Ein 35-Quadratmeter-Apartment für 1.340 Euro Warmmiete, ein 45-Quadratmeter-Luxusapartment für 6.800 Euro oder ein 10-Quadratmeter-WG-Zimmer für 1.554 Euro – solche absurden Preise bestimmen das Angebot auf Plattformen wie Housinganywhere, Rahat-Apartments oder Crocodilian. Möbliertes Wohnen auf Zeit boomt – und verändert den Wohnungsmarkt in Berlin und anderen Großstädten nachhaltig, jedoch nicht zum Besseren.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut einer Studie des Immobiliendienstleisters CBRE stieg der Anteil von Mieter:innen in möblierten Wohnungen mit zeitlich befristeten Verträgen bundesweit von 8 Prozent (2018) auf 13 Prozent im Jahr 2023. In Berlin ist die Lage noch drastischer: 2022 waren zeitweise mehr als die Hälfte der inserierten Wohnungen möbliert und befristet, und seitdem hat sich die Zahl dieser Angebote laut dem IBB-Wohnungsmarktbericht 2023 nahezu verdreifacht. Was einst als Nischenmarkt für wohlhabende Expats galt, ist zu einem strukturellen Problem geworden, das ganze Stadtteile verändert.
Die Zielgruppe dieser Angebote sind oft junge Menschen, die für Studium oder Arbeit nach Berlin kommen. Ohne Netzwerk, ohne Kenntnis ihrer Rechte und oft unter Zeitdruck greifen sie zu diesen überteuerten Angeboten. Viele wollen eigentlich langfristig bleiben, doch Vermieter:innen nutzen die Kurzzeitvermietung, um hohe Mieten zu verlangen und Schutzmechanismen wie die Mietpreisbremse oder den Kündigungsschutz zu umgehen.
Auswirkungen auf die Stadt
Die Folgen dieser Entwicklung sind gravierend: Wenn immer mehr Wohnungsangebote auf Menschen „auf der Durchreise“ ausgerichtet sind, droht eine Zersetzung der Nachbarschaften und des sozialen Miteinanders. Langfristige Bewohner:innen, die sich in Vereinen, Initiativen oder der lokalen Gemeinschaft engagieren, werden seltener. Stattdessen richten sich Gastronomie, Einzelhandel und Infrastruktur immer mehr auf ein wohlhabendes, temporäres Klientel aus. Ansässiges Kleingewerbe wird verdrängt, die Preise für Alltagsgüter steigen.
Gleichzeitig verknappen die unregulierten Mieten von Kurzzeitverträgen zunehmend das Angebot regulärer Mietverhältnisse, für die Kündigungsschutz und Mietpreisbremse gelten. Das Ergebnis: Weniger Menschen wechseln ihre Wohnung, selbst wenn sie nicht mehr zur Lebenssituation passt. Wohnraum ist falsch verteilt, das Angebot schrumpft weiter – ein Teufelskreis.
Rechtliche Grauzonen oder der graue Wohnungsmarkt
Doch womit haben wir es hier eigentlich genau zu tun? Entgegen verbreiteter Vorstellungen sind die Möblierung und das Wohnen auf Zeit in rechtlicher Hinsicht zwei unterschiedliche Dinge, auch wenn sie häufig gemeinsam auftreten. Betrachten wir also zunächst die Möblierung und anschließend die verschiedenen Arten des Wohnens auf Zeit.
Möblierung – ein Einfallstor für Missbrauch
Möblierte Wohnungen unterliegen dem Mietrecht, dürfen aber einen Möblierungszuschlag enthalten. Dieser Zuschlag auf die Miete ist rechtlich nicht klar geregelt und muss im Mietvertrag nicht gesondert ausgewiesen werden. Laut einer Studie von Oxford Economics im Auftrag des Bundesjustizministeriums wissen nur 36 Prozent der Mieter:innen möblierter Wohnungen, dass die Mietpreisbremse trotz Möblierung gilt. 84 Prozent der mit Mietrecht befassten Richter:innen haben laut Studie keine Erfahrung mit Verfahren zu Möblierungszuschlägen. Die Ermittlung der zulässigen Höhe erfordert vor Gericht meist teure Gutachten, was zeigt, wie komplex das Thema für die Mieter:innen selbst ist. Vermieter:innen nutzen diese Grauzone, um überhöhte Mieten durchzusetzen.
Ferienwohnungen – ein regulierter Bereich
Ferienwohnungen sind in Berlin durch das Zweckentfremdungsverbotsgesetz klar geregelt. Wer Wohnraum regelmäßig an Tourist:innen vermietet, benötigt eine Genehmigung und muss seit 2018 eine Registrierungsnummer in der Anzeige angeben. Wer dies missachtet, kann mit einem Bußgeld von theoretisch bis zu 500.000 Euro belegt werden. Laut einer Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung führte die Registrierungspflicht zunächst zu einem Rückgang der Inserate für ganze Ferienwohnungen, während Angebote einzelner Zimmer stabil blieben. Plattformen wie Airbnb oder Booking.com dominieren diesen Markt weiterhin.
