Der EU-Emissionshandel ist ein zentrales Instrument des Klimaschutzes. Mit dem Übergang vom bestehenden System (ETS 1) zum neuen ETS 2, das 2027 starten soll, werden erstmals auch der Verkehrs- und Gebäudesektor einbezogen. Fossile Energien wie Heizöl oder Erdgas verteuern sich dadurch – mit spürbaren Folgen für Heizkosten und Mieten. Der Berliner Mieterverein (BMV) erklärt, welche Auswirkungen ETS 2 auf Mieter:innen hat, welche Chancen es bietet und wie Belastungen abgefedert werden können.
Der Europäische Emissionshandel (EU ETS) ist das wichtigste Klimaschutzinstrument der EU und Teil des großen Gesetzespakets „Fit for 55″. Für jede ausgestoßene Tonne CO₂ muss ein Zertifikat erworben werden. Die Gesamtmenge der Zertifikate wird von der EU festgelegt und sinkt jährlich, wodurch ein Preis für CO₂ entsteht, der Investitionen in klimafreundliche Technologien anstoßen soll. Die Mitgliedstaaten bringen die Zertifikate über Auktionen in Umlauf. Sobald die festgelegte Höchstmenge erreicht ist, können Unternehmen die Zertifikate nur noch untereinander handeln.
Vom ETS 1 zum ETS 2: Warum Heizkosten und Mieten steigen können
Seit 2005 gilt ETS 1 für die Energiewirtschaft und energieintensive Industrie – mit deutlichen Erfolgen bei der Emissionsminderung. Aktuell kostet eine Tonne CO₂ im ETS 1 rund 80 Euro, wobei starke Schwankungen typisch sind. Ab 2027 erweitert das ETS 2 diesen Mechanismus auf Gebäude und Verkehr – zwei Bereiche, in denen die jährlichen Klimaziele bisher kaum erreicht wurden. Anders als bei ETS 1 zahlen hier nicht die Endnutzer:innen, also die Betriebe, sondern die Brennstofflieferanten (z. B. Gas- oder Heizölunternehmen). Die höheren Kosten geben sie jedoch an Verbraucher:innen weiter – also auch an Mieter:innen.
ETS 2 soll fossile Energien verteuern und damit Investitionen in klimafreundliche Heizsysteme, energetische Sanierungen und alternative Mobilität anreizen. Für Gebäude bedeutet das: Heizen mit Öl oder Gas wird teurer, Wärmepumpen und Fernwärme werden wirtschaftlicher. Doch die bisherigen Erfahrungen mit dem nationalen Emissionshandel (nEHS) sind ernüchternd: Die Sanierungsrate liegt seit drei Jahren unter einem Prozent, und nur rund 1 Prozent des Gebäudebestands wird jährlich mit neuer Heizung ausgestattet. Eine Anreizwirkung kann nicht festgestellt werden, was vermutlich auf die zu geringen CO₂- Preise zurückgeführt werden kann. Im Jahr 2024 lag der Preis bei 45 Euro pro Tonne CO₂, 2025 bei 55 Euro pro Tonne CO₂ Für 2026 ist erneut eine Anhebung geplant, aktuell ist noch unklar, auf welches Preisniveau.
Hoher CO₂-Preis – große Unsicherheit
Wie hoch der CO₂-Preis im ETS 2 tatsächlich ausfallen wird, ist offen. Die EU-Kommission rechnet mit 60 bis 80 Euro pro Tonne, Studien wie die des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) prognostizieren jedoch bis zu 200 Euro und mehr. Der CO₂-Preis ist ein politischer Preis. Steigt der Druck zu stark, dürfte die EU über Reformen nachsteuern; auch Mitgliedstaaten könnten einen gewissen Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen. Für mehr Planbarkeit und Finanzierbarkeit sind flankierende Maßnahmen entscheidend – dazu gehören dauerhafte Förderprogramme, verbindliche Vorgaben wie den Heizungstausch sowie die konsequente Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Beides ist derzeit unsicher. Bleibt der verpflichtende Heizungstausch und kommt die Umsetzung der EPBD spätestens 2026. Einnahmen aus dem Zertifikatehandel und der Klimasozialfonds müssen zwingend für sozialen Ausgleich und weitreichende Förderprogramme eingesetzt werden.
