Reiner Wild, Jahrgang 1954 – ein junger Mann mit fünf Geschwistern – traf nach seinem sozialwissenschaftlichen Grundstudium in Konstanz Mitte der 1970er Jahre in Berlin ein. Er gehörte zu jener geburtenstarken Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr miterlebt hatte. Aber die Geschichte des Dritten Reichs war den Jungen auf dem Weg zur Universität auf Schritt und Tritt begegnet, ohne dass man ihnen eine Erklärung für den vorangegangenen Zivilisationsbruch bieten konnte und wollte. In einer Phase beispiellosen deutschen Wohlstandswachstums aufgewachsen gehörte Wild zu einer Generation, die – wie ihre älteren Vorgänger der Studentenbewegung 1968 – durch die Neigung und den Anspruch verbunden war, alteingesessene Autoritäten und Institutionen in Frage zu stellen und es besser zu machen als die Alten.
Die „Generation Hoffnung“ traf in Berlin und in anderen Universitätsstädten auf eine ernüchternde Wirklichkeit. Zu ihr gehörte eine anstrengende Wohnungssuche, der nach dem Studium eine ebenso schwierige wie langwierige Jobsuche folgte. Sie traf im „Schaufenster des Westens“, wie West-Berlin genannt wurde, zudem auf eine mächtige Meinungsmaschine, geführt vom „Cäsaren“ Axel Springer, die dem ungeduldigen und veränderungsdurstigen Nachwuchs mit selbstgerechter Antipathie begegnete. Und sie war mit Institutionen und Führungseliten konfrontiert, die in autoritärer Manier ihre Erbhöfe pflegten und für die Jungen bestenfalls jovial besserwisserisches Verständnis aufbrachten: „Wir waren ja auch mal jung!“

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Die späten 1970er und die 1980er Jahre: Eine Mentorin und eine Palastrevolution
Wie die Alteingesessenen brauchten auch die jungen Erstnachfrager mit kleinem Budget Wohnungen. Meist fanden sie sie erst nach langem und mühseligem Suchen in den herabgewirtschafteten und vergleichsweise billigen Altbauquartieren Tür an Tür mit einer ebenfalls zahlungsschwachen Migrantenbevölkerung. Der drohende Abriss dieser Quartiere und die drohende Wegnahme der Preisbindung mit dem „Weißen Kreis“ war ein Griff ins ohnehin unruhige Wespennest. Protestbewegungen und Initiativen gegen dieses Vorhaben entfalteten sich vielerorts und schwappten bis hinein in die reformierten Universitäten. Die spätere Grünen-Politikerin Franziska Eichstädt-Bohlig, damals Assistentin im Fachbereich Architektur der TU-Berlin, hatte die Broschüre „Mieter gegen den Weißen Kreis“ mitverfasst und bescheinigte ihrem Studenten Reiner Wild „viel Wissenshunger, viel Engagement und ein gutes Verständnis für die sozialen und wohnungspolitischen Zusammenhänge.“ Neben persönlicher Förderung gehört zum Erfolg auch nicht ganz so zufälliges Glück.

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In der ehrwürdigen Institution des Berliner Mietervereins – Gründungsjahr 1888 – hatte ein „Putsch“ der Jungen den alten Vorstand weggefegt. Heinz Janning, der entthronte Geschäftsführer, bescheinigte den unerwünschten Nachfolgern „utopische Ziele“ und „eine politische Linie, die weit links außen liegt“. Aus einem befristeten Werkvertrag für Reiner Wild wurde im November 1981 unter der neuen Führung mit Hermann Behlau und dem später eingestellten Geschäftsführer Hartmann Vetter eine Festanstellung. Der junge Wild(e) hatte sich offensichtlich bewährt. Eins seiner Aufgabengebiete: „Beteiligung an der wohnungspolitischen Interessenvertretung.“

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Die 1980er Jahre waren für das Mieterbüro in der Wilmersdorfer Spichernstraße 12 ein Zeitraum stetigen, wenn auch abflachenden Mitgliederwachstums. Aus Bezirken wie Wilmersdorf, Schöneberg, Kreuzberg und Tiergarten, die damals noch keine hippen Quartiere für Aufsteiger und Arrivierte waren, rekrutierte der Verein den Hauptteil seiner Mitglieder. In all diesen Bezirken lag der Organisationsgrad deutlich über den Außen- und Randbezirken West-Berlins und dem gesamtstädtischen Durchschnitt. Der Kampf gegen die beschlossene Aufhebung der Mietpreisbindung in West-Berlin bestimmte über Jahre die politischen Aktivitäten des Vereins. 1987 war aber auch das gallische Dorf erobert: Als letzter deutscher Stadt wurde in Berlin das Vergleichsmietensystem eingeführt.

In West-Berlin tickten die Uhren auf ihre Weise, in der Dachorganisation der Mietervereine, dem Deutschen Mieterbund (DMB), herrschte eine andere Zeitrechnung. Reiner Wild gehörte wie Hartmann Vetter und die anderen Vertreter des Berliner Vereins zu den jungen Unangepassten im Deutschen Mieterbund. Traten die oft bärtigen und langhaarigen Vertreter des „Hausbesetzervereins“ – so der DMB-Flurfunk – bei Zusammenkünften des Dachverbands auf, ging das nicht ohne wechselseitigen Kulturschock vonstatten. Wild schilderte 2011, zu diesem Zeitpunkt längst anerkannter und geschätzter Vertreter im DMB, seine Erinnerung so: „Die Berliner Delegierten waren mit großer Ungeduld 1981 zum Deutschen Mietertag nach Freiburg gefahren. Ich war vom autoritären Führungsstil des Präsidenten überrascht und spürte bei den meisten anderen Delegierten viel Selbstgenügsamkeit und wenig Verständnis für Neues und Andersartiges. Vielleicht war das die typische Gemütslage nach der Wirtschaftswunderzeit.“ Ein Generationswechsel ist selten eine vergnügliche Veranstaltung, möchte der Chronist kommentierend hinzufügen.
Die 1990er: Der Mauerfall und eine neue Wirklichkeit

