Nach den extremen Heizkostensteigerungen im Jahr 2022 nahm die Mieterschaft des NKZ am Kottbusser Tor die Wärmeversorgung genau unter die Lupe. Dirk Cieslak von der AG Nebenkosten des Mieterrats zeichnet das Bild eines undurchsichtigen Geflechts aus Vermietenden, Energieversorgungs- und Dienstleistungsunternehmen. Die Mieter:innen spielen darin kaum eine Rolle – sie zahlen nur. Was er von der Gewobag und der Politik fordert.
Herr Cieslak, die Nachzahlungen für das Jahr 2022 beschäftigen Sie auch Ende 2025 noch intensiv. Warum lässt Sie das Thema nicht los?
Die Abrechnung für das Jahr 2022, die uns Ende 2023 zuging, war ein echter Schock – nicht nur für mich, sondern für viele Mieter:innen in unserem Gebäudekomplex. Bis dahin hatte ich mich kaum mit den Heizkosten beschäftigt, doch plötzlich standen Nachzahlungen von bis zu 5.000 Euro im Raum. Bei 290 Mieteinheiten unseres Blocks traf die Erhöhung alle, wenn auch unterschiedlich stark. Dazu kam, dass die Abrechnung schlicht nicht nachvollziehbar war: Die Umstellung der Verbrauchszähler war fehlerhaft, die Werte stimmten nicht. Vor allem basierte die gesamte Abrechnung auf spekulativen Börsenpreisen für Gas, die nichts mit den realen Kosten für Erzeugung und Beschaffung zu tun haben. Das vorgeschriebene „Marktelement“ fehlte in den Formelberechnungen nach AVB-Fernwärmeverordnung völlig. Uns war klar: Hier müssen wir grundsätzlich ran – und das braucht Zeit.
Geben Sie uns einen Einblick in das Konstrukt: Wer betreibt Ihre Heizanlage und wer ist Ihr Vertragspartner?
Die Heizanlage ist komplex: In unseren Kellern stehen zwei Gasbrenner und ein Blockheizkraftwerk aus dem Jahr 2009. Betrieben werden sie von der Gasag Solution Plus GmbH, die auch den erzeugten Strom vermarktet. Es besteht ein Energieliefervertrag aus dem Jahr 2009 mit der Gewobag. Hinzu kommen Verträge mit der Gewobag ED Energie- und Dienstleistungsgesellschaft mbH – eine Tochter der Gewobag für die sogenannte Sekundäranlage (Verteilung der Wärme im Gebäudekomplex und Ablesung). Für Mieter:innen ist dieses Dreierkonstrukt schwer zu durchschauen.
WärmeLV und Contracting
Die WärmeLV ist – zusammen mit dem neu eingeführten § 556c BGB – 2013 geschaffen worden, um Rechtssicherheit zu schaffen und Mietende vor Nachteilen zu schützen, wenn die Wärmeversorgung von einer selbst betriebenen Anlage auf eine gewerbliche Lieferung umgestellt wird. Ziele dabei waren:
- eine faire Kostenverteilung zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen und die Verhinderung, dass Mieter:innen durch eine Contracting- oder Fernwärme-Umstellung finanziell schlechter gestellt werden als zuvor
- klarere Regeln für Verträge und Prozesse, damit solche Umstellungen planbar und rechtlich abgesichert sind
- die Unterstützung einer energieeffizienteren Wärmeversorgung im Gebäudebestand durch klare rechtliche Vorgaben
Sie diente aber auch dazu, bestehende Heizanlagen einem Dienstleister zu übergeben und damit auf ein reines Betriebsführungs-Contracting umzustellen. Im Jahr der Einführung der WärmeLV und dem Paragrafen 556c BGB gründete die Gewobag die Tochtergesellschaft Gewobag ED, einen Energiedienstleister, der Wärmelieferungen und Contracting-Verträge organisiert. Die zeitliche Nähe ist auffällig: Die WärmeLV bot genau die rechtliche Grundlage, die Contracting-Modelle absichert.
Contracting kann wirtschaftlich attraktiv sein: Es schafft langfristige Lieferverträge und verlagert Investitions- und Betriebsrisiken des Vermietenden teilweise auf die Mieter:innen und teilweise auf das Contracting-Unternehmen – rechtlich abgesichert durch die neue Verordnung und die bestehende Fernwärmeverordnung, nach der Verträge und Abrechnungen gestaltet werden, obwohl es sich oftmals nicht um klassische Fernwärme handelt.
So stärkte die WärmeLV nicht nur Verbraucherrechte, sondern eröffnete gleichzeitig neue Geschäftsmöglichkeiten für Energiedienstleistungsunternehmen.
Um dieses System zu durchdringen, entstand der Arbeitskreis Nebenkosten. Was haben Ihre Recherchen ergeben?