Zeitmietverträge (§ 575 BGB)
Zeitmietverträge sind nur zulässig, wenn ein klar definierter Befristungsgrund – wie späterer Eigenbedarf, Umbauten oder Nutzung als Werkswohnung – vorliegt. Während der Laufzeit sind ordentliche Kündigungen ausgeschlossen. Es kann allerdings zum Vorteil der/des Mietenden vereinbart werden, dass sie zur vorzeitigen Kündigung berechtigt ist/sind. Innerhalb von vier Monaten vor Ablauf der Befristung können Mieter:innen prüfen lassen, ob der Befristungsgrund noch besteht. Falls nicht, können sie eine Verlängerung der Befristung oder gar eine Entfristung des Mietverhältnisses verlangen. Wichtig: Die Mietpreisbremse gilt auch für diese Zeitmietverträge. Es wird davon ausgegangen, dass die Mietenden die Wohnung (wenn auch nur für den befristeten Zeitraum) zu ihrem Lebensmittelpunkt machen.
Für gewerbliche Anbietende von Wohnen-auf-Zeit-Modellen sind Zeitmietverträge meist ungeeignet, da vermieterseitig keine Befristungsgründe bestehen. Zudem wollen sie die Wohnungen an wechselnde Personen oder die gleiche Person mit immer wieder neu geschlossenen (und unzulässigen) Kettenmietverträgen vermieten. Ein dauerhaftes Mietverhältnis wird vermieden, um lästigen Mieter:innenschutz umgehen zu können. Gewerbliche Anbietende nutzen stattdessen häufig das folgende Modell.
Vorübergehender Gebrauch (§ 549 BGB)
Das Modell des „vorübergehenden Gebrauchs“ ist der Kern des Problems. Hier wird angenommen, dass die Wohnung nicht der Lebensmittelpunkt der Mieter:innen ist, sondern nur kurzfristig genutzt wird – etwa für berufliche Projekte oder Prüfungsphasen. Deshalb gelten Mieter:innen in diesem Modell auch nicht als besonders schutzbedürftig. Regelungen zu Mieterhöhungen, Mietpreisbremse und zum Kündigungsschutz greifen nicht. Voraussetzung dafür ist, dass der konkrete Zweck für den Mietenden im Mietvertrag klar definiert und der Vertragswille der Mieter:innen berücksichtigt wird. Projektarbeitende, Erasmus-Gäste und Künstler:innen nutzen vielfach diese Wohnungen, die in den meisten Fällen möbliert und teils sogar voll ausgestattet sind. Die Mietpreise variieren von 20 bis 45 Euro pro Quadratmeter und mehr.
Doch viele Vermieter:innen missbrauchen dieses Modell, indem sie den vorübergehenden Zweck behaupten, ohne dass das der tatsächlichen Situation und dem Vertragswillen der Mietenden entspricht.
Laut einer Studie von Oxford Economics sind lediglich sieben Prozent dieser Verträge auf weniger als sieben Monate befristet – obwohl laut Rechtsprechung längere Zeiträume oft nicht mehr als „vorübergehend“ gelten. Das Landgericht Berlin stufte beispielsweise bereits eine Mietdauer von sieben Monaten für das Schreiben einer Promotion oder Masterarbeit als nicht vorübergehend ein. Besonders problematisch sind zudem Kettenmietverträge, die immer wieder verlängert werden und regelmäßig in der Rechtsberatung des Mietervereins auftauchen.
Wo kein Kläger, da kein Richter
Gut informierte Mieter:innen mögen sich nun fragen, wie sich dieses Vermietungsmodell derart ausbreiten kann. Die Antwort liegt im Machtgefälle zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen: Die Zielgruppe – junge Internationals, Expats und Studierende – kennt das deutsche Mietrecht kaum und hat kein Netzwerk, um schnell eine reguläre Wohnung zu finden. Durch die Wohnungskrise finden viele Menschen auch nach längerer Zeit in Berlin keine Bleibe auf dem regulären Wohnungsmarkt.
Wer also trotz der hohen Miete auf die Verlängerung im Rahmen eines Kettenmietvertrags hofft, wird eher davon absehen, rechtliche Schritte gegen die Vermieterseite einzuleiten, auch weil Prozesskosten bei hohen Mieten schnell – selbst für gut bezahlte Fachkräfte – existenzbedrohend werden. Die Anbietenden von Wohnen-auf-Zeit haben also in den seltensten Fällen zivilrechtliche Klagen zu fürchten, die eine Entfristung des Mietverhältnisses oder eine Mietabsenkung bewirken würden. „Wo kein Kläger, da kein Richter“, lautet das bittere Fazit.