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Mittlerweile zur festen Größe im Vereinsleben und in der Außendarstellung des BMV geworden, erlebte Reiner Wild im Jahr 1989 eine politische Erschütterung, die nicht nur den Verein, Berlin und Deutschland, sondern die ganze Welt verändert hat. Die Mauer und der Eiserne Vorhang fielen, und die politisch getrennten Stadthälften bildeten nun eine gemeinsame Verwaltungseinheit. Der Verein in der ehemals geteilten Stadt machte einen Sprung in die neue Zeit. Von rund 43.000 Mitgliedern 1989 wuchs die Zahl der Mitglieder auf rund 120.000 im Jahr 1999. Die Hauptgeschäftsstelle erlebte ihren ersten Umzug. Der Verein schlug sein neues Quartier in der östlichen Stadthälfte neben der britischen Botschaft und in Reichtagsnähe auf.
Es war die Zeit, in der Wild in den entspannten Stunden nach den unzähligen Events gerne von seinem Besuch in Ost-Berlin vor dem Mauerfall erzählte. Er hatte 1988 gemeinsam mit einer grünen Abordnung und dem Autor dieser Zeilen einen offiziellen Besuch in der DDR-Hauptstadt absolviert. Das Protokoll, das die Staatssicherheit von diesem Treffen verfasste, dokumentiert die andere, die unsichtbare Mauer, hinter der sich die DDR-Nomenklatura gegen die soziale Wirklichkeit verschanzt hatte: Ein von Selbstlob und Selbstgerechtigkeit triefendes Narrativ. Die Abwesenheit des Kapitalismus war offensichtlich kein Schutz vor Torheit und offiziell verordneter Weltverkennung.

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Mit dem Fall der Mauer nahm die Arroganz der Macht neue Formen an. Die westdeutsche Parteienwalze planierte ziemlich schnell die bürgerbewegte DDR-Opposition, der sie die unblutige Ost-Revolution verdankte. Vielleicht lag es an den früh aufgebauten Kontakten zu den sympathischen Vertretern der Ost-Berliner Mieterschaft und den ehemals Bürgerbewegten, dass man den „Besserwessis“ und dem Gefasel vom „Demokratie- und Marktwirtschafts-Erlernen“ ebenso wenig Sympathie entgegenbrachte wie einst den Apparatschiks. Vielleicht ist sein Gedächtnis hier getrübt – aber der Autor meint sich an manches Gespräch zu erinnern, bei dem Reiner Wild die mit Macht aufkommende West-Arroganz bedauerte. Und man tat in jeglicher Beziehung gut daran, zum westdeutschen Siegestaumel Abstand zu halten.
Die 2000er Jahre: Der Sozialstaat schafft sich ab
Denn im Windschatten des vermeintlichen Endsiegs der westlichen Marktwirtschaft und als Reaktion auf die vereinigungsbedingte Höherverschuldung des Staates wurde in den 2000er Jahren die Wohnungspolitik schrittweise abgeschafft. Der Ökonom Peter Bofinger, zeitweiliges Mitglied im wirtschaftlichen Sachverständigenrat der Bundesregierung, hat die Jahrzehnte, die auf den Mauerfall und die Wiedervereinigung Deutschlands folgten, als „Jahrzehnte der Entstaatlichung“ bezeichnet. Mit dem fortschreitenden Abbau staatlicher Einflussnahme wurden dem öffentlichen Haushalt Ressourcen entzogen, mit denen er in den vorherigen Jahrzehnten über Programme und Investitionen lenkend und ausgleichend in das Wirtschaftsgeschehen eingegriffen hatte. Auch in Berlin wurde privatisiert und „gespart bis es quietschte“. Der Soziale Wohnungsbau wurde weitestgehend stillgelegt, bereits 1990 war das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz abgeschafft worden, und die städtischen Wohnungsunternehmen und ihre Bestände wurden privatisiert.

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Als Reiner Wild den Staffelstab für die Geschäftsführung 2009 von seinem Vorgänger Hartmann Vetter übernahm, wurde ein Marathonläufer durch einen der fleißigsten Berliner Fahrradnutzer seiner Zeit ausgetauscht. Ein Soziologe trat an die Stelle eines Juristen, und die Bearbeitung der Medienöffentlichkeit rückte noch mehr ins Zentrum der Außendarstellung. Gemäß seinem Leitsatz, dass auch die „beste Rechtsberatung mieterfeindliche Gesetze nicht ausgleichen kann“, gehörte Wild zu den wichtigen Berliner Exponenten, die versucht haben, den bisweilen religiös anmutenden Glauben in die marktwirtschaftliche Wohnraumversorgung zu erschüttern. Von sozialdemokratischer Seite gab es bei diesem Versuch wenig Hilfe. Dem Chronisten geht es nicht um Schuldzuweisung. Die regierenden Parteien und Politiker sind immer zugleich Täter und Opfer der eigenen Weltsicht, und sie traten nie allein auf die Bühne der Weltgeschichte. Gerhard Schröder, früher Juso-Aktivist, dann Ministerpräsident, war zeitgleich mit Clinton in den USA und Blair in Großbritannien an die Macht gekommen. Beispielhaft für diese neue Sozialdemokratie steht die Aussage Blairs aus dem Jahr 2005: „Über die Globalisierung zu streiten, ist genauso sinnvoll wie darüber, ob auf den Sommer der Herbst folgen sollte.“ Für die Schutzmächte der kleinen Leute, die Mieterorganisationen wie die Gewerkschaften und andere, waren weiß Gott schwere Zeiten angebrochen. „Wenn sich durch politische Intervention die Gegebenheiten und Gesetze der Marktwirtschaft und Globalisierung nicht verändern lassen, wozu sollte man dann in einen politischen Verband eintreten?“, fragte damals ein Sozialwissenschaftler zu Recht.