Wir mussten zunächst Struktur in das Chaos bringen. Die meisten Mieter:innen verstehen nicht, warum ihr Wärmeversorger nicht ihr Vermieter ist. Wir haben Handreichungen erstellt, um das Modell zu erklären. Technisch zeigen sich Absurditäten: Da gibt es Pumpen zur Verteilung der Wärme, die innerhalb eines Jahres Stromkosten von 27.000 Euro verursacht haben. Jede einzelne Pumpe hat zudem einen eigenen Wartungsvertrag von 450 Euro. Besonders ärgerlich: Nach zehn Jahren – also 2019 – wäre der Contracting-Vertrag regulär ausgelaufen. Die Anlage hatte 2021 nur noch einen Restwert von 75.000 Euro, doch der Vertrag wird jährlich von der Gewobag verlängert. 2022 hatten wir Heizkosten von über 900.000 Euro. Unsere Berechnungen zeigen: Würde sie heute als hauseigene Heizanlage von der Gewobag selbst betrieben, wären die Heizkosten 2022 halbiert worden. Deshalb fordern wir: Schluss mit Contracting! Die Gewobag soll die Anlage übernehmen.
Wie reagiert die Gewobag auf diese Forderung und Ihre Berechnung?
Kurz gesagt: Es hat sich nichts verändert. Die Gewobag behauptet stur, die Mieterschaft des NKZ habe durch diesen Vertrag mehr Vorteile als Nachteile erfahren. Ein von uns vorgeschlagener Vermittler wurde ignoriert. Unser Versuch, auf Augenhöhe zu verhandeln, blieb erfolglos. Ein späteres Gespräch mit dem Staatssekretär für Mieterschutz, Stefan Machulik, und der Abgeordneten Sevim Aydin war zwar freundlich, führte aber ebenso zu nichts. Antworten auf parlamentarische Anfragen reicht die Senatsverwaltung für Wohnen quasi nur durch, eine Überprüfung der Aussagen und Angaben der Gewobag sehen wir nicht.
Wie wollen Sie den Druck auf die Gewobag weiter aufrechterhalten?
Wir richten unsere Öffentlichkeitsarbeit nun stärker an die Politik. Wir sind überzeugt: Ein Geschäftsmodell, das auf Profit und Spekulation ausgelegt ist, darf es bei landeseigenen Wohnungsunternehmen nicht geben. Wärmeversorgung ist Daseinsvorsorge und muss transparent und kostenecht sein. Wir fordern deshalb vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im nächsten Jahr ein Verbot von Wärme-Contracting bei landeseigenen Wohnungsunternehmen. Aktuell erleben wir parasitäre Wertschöpfung: Verträge werden faktisch mit sich selbst geschlossen, Transparenz fehlt völlig. Mieter:innen werden mit der enormen Komplexität der Heizkostenabrechnungen allein gelassen. Man müsste Volkswirt, Ingenieur, Jurist und Betriebswirt zugleich sein, um seine Rechte durchzusetzen. Da unsere Beschwerde bei der Senatsverwaltung Wohnen unbeantwortet blieb, prüfen wir nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde.
Welche konkreten Schritte unternehmen Sie?
Wir haben Pressemitteilungen verschickt, einen Forderungskatalog erstellt und Gespräche mit Politiker:innen geführt. Außerdem bereiten wir gerade über den Berliner Mieterverein eine individuelle Klage vor. Auch Gewerbemieter:innen wären klagebereit, finden aber kaum anwaltliche Vertretung. Der Aufwand ist immens, die Streitwerte – und damit die Honorare – sind im Vergleich dazu jedoch zu gering. Das schreckt viele Anwält:innen ab.
Hat sich zumindest die Transparenz der Abrechnungen seit dem „Schock-Jahr“ 2022 verbessert?
Formal ist die letzte Abrechnung übersichtlicher, die Berechnungen für die Wärmeversorgung bleiben aber nach wie vor für die Menschen nicht nachvollziehbar. Viele Mieter:innen waren auch erleichtert, dass nach den drastischen Erhöhungen der monatlichen Vorauszahlungen keine erneuten Nachforderungen kamen. Das sorgt immerhin für etwas Ruhe, doch die grundlegenden Probleme bleiben.
Aus der Politik kam der Vorschlag, die Häuser stattdessen an die Berliner Fernwärme anzuschließen. Wäre das eine Lösung?
Wärme-Contracting ist schlicht und einfach keine Fernwärme und kann deshalb nicht nach den Regelungen für die großen Wärmenetze abgerechnet werden – genau das muss beendet werden. Die Fernwärme ist umstritten. Und es ist davon auszugehen, dass ein möglicher Anschluss an das Fernwärmenetz noch Jahre dauert. Unser Vorschlag ist pragmatisch: Die bestehende Anlage übernehmen und sofort die Kosten senken. Wir haben der Gewobag und dem Senat vorgerechnet, dass dies für die Mieter:innen deutlich günstiger wäre. Die neue Landesregierung muss nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus aktiv werden und das Geschäftsmodell der Gewobag ED beenden.
Wie sieht Ihre Vision für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung im NKZ aus?
Bevor wir über die große Wärmewende reden, muss die jetzige „Schrottlösung“ weg. Es muss viel an den Häusern getan werden. Unsere Vision ist, die riesigen Dachflächen für Stromerzeugung zu nutzen. Wir haben uns dazu bereits mit anderen Mieter:inneninitiativen wie Bülow-Ost aus Schöneberg-Nord und den Mieter:innen im Chamissokiez vernetzt, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Franziska Schulte
16.12.2025




