Klimaschutz und Mieterschutz gehören zusammen. Deshalb setzt sich der Berliner Mieterverein (BMV) dafür ein, dass Mieter:innen die Wärmewende aktiv mitgestalten – damit sie nicht auf Kosten der ohnehin Belasteten geht. Mit der kommunalen Wärmeplanung Berlin und dem Partnerprojekt EnergyMap stehen wichtige Instrumente bereit, die Haus- und Siedlungsgemeinschaften nutzen können.
Mieter:innen als Mitgestalter:innen der Wärmewende
Wärmewende gelingt nur, wenn Mieter:innen aktiv einbezogen werden. Ihre Beteiligung ist gesetzlich verankert – im Wärmeplanungsgesetz (WPG, §§ 6, 7, 8) des Bundes und im Berliner Energiewendegesetz (EWG Bln) – und ein zentraler Baustein der Berliner Wärmeplanung. Ziel ist eine transparente und partizipative Gestaltung, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbindet.
Konkret bedeutet das:
- Frühzeitige Einflussnahme: Selbst organisierte Mieterbeiräte oder Hausgemeinschaften können Nachbar:innen aktivieren und die Akzeptanz stärken, gemeinsam für mehr Klimaschutz in den eigenen Wohnungen und geringere Heizkosten einzutreten. Das erfordert Mut, Geduld und etwas Zeit, um auch skeptische Nachbar:innen mitzunehmen.
- Wissen nutzen: Viele Mieter:innen bringen Fachkenntnisse aus Architektur, Bautechnik, Energiefragen und Handwerk mit. Vor allem aber kennen sie ihre Wohnungen, die Gebäude und das nachbarschaftliche Umfeld am besten. Dieses Wissen gehört an den Tisch, wenn über Sanierungen, Heizungstausch oder -umstellung geredet und entschieden wird.
- Mietrechtliche Unterstützung: Kollektive Modernisierungsvereinbarungen können Entlastungen in den Häusern und Siedlungen schaffen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Beispiele aus Berliner Siedlungen zeigen: Frühzeitige Mitbestimmung schützt, steigert die Akzeptanz für Modernisierungsvorhaben und verhindert Konflikte im Bauprozess.
So drehen wir den Spieß um: Nicht Vermietende diktieren den Sanierungsfahrplan – sondern die Mieter:innenschaft entwickelt Vorschläge, die Klimaschutz und Sozialverträglichkeit zusammenbringen.
Tipp: Jede Haus- oder Siedlungsgemeinschaft kann einen Mieterbeirat wählen. Zwar gibt es bei privaten Vermieter:innen keinen gesetzlichen Rahmen, doch kann es vorteilhaft sein, die Rollen in einem angestrebten Kommunikationsprozess bereits klar definiert zu haben.
Transparenz durch EnergyMap
Ein entscheidender Baustein für eine gerechte Wärmewende ist Transparenz. Nur wenn sichtbar ist, wo die größten Energieverluste stattfinden – in einzelnen Häusern wie auch auf Quartiersebene – können sinnvolle Lösungen entwickelt werden.
Hier setzt das Projekt EnergyMap an. Es sammelt anonymisierte Verbrauchsdaten, wertet sie aus und bildet diese frei zugänglich ab. So entsteht ein digitales Werkzeug, das den Weg zu einer klimagerechten Wärmeplanung ebnet. Mieter:innen erhalten Aufschluss über die Effizienz ihres Gebäudes und können gestärkt in den Dialog mit Vermieter:innen treten.
Das wird besonders mit Blick auf den CO2-Preis wichtig: Ab 2027 werden Zertifikate auch für Gebäude und Verkehr auf EU Ebene gehandelt – die Gesamtmenge sinkt, die Preise steigen. Derzeit gilt: Je ineffizienter ein Gebäude, desto mehr Kosten trägt der:die Vermieter:in. Doch für viele Altbauten fehlen Energieausweise – dort zählt allein der Gesamtverbrauch. Für sparsame Miethaushalte stellt das eine klare Ungerechtigkeit dar, die sich mit steigenden CO2-Preisen verschärfen wird.