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In dieser Phase zwischen 1999 und 2009 gab es 25-prozentige Mitgliederzuwächse im BMV – eine stolze Leistung. Im gesamten Bundesgebiet musste der Deutsche Mieterbund nach der Wende-Euphorie dagegen erstmals wieder Mitgliederrückgänge hinnehmen – ein Schicksal, das der DMB mit dem DGB teilte, der einen noch deutlich stärkeren Mitgliederschwund verzeichnete.

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Aus dem jungen Wild(en) von damals war mittlerweile ein sesshafter Familienvater mit Ehefrau und drei Kindern geworden. Wilds einjähriger Vaterschaftsurlaub nach der Geburt des ersten Sohnes 1994 mag illustrieren, wie ernst er seine Vaterrolle nahm. Im politischen Geschäft, als Teamplayer in einer kinderreichen Familie trainiert, war aus ihm ein Mensch geworden, der im Umgang mit den Repräsentanten der alten Institutionen Geduld und diplomatisches Geschick erworben hatte. Er war dabei ebenso freundlich wie hartnäckig geblieben. Seine Mitstreiter ebenso wie seine politischen Gegner bezeugen das voller Respekt. Anders als viele Jungmarxisten von einst war Reiner Wild nicht auf die marktkonforme Gewinnerseite gewechselt, auf der man deutlich schneller und leichter Geld verdienen konnte. Er hatte allerdings auch darauf verzichtet, einen fundamentalistischen Staatsglauben gegen die marktreligiösen Positionen in seinem Umfeld zu entwickeln. Die DDR-Erfahrung war vermutlich noch zu lebendig. Nicht zuletzt war etwas anderes helfend dazugekommen: die wachsende Skepsis gegenüber dem grenzenlosen kapitalistischen Wachstum, das der Club of Rome 1972 erstmals kritisiert hatte. Der zweite große Reaktorunfall nach Tschernobyl in Fukushima 2011 wurde durch einen Tsunami ausgelöst, ein Naturereignis, das die meisten Menschen nicht einmal als Begriff kannten. Als deutsche Reaktion darauf verkündete die konservative deutsche Regierungschefin den mittelfristigen Ausstieg aus der Atomenergie und das stufenweise Abschalten der Reaktoren. Es war ein Positionswechsel der Konservativen, der ohne das sehr gute Abschneiden der Grünen bei der Bundestagswahl 2009 mit 10,7 Prozent nicht stattgefunden hätte. Die unlängst noch als „Oköspinner“, „Technologiefeinde“ und „Wachstumsgegner“ Verhöhnten hatten Recht behalten. Hartmann Vetter und sein Nachfolger Reiner Wild gehörten zu ihnen. Vetter hatte als Präsidiumsmitglied des DMB Franz Josef Radermacher, ein Mitglied des Club of Rome, als Hauptreferenten auf den Stuttgarter Mietertag geholt. Selten hat der Autor dieser Zeilen eine so nachdenkliche Menge von DMB-Mitgliedern aus dem Vortragssaal gehen sehen. Ohne die weltweit gewachsene Reputation der Klimaforschung und ohne eine Reihe von klimatischen Kleinkatastrophen danach wäre das vermutlich nicht möglich gewesen.
Die 2010er Jahre – Untote leben länger
Mit mehr als 158.000 Mitgliedern drohte der Verein aus den Nähten zu platzen, und „die Zentrale“ brauchte eine neue Behausung für ihre angewachsene Mitarbeiterschar. Unter Wilds Führung blieb der BMV trotz Gegenwind unverdrossen auf der marktkritisch-sozialen Seite positioniert. Argumentieren und kritisieren ist das Eine, die „normative Kraft des Faktischen“ besitzt jedoch eine ganz andere Überzeugungskraft. Erst ein Fast-Zusammenbruch der Weltwirtschaft 2008 und 2009, ausgelöst durch global entfesselte Finanzmärkte, stoppte fürs Erste die marktreligiöse Bewegung. „Das Vertrauen in die selbstregulierenden Kräfte einer weitgehend unkontrollierten Marktwirtschaft ist weg.“ Im Nachhinein wird man diesen optimistischen Blick Wilds – viele teilten ihn – dem Prinzip Hoffnung zuschlagen. Der Neoliberalismus hat noch lange und fröhlich weiterexistiert, aber schon gegen Ende der 2000er Jahre begann sich außerhalb des Parlaments und des etablierten Parteienspektrums die Empörung gegen seine Folgen zu formieren. Nicht nur deshalb war die Zeit nach 2010 in wohnungspolitischer Hinsicht bemerkenswert. Nachdem viele Städte, so auch Berlin, längst ihr öffentliches Wohnungsvermögen verkauft hatten und über das Ausmaß der Wohnungsleerstände lamentierten, baute sich zeitgleich und von offizieller Seite weitgehend unbeachtet eine Wohnraumknappheit auf. Die Migration in Folge der Schengenraum-Erweiterung der EU hatte einen maßgeblichen Anteil an diesem Prozess. Zeitweilig kamen bis zu 70 Prozent der Nettozuwanderung in ost- wie westdeutschen Großstädten aus den ärmeren und wirtschaftsschwächeren Regionen Osteuropas. 2015 verstärkte die kriegsbedingte Flucht aus den syrischen Kriegsgebieten die Situation. Wieder einmal war die Wohnungspolitik Getriebene von Migrationsprozessen, auf die sie reagieren musste. Diesmal aber wurde sie auf dem falschen Fuß erwischt.

