Vor 60 Jahren gründeten der West-Berliner Senat zusammen mit der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft (GSG). Die Vermieterin preiswerter Gewerbeflächen wurde 2007 privatisiert. Ihr heutiger Eigentümer möchte Fabrikgebäude in „Serviced Apartments“ umbauen.

Foto: Sabine Mittermeier
Als die GSG im Jahre 1965 aus der Taufe gehoben wurde, sollte das der anhaltenden Abwanderung von Gewerbebetrieben aus dem eingemauerten West-Berlin etwas entgegensetzen. Man startete mit den Glaser-Höfen in der Kreuzberger Blücherstraße 22. Das Unternehmen bot vor allem in klassischen Gründerzeit-Gewerbehöfen kleinen und mittleren Betrieben günstige Produktionsstätten. Im Laufe der Jahre verschob sich der Schwerpunkt auf Büroflächen. Nach dem Mauerfall baute die GSG auch in den Ostbezirken neue Gewerbezentren. Doch Mitte der 2000er Jahre stand ein Drittel der Flächen leer.
Der in Geldnöten steckende rot-rote Senat beschloss 2007, das Unternehmen mit seinen 42 Gewerbehöfen und über 750 .000 Quadratmetern Nutzfläche zu verkaufen. Die Hochphase der allgemeinen Privatisierungswut war damals schon vorbei. Für 309 Millionen Euro erwarb die Orco Group die GSG – auch für damalige Verhältnisse ein Schnäppchen. Die von Orco nun „GSG Group“ genannte Firma wurde ab 2013 schrittweise von der Czech Property Investments (CPI) des Immobilienmilliardärs Radovan Vítek übernommen. Víteks „Familienunternehmen“ CPI Property Group ist in Tschechien, der Slowakei, in Polen, Ungarn und Berlin tätig, hat seinen Sitz in Luxemburg und ist an der Frankfurter Börse notiert.
Umnutzungen sind logische Konsequenz
Als nach der Corona-Pandemie die Homeoffice-Arbeit weiter zunahm, ist die Nachfrage nach Büros zurückgegangen. Der Büroflächenleerstand hat sich in Berlin von 676 .000 Quadratmetern im Jahr 2022 auf 1,6 Millionen Quadratmeter Anfang 2025 erhöht. Die GSG verzeichnet heute allein in ihren 18 Kreuzberger Höfen einen Leerstand von 20 bis 25 Prozent. 30 Prozent der GSG-Mieter:innen benötigen nicht mehr die volle Fläche, etwa die Hälfte von ihnen will deshalb den Standort wechseln oder untervermieten.

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„Umnutzungen erscheinen sowohl vor dem Hintergrund der Wohnraumknappheit als auch aus ökologischer Sicht eine logische Konsequenz“, heißt es im GSG-Jahresbericht „Gewerbe-Pulsschlag 2024“. Weil die GSG für den Umbau von Gewerbeflächen in reguläre Wohnungen aber baurechtliche Hürden sieht, plant sie „gewerbliches Wohnen“ – in erster Linie für ihre Büromieter:innen. „Die Unternehmen können Wohnungen für Mitarbeiter mieten, die beispielsweise aus dem Ausland nach Berlin kommen wollen und auf dem klassischen Mietmarkt vom Ausland aus faktisch kaum Chancen haben“, erklärt GSG-Sprecher Michael Mandla. Geplant sind „Serviced Apartments“, die möbliert und zeitlich befristet vermietet werden. „Man könnte auch von einer modernen Form der Werkswohnung sprechen“, so Mandla. In einem Kreuzberger Hof ist ein Pilotprojekt mit rund 100 Wohnungen in Planung.
Jens Sethmann
„Kreuzberger Mischung“ mitverkauft
Bei der Privatisierung wurden nicht nur 1200 Gewerbebetriebe „mitverkauft“, sondern auch 235 Wohnungen, meist in den Vorderhäusern der Gewerbehöfe („Kreuzberger Mischung“). Den Mieter:innen wurde ein Schutz vor Luxusmodernisierungen und Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wirtschaftlicher Verwertung sowie ein Vorkaufsrecht bei Weiterverkauf zugesichert. Eine Umnutzung der Gewerbeflächen zu Wohnzwecken wurde vertraglich ausgeschlossen, allerdings nur für fünf Jahre. Orco war einmal sehr in den Umbau von Fabrikgebäuden in teure Loftwohnungen engagiert. Büroleerstand und Wohnungsknappheit lassen die Idee wieder aufleben – nun aber mit kleinen Apartments statt großen Lofts. Einen Teil der 235 Wohnungen hat die GSG bei Immobilienverkäufen mit abgestoßen.
js
29.08.2025