Keine Nutzung öffentlich-rechtlicher Instrumente
In der Realität ist die möblierte Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch nicht mehr der gesetzlich angenommene Ausnahmefall, vielmehr ist sie zu einem strukturellen Problem geworden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf durch den Staat, um sowohl die Stadtbevölkerung als auch besonders schutzbedürftige Wohnungssuchende zu unterstützen, die ihre Rechte zivilrechtlich kaum durchsetzen können.
Während Ferienwohnungen durch das Zweckentfremdungsverbot reguliert werden, fehlt ein vergleichbares Instrument für möbliertes Wohnen auf Zeit. Ein Versuch des Bezirksamts Mitte, das Verbot auf Mietverträge mit mehr als drei Monaten Laufzeit anzuwenden, scheiterte vor Gericht. Es entschied, dass solche Laufzeiten nicht unter das Zweckentfremdungsverbot fallen.
Somit besitzt die Stadtverwaltung derzeit keine wirksamen Mittel, um Mietende vor Missbrauch im Bereich des Wohnens auf Zeit zu schützen. Befristungen bis sechs Monate gelten als zulässiger „vorübergehender Gebrauch“, längere Zeiträume werden nicht geahndet, und da Mieter:innen selten klagen, besteht eine Regulierungslücke. Zahlreiche Anbietende nutzen diese Lücke gezielt aus, Wohnungen verschwinden vom regulären Markt, und Kurzzeitmieter:innen werden finanziell massiv belastet.
Ansätze für Veränderung
Einige Bezirke gehen aktiv gegen diese Missstände vor, indem sie in Milieuschutzgebieten die möblierte Kurzzeitvermietung als genehmigungspflichtige Umnutzung behandeln. Friedrichshain-Kreuzberg hat bereits in vier Fällen Nutzungsuntersagungen ausgesprochen. Neukölln recherchiert auf den Anbieterplattformen offensiv nach Inseraten und Angeboten, um in den Bauämtern die dazugehörigen Genehmigungen von Sanierungs- und Umbauarbeiten zu überprüfen – ein höchst aufwendiges Verfahren. Sebastian Bartels, Geschäftsführer im Berliner Mieterverein, fordert mehr personelle Kapazitäten für die Bezirksämter, um diesen Missständen effektiv zu begegnen.
In Anlehnung an die Vorstöße aus den Bezirken prüft nun auch der Berliner Senat, ob die möblierte Kurzzeitvermietung ehemals unbefristeter Wohnungen als Nutzungsänderung im Sinne des Milieuschutzes grundsätzlich genehmigungspflichtig gemacht werden kann. Das würde eine bessere Kontrolle ermöglichen. Bisher war die vorherrschende Auffassung auch im Berliner Senat, dass solche Modelle weiterhin als reguläres „Wohnen“ gelten und keine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellen. Ein Gutachten des Baurechtlers Jörg Beckmann, Professor an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen (HSVN), widerspricht dieser Einschätzung und argumentiert, dass die befristete Vermietung städtebaulich hoch relevant sei und eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung bewirke. Laut diesem Gutachten könnte Wohnen auf Zeit künftig als Nutzungsänderung eingestuft und somit genehmigungspflichtig und kontrollierbar gemacht werden.
Möblierungszuschlag reformieren
Eine andere Stellschraube findet sich beim Möblierungszuschlag. Mieter:innen sollten klar sehen können, welche Möbel den Zuschlag rechtfertigen und zu welchem Preis sie angeschafft wurden. Eine Ausweisung des Möblierungszuschlags sowie eine Auflistung der Möbel mit Anschaffungsdatum und -preis würde die Überprüfung der Nettokaltmiete – ohne die Berufung eines teuren Gutachters – erleichtern und die Umgehung der Mietpreisbremse erschweren. BMV-Geschäftsführerin Wibke Werner wirft zudem die Frage auf, ab wann ein Möblierungszuschlag überhaupt gerechtfertigt ist: Reicht eine Teilmöblierung mit womöglich altem Bett, Couch und Tisch – oder sollte er erst bei einem definierten Mindestausstattungsstandard zulässig sein?
Was Mieter:innen tun können
Mietende mit einem befristeten Mietvertrag sollten sich gut informieren. Oft bestehen schon jetzt Chancen, eine Entfristung zu erreichen oder trotz Möblierung die Mietpreisbremse geltend zu machen. Besonders neu Zugezogene haben hier jedoch ein großes Informationsdefizit. Der Senat ist gefordert, bessere Aufklärung zu leisten – denn wenn Mieter:innen ihre Rechte nicht wahrnehmen, hat das langfristig Auswirkungen auf alle Berliner:innen. Mieter:innen, die beabsichtigen, eine ganze Weile in Berlin zu leben, sind als Mitglied beim BMV gut beraten.
ml
17.07.2025