Foto: Sabine Münch
„Ab 2008 demonstrierte die Politik zunächst durch die Bankenrettungen, anschließend in der Europäischen Union durch die Staatenrettungen und schließlich in der Flüchtlingskrise eine Handlungsfähigkeit und fiskalische Belastbarkeit, die es der jahrzehntelangen Rhetorik von ‚keine Alternative‘ und die ‚Kuh ist gemolken‘ zufolge nicht hätte geben dürfen“, so der Aachener Politikwissenschaftler Alban Werner. Die Kapitulation des Sozialstaats, die sowohl die Arbeits- wie die Wohnungsmärkte paralysierte, leitete nun Wasser auf die Mühlen einer erstarkten nationalistischen Bewegung. Vermeintlich als Fürsprecher und Im Namen der kleinen Leute, die ihre politischen Schutzmächte weitgehend verloren hatten, konnten fremdenfeindliche Parteien scharenweise Wähler gegen die etablierten Regierungen mobilisieren – eine Entwicklung, zu der es auch hier wieder weltweite Parallelen gab, wie Frankreich und die USA gezeigt haben.

Foto: Sabine Münch
Dennoch regierte von 2016 bis heute eine rot-rot-grüne Koalition die Hauptstadt. Das war kein ausschließlich lokal errungener Erfolg. Nicht nur die AfD, sondern auch Parteien auf der linken Seite hatten den etablierten Parteien bundesweit das Wasser abgegraben. Der Generationswechsel spielte dabei wieder eine große Rolle. Während 2019 in den ehemals großen „Volksparteien“ CDU und SPD die über Sechzigjährigen mehr als die Hälfte der Mitglieder stellten, waren es bei den Grünen weniger als ein Viertel. Die Anteile der Jüngeren lagen bei den Grünen mehr als doppelt so hoch wie bei ihren etablierten Kontrahenten. Ähnliches galt für den Frauenanteil, der bei den Grünen allmählich auf die 50-Prozent-Marke zurückte, während das organisierte „Volk“ bei den Etablierten lediglich zu einem Drittel weiblich war. Kurz: Die Bewegung rund um die umweltpolitischen Themen war radikaler, jünger und weiblicher. Vor dem Hintergrund dieses bundesweiten Trends war es kein Wunder, dass in Berlin, der Stadt der Hochschulen, der Jungen, der Ost-West-Begegnung und der Alternativkultur eine Allianz des Unmuts und Reformwillens möglich wurde. Es war eine Koalition, die auf Kosten der SPD ging, die auf rund 22 Prozent (2016) abgerutscht war. Der kleine Vorsprung reichte dennoch zur Führungsrolle in einer Koalition. Reiner Wild und die von ihm vertretenen Mieterinteressen – das dokumentieren viele Fotos – fanden bei der Bausenatorin, einer Vertreterin der Linken, deutlich mehr Gehör als bei den Verantwortlichen davor.

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Die Wohnungspolitik spielte im Verlauf der 2010er Jahre eine zunehmend wichtigere Rolle. Im Windschatten wachsender Proteste gegen rasant steigende Mieten, finanzmarktgetriebenen Handel mit Wohnimmobilien durch Unternehmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia vergrößerte sich auch für den BMV der politische Handlungsspielraum und der Resonanzraum für bessere Schutzregelungen. Anfangs taten sich die Etablierten schwer: „Ich muss Ihnen nicht sagen, dass die offiziell und nachhaltig kommunizierte Bewertung des Berliner Wohnungsmarktes als ‚entspannt‘ rechtliche Folgen hat und dazu beiträgt, dass auch die wenigen rechtlichen Steuerungsinstrumente zur Sicherung bezahlbarer Mieten … damit funktionslos gemacht beziehungsweise in ihrer Wirkung stark beschnitten werden.“ Das hatten in einer gemeinsamen Initiative von BMV und DMB Mieterbundpräsident Franz Georg Rips dem Regierenden Bürgermeister von Berlin noch 2015 schriftlich zukommen lassen. In den Folgejahren versuchten die Berliner und der ebenfalls an den Regierungssitz Berlin umgezogene Mietervereins-Dachverband DMB, die Folgen der zunehmenden Mangellage durch neue und verbesserte Rechtsinstrumente des Mieterschutzes in Grenzen zu halten. Es gab Initiativen gegen Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und Eigenbedarfskündigungen als Folge. In Großstädten mit angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin wurde 2015 eine „Mietpreisbremse“ eingeführt und auf Druck der Mieterverbände 2019 verschärft. Sie sollte die weitgehend ungebremste Ausnutzung der Mangellage im Fall von Wiedervermietung zügeln. All dies – so sah es Reiner Wild – wäre „ohne den wachsenden Druck von der Straße“ nicht möglich gewesen. Aber er half nur bedingt. Die ansteigenden Miet- und Immobilienpreise koppelten sich immer weiter von der Einkommensentwicklung der Mieterinnen und Mieter ab, und die Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen wurde dank ihrer zahlreichen Schlupflöcher zu einem weitgehend zahnlosen Papiertiger. Anders als vor 2008 war es nun schwieriger, die sozialstaatliche Ohnmacht als „alternativlos“ zu verkaufen. Im April 2019 entlud sich die Empörung gegen den „Mietenwahnsinn“ in einer Berliner Großdemonstration. Die Schätzungen der Teilnehmerzahl reichten von 20.000 bis 40.000.

