.
Die Darlegungslast für ein individuelles Aushandeln treffe den Verwender (also in der Regel den Vermieter). An die substantiierte Darlegung der ernsthaften Verhandlungsbereitschaft des Verwenders und der weiteren Merkmale für ein Aushandeln seien strenge Anforderungen zu stellen.
Vorliegend seien sowohl der ursprüngliche als auch der schließlich unterzeichnete – geänderte – Vertragstext durch den Vermieter als Grundlage für den abzuschließenden Mietvertrag in die Vertragsverhandlungen eingebracht worden. Es sei nicht ersichtlich, dass der Vermieter gegenüber dem Mieter deutlich und ernsthaft seine Bereitschaft erklärt hätte, diesen von ihm vorformulierten Vertragstext ernsthaft zur Disposition zu stellen und es dem Mieter damit freizustellen, ohne weiteres ein abweichendes Vertragsformular auszuwählen oder den vorformulierten Vertragstext durch die Einbringung eigener Textvorschläge abzuändern.
Soweit der Vermieter sich demgegenüber darauf berufe, er sei – wie die erfolgten Änderungen des ersten Vertragsentwurfs und das dem Mieter unterbreitete Angebot eines weiteren Gesprächstermins zeigten – bereit gewesen, auf Wünsche des Mieters einzugehen, habe er damit allenfalls allgemein eine Verhandlungsbereitschaft zum Ausdruck gebracht. Dies genüge ebenso wenig für die Annahme, der Vertragstext sei insgesamt oder hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden Quotenabgeltungsklausel individuell ausgehandelt, wie der Umstand, dass der Mieter die vom Vermieter eingeräumte Möglichkeit einer Besprechung zu dem geänderten Vertragstext nicht genutzt, sondern diesen ohne Äußerung von Änderungswünschen unterzeichnet habe.
Zudem sei eine Klausel nicht schon dann nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt worden, wenn nach Verhandlungen über verschiedene andere Teilaspekte eines Vertrags dort Vertragsbedingungen geändert worden seien. Zwar mögen die Vertragspartner bei solchen Verhandlungen jeweils für sich ihre wirtschaftliche Position als einheitliches Paket beurteilt haben, wie dies der Vermieter hinsichtlich seiner Interessenlage auch vorgebracht habe (Verkürzung der Laufzeit im Gesamtpaket mit der Übernahme von Schönheitsreparaturen). Das rechtfertige es aber nicht, eine vom Verwender gestellte, konkret nicht verhandelte und unverändert in den Vertrag übernommene Vertragsbedingung – hier die in Rede stehende Quotenabgeltungsklausel – als ausgehandelt anzusehen. Denn das Aushandeln müsse sich nach dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen („im Einzelnen“) und führe nur in diesem Umfang („soweit“) zur Nichtanwendung des verbraucherschützenden AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB).
01.10.2025