Umso wichtiger wird es sein, was aus dem Klimageld wird, das insbesondere einkommensschwachen Haushalten Entlastung bringen soll.
Fazit: Nur gemeinsam gelingt es
Unser gemeinsamer Kampf für mehr Klimaschutz duldet keinen Aufschub. Gleichzeitig ist die Angst vieler Mieter:innen vor steigenden Mieten, hohen Energiekosten und Verdrängung erschreckend real. Unsere Aufgabe ist es, diesen Zielkonflikt nicht zu verdrängen, sondern aktiv zu werden, bevor andere es werden und zu gestalten. Wir brauchen Sanierungen – aber sozialverträglich, transparent und mit starker Stimme der Mieter:innenschaft.
Darum rufen wir alle Mitglieder und Hausgemeinschaften auf:
Beteiligen Sie sich an EnergyMap, bringen Sie ihre Daten ein, diskutieren Sie mit ihren Nachbar:innen, suchen Sie gemeinsam den Dialog zu ihren Vermietenden und fordern Sie sozialverträgliche Sanierungsfahrpläne, Mitbestimmung und Modernisierungsvereinbarungen ein. Organisieren Sie sich in Mieterbeiräten, um die Interessen der Mieter:innenschaft zu stärken. Der BMV und das Kiezprojekt können Sie dabei aktiv unterstützen!
Nur wenn Mieter:innen aktiv mitgestalten, wird die Wärmewende ökologisch erfolgreich und sozial gerecht. Wer heute handelt, verhindert, dass Klimaschutz die Gesellschaft spaltet. Werdet Teil einer Wärmewende, die niemanden zurücklässt!
sb, fs
Warum wir Sanierungen und Reformen brauchen
Energetische Sanierungen sind dringend nötig – aber die aktuelle Regelung des Paragrafen 559 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erlaubt es Vermieter:innen, sämtliche Kosten für den Klimaschutz einseitig auf die Mieter:innen abzuwälzen. Diese Kostenverteilung hat in der Vergangenheit viele Miethaushalte in Berlin übermäßig belastet.
Doch die Lösung kann nicht sein, wichtige Sanierungen grundsätzlich zu blockieren. Vielmehr müssen wir beides fordern:
- Eine gerechte Reform der Umlage-Regelungen, etwa durch das Drittelmodell, bei dem Mieter:innen, Vermieter:innen und Staat die Kosten teilen.
- Eine deutliche Beschleunigung der Sanierung des Gebäudebestands, denn aktuell liegt sie bei Mehrfamilienhäusern in Berlin bei unter einem Prozent pro Jahr.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG, „Heizungsgesetz“) hat mit der Verpflichtung zum Tausch alter Heizanlagen erste Fortschritte gemacht. Beim reinen Heizungstausch sind Mieter:innen durch klare Grenzen geschützt – die Umlage der Investition ist mit 10 Prozent pro Jahr, höchstens 0,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt, für ärmere Haushalte gilt eine Härtefallregelung.
Doch bei der energetischen Modernisierung nach Paragraf 559 BGB ist das Dilemma längst nicht aufgelöst. Die Kostenlast trifft vor allem die Mietenden.
Wichtig: Der Gebäudesektor ist einer der größten Klimasünder. Berlin wie auch ganz Deutschland verfehlen seit Jahren die selbst gesteckten Klimaziele. Heizungstausch und energetische Sanierung des Gebäudebestandes kommen kaum voran. Zwar sieht der Koalitionsvertrag der Bundesregierung eine Reform vor – doch bis diese Realität wird, dürfen wir uns nicht auf die Wartebank zurückziehen. Jeder verlorene Monat verschärft die Klimakrise und belastet besonders Menschen in schlecht isolierten Wohnungen mit fossilen Heizungen. Viele fürchten schon jetzt die Verdrängung durch Modernisierungsprozesse. Wichtige Klimaschutzmaßnahmen dürfen nicht zur weiteren Spaltung unserer Gesellschaft beitragen.
18.09.2025