Im Juni 2018 warf Peter Weber – ein Jurist beim Bezirksamt Pankow – mit einem Fachartikel einen Stein in das bereits brodelnde Wasser. Er plädierte darin für einen landesrechtlichen Mietendeckel mit amtlich festgelegten Obergrenzen. Das warf beachtliche Wellen. SPD-Bundestagsabgeordnete, die Berliner SPD-Fraktion, Grüne und Linke sowie Berlins Bausenatorin Lompscher griffen die Grundidee auf, und der BMV erarbeitete einen Gesetzentwurf. Im April 2019 kam für die Mietendeckel-Initiative grünes Licht aus dem Büro des Regierenden Bürgermeisters Müller. Rainer Tietzsch, seit 2014 Vorstandsmitglied und seit 2017 Vorsitzender des BMV, hatte zusammen mit Reiner Wild und anderen Fachleuten einen langfristig konzipierten, juristisch belastbaren Mietendeckel ausgearbeitet. Ein Mietenstopp für fünf Jahre, nach Wohnwert differenzierte Mietobergrenzen und ein auch bei Wiedervermietung gültiges Verbot zur Überschreitung der Obergrenzen waren die Eckpunkte eines dann beschlossenen Landesgesetzes, in das die BMV-Vorschläge weitgehend eingearbeitet waren. „Ein historischer Erfolg“, kommentierte Wild diesen Schritt. Der Wechsel zu einer einfach anwendbaren, rechtssicheren Höchstmiete war jedoch leider nur ein Etappensieg. Im April 2021 erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass das Land Berlin die Kompetenz zum Erlass eines solchen Gesetzes nicht hätte. Der mit „Blut, Schweiß und Tränen“ errungene Erfolg endete in „einem schwarzen Tag für die Mieter“ (Wild/Tietzsch). Wieder einmal wurde klar, dass Politik – wie der Soziologe Max Weber es formuliert hat – „das beharrliche Bohren dicker Bretter“ bleibt. Bereits eingeleitet ist deshalb eine neue Etappe, an deren Ende ein mietendeckelndes Bundesgesetz stehen könnte.
Wenn einer wie Reiner Wild jetzt von der Bühne abtritt, wird er den Nachfolgenden kein organisatorisches und politisches Vakuum hinterlassen. Denn er hat denen, die mit ihm als Schutzmacht der kleinen Leute gekämpft haben, Kampfgeist und Beharrlichkeit gepaart mit freundlicher Bescheidenheit und damit eine politische Praxis hinterlassen, an die man sich erinnern wird.
Ein Dankeschön dafür, „Chapeau!“
und viel Spaß bei Deinen neuen Fahrradtouren, Reiner.
Vom schwierigen Unterfangen des Biografen
Bei jedem biografischen Versuch stellt sich dem Autor die Frage, wie und was er über das Leben eines anderen Menschen schreiben darf, ohne anmaßend zu sein. Es bleibt allemal ein schwieriges Unterfangen, bei dem sich der Schreiber nur in einem Punkt sicher ist: Keine Lebensgeschichte ist die in sich stimmige Verwirklichung eines persönlichen Entwurfs. Man schreibt mit an seiner Biografie, aber man schreibt sie nicht selbst. Es gibt viele – wir nennen sie „die Gesellschaft“ –, die erwünscht oder ungebeten die Feder (mit)führen. In diesem Sinne bittet der Autor die wertgeschätzte Person, um die es geht, um Verständnis für mögliche Fehler, Auslassungen und die eingeflochtene Ironie. Was das Letztere angeht, möchte der Erzähler sich hinter dem großen Shakespeare verstecken, der am Ende von Macbeth sagen lässt: „Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild. Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht. Sein Stündchen auf der Bühn’ und dann nicht mehr. Vernommen wird; Ein Märchen ist’s. Erzählt von einem Blöden, voll Klang und Wut, das nichts bedeutet.“
Armin Hentschel
Das sagen politische Wegbegleiterinnen und Kollegen
Mit Reiner verbindet mich ein jahrzehntelanges gemeinsames Engagement für eine sozial orientierte Mietenpolitik. Besonders prägend fand ich seinen bundesweit wirksamen Beitrag für ein stärkeres wohnungspolitisches Engagement der traditionellen Mietervereine und für die Zusammenarbeit mit der alternativen MieterInnenbewegung. Beides hat wichtige Folgen gehabt: eine starke Stimme für die Berliner MieterInnen im BMV, als Vizepräsident des Deutschen Mieterbundes (DMB) sowie unseres Netzwerks Mieten und Wohnen mit seinen strategisch-thematischen Kongressen. Lieber Reiner, bitte bleib aktiv dabei – wir haben noch einiges zu bewegen!
Jan Kunert, Kommunal- und Unternehmensberater, „Mietenvolksentscheid“-Aktivist
Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich Reiner das erste Mal begegnet bin. Es war spätnachmittags an einem kalten, regnerischen Novembertag 1980 am Karl-Marx-Platz in Neukölln. Die Zeit des Umdenkens in der Stadterneuerung hatte gerade begonnen. Das Büro, in dem ich damals tätig war, sollte für eine bewohnerfreundlichere Sanierungspraxis ein neu entwickeltes Sozialplanverfahren auf seine Praxistauglichkeit hin überprüfen. Zur eingerichteten Sprechstunde erschien aber als Erstes nicht ein Bewohner, sondern Reiner. Er hatte gerade sein Studium abgeschlossen und war nun auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive für sich, weshalb er sich über unsere Arbeit informieren wollte.
Reiner erschien in einer selbst eingefärbten lila Latzhose, was in der damaligen Zeit zwar nicht die Regel, aber auch nicht ganz aus der Welt war. Bei Männern galt lila eher als Symbolfarbe für eine bewusste Abkehr vom Machismus, womit man Reiner bis heute nicht unbedingt in Verbindung bringen kann. So ganz konnte Reiner sich dann doch nicht der Lila-Bewegung hingeben, denn als Zeichen seiner männlichen Würde zierte ihn damals ein kräftiger Schnurrbart. Ob er auch seine hellbraunen Holzschuhe zur Latzhose trug, kann ich nicht mehr sagen. Denkbar wäre es. In der Folgezeit habe ich ihn oft damit gesehen.
Aus dieser ersten Begegnung ist eine lange und immer noch andauernde Freundschaft entstanden. Ich wünsche Reiner alles Gute im wohlverdienten Ruhestand, wobei ich mir sicher bin, dass er so viel Ruhe gar nicht aushalten kann, wie ihm zukünftig zur Verfügung steht. Uns wünsche ich noch viele gemeinsame Fahrradtouren.