Das Öko-Institut empfiehlt, nationale Vorkehrungen zur Preisstabilisierung zu treffen und stärker in klimafreundliche Infrastruktur zu investieren, um den Bedarf an Zertifikaten zu senken. Klar ist: Der CO₂-Preis muss so gesteuert werden, dass er einerseits wirksam bleibt, andererseits aber keine untragbaren Belastungen verursacht – ein politischer Drahtseilakt.
Mieter:innen zahlen die Zeche
Am Ende tragen Mieter:innen durch die steigenden Heizkosten die Hauptlast. Energiesparen ist nur begrenzt möglich, da Gebäudestandard und Heiztechnik entscheidend sind, auf deren Modernisierung Mieter:innen keinen Anspruch oder Einfluss haben. Zwar sieht das seit 2023 geltende Stufenmodell eine Aufteilung der CO₂-Kosten zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen je nach Gebäudeeffizienz vor, doch in der Praxis ändert das wenig: Mieter:innen können den energetischen Zustand des Gebäudes nicht beeinflussen.
Zusätzlich verschärft die Modernisierungsumlage (§ 559 BGB) die Situation. Sie erlaubt es Vermieter:innen, acht Prozent der Kosten für energetische Modernisierungen dauerhaft auf die Miete umzulegen – auch dann, wenn die Investition längst amortisiert ist. Für Mieter:innen bedeutet das: entweder sie zahlen die erhöhten Heizkosten oder sind mit einer Mieterhöhung nach einer energetischen Gebäudemodernisierung belastet.
CO₂-Preis im nationalen Emissionshandelssystem (nEHS)
- 2025 liegt der CO₂-Preis bei 55 Euro pro Tonne CO₂
- für 2026 ist derzeit noch unklar, wieviel eine Tonne CO₂ kosten soll
Berechnungen der CO₂-Kosten
- Heizöl: Bei einem Verbrauch von 1.000 Litern Heizöl und einem CO₂-Preis von 45 €/t CO₂ ergibt sich eine CO₂-Emission von 3,167 t CO₂ und damit Kosten von etwa 142,52 €.
- Erdgas: Für 1.000 m³ Erdgas ergibt sich bei einem Emissionsfaktor von 1,95 kg CO₂/m³ eine CO₂-Emission von 1,95 t CO₂ und Kosten von etwa 87,75 €.
- Benzin: Bei einem Verbrauch von 1.000 Litern Benzin und einem Emissionsfaktor von 2,3035 kg CO₂/Liter ergibt sich eine CO₂-Emission von 2,3035 t CO₂ und Kosten von etwa 103,66 €.
- Im Durchschnitt verbrauchen die Haushalte in Deutschland 15,4 Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr. Dieser Wert beinhaltet den Heizölverbrauch zum Heizen und die Warmwasserbereitung mit Heizöl
- Ein durchschnittlicher Gasverbrauch mit Warmwasserbereitung liegt bei etwa 160 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr. Ohne Warmwasserbereitung sind es ca. 140 kWh/m². Faustformel zur Umrechnung von Kilowattstunden in Kubikmeter Gas: 1 Kubikmeter = 10 Kilowattstunden.
Klimasozialfonds und Klimageld: Reicht das aus?
Die EU plant ab 2026 einen Klimasozialfonds mit maximal 65 Milliarden Euro, um soziale Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren – etwa Investitionen in Fenstertausch oder Energieberatung für einkommensschwächere Haushalte. Die weiteren Einnahmen aus dem Handel mit den CO₂-Zertifikaten fließen direkt an die Mitgliedstaaten, so wie bislang auch in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Dieser dürfte im Jahr 2025 um gut 25 Milliarden Euro anwachsen. Fachleute empfehlen, 50 Prozent der Einnahmen direkt an Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen zurückzugeben und parallel in grüne Infrastruktur zu investieren.