Werner Oehlert, früherer Geschäftsführer
der Mieterberatungsgesellschaft ASUM
Mitten in der Nacht könnte man Reiner aufwecken und ihm eine wohnungspolitische Frage stellen – man bekäme eine zitierfähige Antwort, und sie wäre differenzierter als vieles, was man sonst lesen kann. Manchmal werden in Diskussionen über Stadterneuerung oder Wohnungspolitik neben ihm auf dem Podium sehr schrille Thesen verbreitet – Reiner fragt nach und setzt freundlich, aber bestimmt dagegen. Diese Verbindung von Neugier und dem Bestehen auf Genauigkeit und empirischer Überprüfbarkeit macht die gemeinsame Arbeit an Projekten spannend und ertragreich. Übrigens: Den nächtlichen Anruf habe ich noch nicht ausprobiert.
Rainer Tietzsch, Rechtsanwalt und BMV-Vorsitzender
… kompetenter Vollprofi, der bis in die Details der Gesetze abtauchen kann – bewundernswert! In Erinnerung bleiben wird mir auch, wie wir uns am Bundesplatz zufällig auf dem Rad getroffen haben und uns über die Bedeutung der Verkehrszeichen für Zweiradlenker ausgetauscht haben – den Weg haben wir gemeinsam plaudernd fortgesetzt.
Ralf Schönball, Redakteur des Tagesspiegel
Vor über vierzig Jahren saß Reiner bei mir im Seminar. Das Thema: die Berliner Wohnungskrise mit viel Abrisssanierung und der Aufhebung der Mietpreisbindung. Es gab harte Häuserkämpfe und eine sehr engagierte Mieterbewegung rund um ein frisch-aktives Team des Berliner Mietervereins. Seither schlägt Reiners Herz für die Sache der Mieter*innen. Er ist dieser Aufgabe immer treu geblieben. Dabei wird Reiner nie Wild, sondern bleibt immer ruhig und freundlich, aber ebenso beharrlich und unnachgiebig. Danke, Reiner! Ich weiß, Du wirst weiterkämpfen – und das ist in der aktuellen Wohnungskrise auch wieder dringend notwendig.
Franziska Eichstädt-Bohlig, Stadtplanerin und Politikerin
„Reiner Wild hört auf“, so rumort es seit einigen Monaten in Berlin. Manche wollen nicht glauben, dass er einfach in Rente geht („Ist doch gar nicht so alt!“), andere bekommen leichte Panikattacken „Und wer soll ihn ersetzen? Und wen frage ich beim Thema …?“ Lieber Reiner, genieße Deinen Ruhestand, und wenn es Dir langweilig wird, werden wir schon mit vielen Fragen und viel Beratungsbedarf auf Dich zukommen.
Rouzbeh Taheri, Mieteraktivist und Mitgründer
der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“
Während meiner Zeit als Mitglied des Vorstands des Berliner Mietervereins bin ich über ein Phänomen in Reiners Büro im wahrsten Sinne des Wortes gestolpert, nämlich über die Stapel von Papieren. Ein modernes papierfreies Büro hatte ich mir anders vorgestellt. Doch erklären konnte ich es mir mit den Berichten von der Arbeit der Geschäftsführung. Eigentlich ist es unfassbar, wieviel Treffen, Meetings, Workshops, Fachgespräche und so weiter absolviert wurden, die meisten von Reiner. Und ob das nun Gespräche mit einer Bundestagsfraktion, mit Stadträten oder Aktivisten in den Stadtteilen waren, Reiner ist gefragt und kommt. Und zu ihm kamen die dazugehörigen Papiere, und die stapelten sich auf. Im Laufe der Jahre habe ich bemerkt, dass es im Verein gelungen ist, die notwendigen Verbindungen auf mehrere Schultern zu verteilen. Das ist gut so, denn Reiner soll die ungewohnte Ruhe genießen.
Regine Grabowski, Wohnungswirtschaftlerin,
früheres Vorstandsmitglied des BMV
Seit „nur“ knapp 11 Jahren durfte ich unzählige Male Reiner in Ausschüssen, bei Fachgesprächen, auf Podien und Demos erleben. Kaum einer versteht es so gut, einerseits die wohnungspolitischen Missstände anzuprangern, radikale Verbesserungen einzufordern und anderseits einfach und ruhig komplexe Sachfragen zu erklären. Reiner hat dem Berliner Mieterverein eine lautstarke, verständliche und eindringliche Stimme gegeben, aber vor allem den Mieter*innen Hoffnung gemacht und für sie immer verlässlich gekämpft. Danke für all die Jahre als Mitstreiter, Berater, Mahner und – wenn es sein musste – Kritiker und Treiber. Als Mieterschützer warst Du für uns Wohnungspolitiker*innen von Rot-Grün-Rot stets ein großes Vorbild!
Katrin Schmidberger, Politikerin, Wohnungs- und mietenpolitische Sprecherin
der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus
Bereits bevor ich vor mehr als zehn Jahren Geschäftsführer der „Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft“ wurde, war mir Reiner Wild aus diversen Medien bekannt. Schon damals war er eine Institution. In Arbeitsgruppen, bei Podiumsdiskussionen und im persönlichen Gespräch lernten wir uns dann kennen. Es lag in der Natur der Sache, dass wir häufig gegensätzliche Positionen vertraten und konstruktiv stritten. Diese Auseinandersetzungen waren inhaltlich klar, manchmal hart, aber sie waren nie persönlich, sondern von Anerkennung des jeweiligen Engagements geprägt. Bei sich gelegentlich ergebenden geselligen Zusammentreffen konnten wir durchaus miteinander lachen, scherzen und uns über gänzlich andere Dinge des Lebens austauschen.
Lieber Reiner Wild, für die gemeinsame Zeit, die Begegnungen und den Austausch bedanke ich mich herzlich und wünsche Ihnen Gesundheit und Wohlergehen für die Zukunft. Ich werde einige Zeit benötigen, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass „Mister Mieterverein“ nun im Ruhestand ist. Alles Gute!
Ingo Malter, Geschäftsführer
des kommunalen Wohnungsunternehmens „Stadt und Land“
Immer, wenn ich ihn brauchte, hat er mir als Verwaltungsratsvorsitzender mit Rat und Tat und all seiner Erfahrung zur Seite gestanden und sich für die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Belange der Verbraucherzentrale Berlin eingesetzt. Herzlichen Dank für dieses Engagement.
Dörte Elß, Verbraucherzentrale Berlin

Foto: Christian Muhrbeck
Auf die letzte Minute und mit Fahrradhelm, so erlebte ich Reiner Wild in unserem Berliner Sozialgipfelbündnis – ein Glücksfall, dass er sich an unseren sozialpolitischen Initiativen mit seinem außergewöhnlichen wohnungspolitischen Sachverstand beteiligt hat.
Ursula Engelen-Kefer, Vorsitzende Sozialverband Deutschland
Reiner war über viele Jahre das Gesicht des Berliner Mietervereins, immer kompetent im Einsatz für die Interessen der Mieterschaft. Er war immer ein geduldiger Zuhörer und gleichzeitig Ideengeber, Motivator und Konfliktlöser.
Willi Laumann, BMV-Bezirksleiter Neukölln
Neben all den wirklich maßgeblichen Dingen, die bestimmt noch aus berufenerem Mund Erwähnung finden, und dem Umstand, dass Reiner und ich ein nur schwer zu schlagendes Kicker-Gespann darstellten, bleibt mir in Erinnerung, dass wir uns immer fair, sachlich und ergebnisorientiert ausgetauscht und diskutiert haben.
Stefan Schetschorke, Leiter der BMV-Rechtsabteilung
Reiner Wild war die laute und starke Stimme für die Mieterinnen und Mieter in Berlin.
Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung
Was mich an Reiner über die Jahre beeindruckt hat, war seine Konstanz. Egal, ob das Thema in der Öffentlichkeit umstritten oder gar als obsolet angesehen wurde – wie die Mietenfrage um die Jahrtausendwende –, Reiner hat stets klar und unbeirrt seine Meinung und die des Mietervereins dargestellt und vertreten.
Sigmar Gude, Stadtforscher, Gründer des Planungsbüros Topos
Sanft im Ton, hart in der Sache: So habe ich Reiner Wild in unseren vielen Gesprächen immer wieder erlebt. Dabei waren wir nicht immer einer Meinung, hatten aber immer ein gemeinsames Ziel: gutes und bezahlbares Mietwohnen in einem sozialen Berlin. Danke für die spannenden Jahre und alles Gute!
Maren Kern, Vorständin des Verbandes
Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen
Ich habe Reiner Wild als entschiedenen Vertreter der Interessen von Mieterinnen und Mietern seit den gemeinsamen Verhandlungen über ein Muster-Sozialplanverfahren im Jahr 2013 im Bezirk Pankow schätzen gelernt.
Klaus Mindrup, früherer SPD-Bundestagsabgeordneter
Faire Mieten, gerechte Mietspiegel – ein weites und diskussionsfreudiges Feld, was Reiner Wild und mich in wunderbarer Weise immer wieder zusammengebracht hat. Fair und gerecht ist es dabei auch in unseren Diskussionen stets geblieben, pragmatisch und menschlich ebenfalls. Alles Gute!
Mario Hilgenfeld, Leiter Bereich Wohnungswirtschaft/-politik
im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen
Reiner Wild hat sich nicht nur unermüdlich und kompetent für die Berliner Mieter und Mieterinnen eingesetzt, sondern auch auf Bundesebene zuletzt als Vizepräsident des DMB maßgeblich dazu beigetragen, bezahlbares Wohnen in Deutschland zum Thema der Zeit zu machen.
Siegmund Chychla, Vorstandsvorsitzender des Mietervereins zu Hamburg
Die Berliner Mieten- und Wohnungspolitik ist weltweit wegweisend, und Reiner ist ihr internationaler Botschafter bei unseren Treffen. Als er den internationalen Mieterrepräsentant*innen beim Wiener Kongress der IUT 2019 das Konzept des Berliner Mietendeckels (rent freeze) vorstellte, rief ein Kollege aus Italien aus: „I want to be a Berliner!“
Barbara Steenbergen, Leiterin des Verbindungsbüros der International Union
of Tenants (IUT) zur Europäischen Kommission
Ja, es gibt diese Sonnabende, an denen ich vom Wochenendeinkauf mal wieder viel zu spät zurück nach Hause komme. Und zwar immer dann, wenn ich Reiner Wild im Bioladen treffe. Es gibt so viele Themen, über die wir dann reden können. Endlich ohne Redaktionsschluss im Nacken. Das Gute: Diese Treffen werden uns erhalten bleiben, selbst im Ruhestand.
Ulrich Paul, Redakteur der Berliner Zeitung