Die Vorgängerregierung plante ein Klimageld. Einnahmen aus der CO₂- Bepreisung sollten an die Bürger:innen zurückfließen, um die höheren Kosten für fossile Energien auszugleichen.
Ob das „Klimageld“ tatsächlich eingeführt wird, ist offen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich dazu nichts. Klar ist: Ein höherer CO₂-Preis allein genügt nicht, um den Gebäudesektor nachhaltig zu transformieren. Ohne zusätzliche Förderprogramme, bessere Regelungen im Mietrecht und wirksame soziale Kompensation steigt die Belastung für Mieter:innen weiter an.
Fazit: Klimaschutz und Mieter:innenschutz
Mit dem EU-ETS 2 steht der Gebäudesektor vor einem tiefgreifenden Wandel. Der CO₂-Preis könnte deutlich steigen – die vorgesehenen Abfederungsmechanismen auf EU Ebene dürften kaum ausreichen, um Haushalte wirksam vor hohen Heizkosten zu schützen. Anders als bei der Gaskrise nach dem russischen Angriffskrieg muss der Bund diesmal frühzeitig handeln und soziale Schutzmechanismen schon jetzt schaffen. Der Emissionshandel kann Eigentümer:innen zwar Anreize für Investitionen geben, doch nur, wenn finanzielle Mehrbelastungen fair verteilt und gezielt abgefedert werden – insbesondere für Mieter:innen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen.
Der BMV fordert daher:
- Mittel aus dem Klimasozialfonds und dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) müssen gezielt Haushalte mit geringen Einkommen entlasten
- Die Modernisierungsumlage (§ 559 BGB) ist zu reformieren, um dauerhafte Mieterhöhungen zu begrenzen (Umsetzung des Drittelmodells)
- Förderprogramme für Sanierungen und Heizungstausch müssen ausgebaut und leichter zugänglich werden
- CO₂-Kosten und deren Verteilung sind transparent in Betriebskostenabrechnungen auszuweisen.
So könnte ETS 2 zur Energiewende im Gebäudesektor beitragen, ohne dass Mieter:innen die Kosten allein schultern müssen. Der BMV unterstützt dabei mit Beratung und Einsatz für einen sozial gerechten Klimaschutz.
fs
„Fit for 55“ ist ein großes Gesetzespaket der Europäischen Union, das 2021 vorgestellt wurde. Ziel: Die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken – als Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050.
Es umfasst viele ineinandergreifende Maßnahmen, darunter:
- Emissionshandel (ETS 1 und 2): Ausweitung auf mehr Sektoren (z. B. Gebäude, Verkehr) und strengere Regeln für Industrie und Energie.
- CO₂-Grenzausgleich (CBAM): Eine Art „Klimazoll“, damit importierte Produkte aus Ländern mit schwächeren Klimaschutzauflagen keinen unfairen Vorteil haben.
- Erneuerbare Energien: Höhere verbindliche Ausbauziele für Wind, Sonne & Co.
- Energieeffizienz: Verschärfte Einsparziele für Gebäude, Industrie und Geräte.
- Verkehr: Strengere CO₂-Grenzwerte für Autos und Lieferwagen → faktisch Ausstieg aus dem Verbrenner-Neuwagenverkauf ab 2035.
- Sozialer Klimafonds: Unterstützung für Bürger:innen und kleine Unternehmen, damit Energiewende und CO₂-Preise sozial abgefedert werden.
„Fit for 55“ ist das zentrale Klimapaket der EU für die 2020er Jahre, ein Gesamtplan, um Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf den 55%-Reduktionspfad auszurichten.
26.09.2025