Foto: Christian Muhrbeck
Reiner Wild war gefühlt immer schon da. Er ist ein begnadeter Kommunikator und Netzwerker, ausgewiesener Experte und Teamworker. Ob Expertenkommission Sozialer Wohnungsbau, Arbeitsgruppe Mietspiegel, Anhörung im Abgeordnetenhaus oder Mitarbeit an politischen Initiativen – die Impulse von Reiner Wild waren wichtige Denkanstöße und Handlungsempfehlungen für eine soziale Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Mach‘s gut Reiner!
Katrin Lompscher, ehemalige Stadtentwicklungssenatorin
Ich schätze an Reiner sein unendliches Wissen und zwar nicht nur fachlich, sondern auch strategisch – dabei ist er auch noch uneitel und integrativ.
Benjamin Raabe, Fachanwalt für Mietrecht
Imke, Paula, Maxie und Jakob: Der Mieterverein – das war nicht nur Reiners Arbeitsstelle, sondern auch Familienmitglied Nummer sechs. Er hat sich zu Hause am Esstisch breit gemacht und viele Gespräche dominiert. Und wie das so ist bei Familienmitgliedern, hat er uns manchmal genervt, aber auch oft für gute Stimmung gesorgt mit Anekdoten über witzige und absurde Ereignisse. Wir sind gespannt, ob mit Reiners Weggang der Mieterverein weiterhin seinen Platz am Esstisch einnehmen wird.
Imke Oevermann, Ehefrau von Reiner Wild
Anfang Dezember 1980 bewarb sich der junge Soziologe Reiner Wild um die vom Berliner Mieterverein ausgeschriebene Stelle als „Assistent der Geschäftsführung“. Der damalige BMV-Vorstand erkannte gleich die Talente dieses jungen Mannes, und so wurde schon am 15. Januar 1981 der Vertrag mit Reiner Wild unterschrieben. Organisationstätigkeiten und die Verstärkung der politischen Interessensvertretung wurden seine Aufgabenbereiche. Auch kümmerte er sich um Dinge, die seinerzeit bei anderen nicht sonderlich beliebt waren, so auch das Thema „Deutscher Mieterbund“. Das MieterMagazin hatte es ihm von Anfang an angetan – er war Autor, Ideenlieferant und verantwortlich für die inhaltliche Schlusskorrektur – immer am Wochenende vor Druckbeginn („Ein leitender Mitarbeiter kennt keine Überstunden“).
In den vergangenen mehr als 40 Jahren habe ich in vielen Bereichen und in verschiedenen Funktionen mit ihm eng kooperiert – eine solch lange vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt es nicht so oft im Leben. Und dafür bin ich Reiner sehr dankbar.
Hermann Behlau, ehemaliger BMV-Vorsitzender,
Geschäftsführender Redakteur des MieterMagazins
Was mir in Erinnerung bleiben wird: Wie Reiner morgens mit der einen Hand sein Fahrrad gelenkt hat, in der anderen Hand seinen Kaffee hielt und immer auf dem Sprung zum nächsten Termin war. In unseren Gesprächen hatte er immer ein offenes Ohr für mich und ich konnte mich auf seine Unterstützung verlassen.
Leyla Polat, Abteilungsleiterin der BMV-Anmeldung
Reiner hat schon früh auf die 2011 neu entstehende Mietenbewegung mit Anerkennung und fachlicher Unterstützung reagiert. Solche institutionelle Anerkennung war extrem wichtig für die Mieter*innen bei ihren ersten zaghaften Versuchen, sich zusammenzuschließen. Er hat es geschafft, dass heute das Verhältnis zwischen der Mietenbewegung und dem Mieterverein von Wertschätzung, Solidarität und gegenseitigem Austausch geprägt ist. Seine unaufgeregte und immer engagierte Art hat die Debatten stets konstruktiv vorangebracht.
Dr. Ulrike Hamann, Mitglied der BMV-Geschäftsführung
Reiner hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. Mehr noch: Mit ihm ein Problem zu besprechen, ergibt oft ein kleines Kunstwerk aus scharfer Analyse, Debattenfreude, Witz und Erkenntnis. Daran werde ich mich gern erinnern, lieber Reiner.
Sebastian Bartels, stellvertretender BMV-Geschäftsführer
Ich habe Reiner in wirklich verschiedenen Situationen erlebt. Als geduldigen Erklärer von juristischen Sachverhalten in konkreten Konfliktlagen auf Mieterversammlungen, als diplomatischen Vermittler in politischen Abstimmungsrunden mit Parteien und Verbänden, als akribischen Kritiker von Gesetzentwürfen und Programmen, als feurigen Redner auf öffentlichen Veranstaltungen und auch als geselligen Begleiter an Abenden nach Kongressen und großen Veranstaltungen. Reiner macht in allen Rollen eine gute Figur.
Reiner steht heute für eine sehr enge Verbindung von Mieterverein und Basisinitiativen und für klare politische Positionierungen. Das war nicht immer so, und ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich den Berliner Mieterverein als fast schon staatstragend wahrgenommen habe. Was ich schon immer wissen wollte, ist, was diese Politisierung der Mietervereinsarbeit ausgelöst hat.
Andrej Holm, Stadtsoziologe und Dozent an der Humboldt-Universität
Ein Interessenvertreter wie er im Buche steht – neugierig, offen, schlagfertig, blitzgescheit, fair und immer für die Mieterinnen und Mieter. Die Fußstapfen sind groß, wir nehmen die Herausforderung an und werden Dich vermissen. Danke für alles!
Wibke Werner, stellvertretende BMV-Geschäftsführerin
05.07.2022