Wie sicher ist ein Investment in den Berliner Immobilienmarkt? Für die meisten Mieter:innen, denen das Kapital fehlt, mag diese Frage nebensächlich sein. Doch der Blick auf die Einschätzungen von Banken und Ratingagenturen hilft, Mechanismen des Wohnungsmarktes besser zu verstehen. Wenig überraschend gilt: Des Mieters Leid ist des Vermieters Freud.
Ende September veröffentlichte die Schweizer Großbank UBS ihren jährlichen „Global Real Estate Bubble Index“. Der Bericht analysiert das Risiko einer Immobilienblase in 21 Städten – von São Paulo über Miami bis Frankfurt am Main. Die Einschätzungen beeinflussen die Attraktivität von Immobilieninvestments und geben Einblick in die Dynamiken der jeweiligen Wohnungsmärkte.
Was ist eine Immobilienblase?
Die UBS definiert eine Immobilienblase als „erhebliche und anhaltende Fehlbewertung von Vermögenswerten“. Konkret bedeutet das: Immobilienpreise entkoppeln sich von fundamentalen wirtschaftlichen Indikatoren wie Einkommen, Miethöhen und Neubauaktivitäten. Aus dem Verhältnis dieser Faktoren zu den Preisen für selbst genutztes Wohneigentum berechnet sich der „Bubble-Risk-Index“. Je größer die Spreizung der Immobilienpreise zu den Indexfaktoren, desto höher ist das Risiko einer Immobilienblase.
Preis zu Miete
Hohe Immobilienpreise bei vergleichsweise niedrigen Mieten erhöhen somit das Risiko einer Blase. In solchen Fällen amortisiert sich der Kauf einer Wohnung erst spät durch Mieteinnahmen. Hohe Tilgungskosten können den Kauf gegenüber dem Wohnen zur Miete teurer machen. Spitzenreiter im UBS-Ranking ist Zürich: Hier sind 43 Jahre an Mietzahlungen notwendig, um eine gleich große Wohnung zu kaufen. In Dubai, dem Schlusslicht der Liste, sind es nur 15 Jahre.
Preis zu Einkommen
Auch das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Einkommen ist ein Indikator. In Hongkong benötigt eine Fachkraft 14 Jahre ihres Einkommens, um eine 60 Quadratmeter große Wohnung zu erwerben – in Miami nur fünf Jahre. Hohe Zinsen verschärfen die Situation: Selbst bei moderaten Preis-Einkommens-Verhältnissen sinkt die Leistbarkeit, wenn Kredite teuer sind. Seit 2021 sind die für Fachkräfte erschwinglichen Eigentumswohnungen im Schnitt um 30 Prozent geschrumpft.
Was passiert, wenn die Blase platzt?
Als Platzen einer Immobilienblase bezeichnet man die plötzliche und drastische Abwertung der Preise. Investor:innen verlieren das Vertrauen in weiter steigende Preise und sind nicht mehr bereit, hohe Summen zu bezahlen. Laut UBS lässt sich eine Blase erst nach ihrem Platzen zweifelsfrei nachweisen. Historische Daten zeigen jedoch Muster, die auf überhitzte Märkte ohne solides Fundament hinweisen. Diese Muster nutzt die Bank, um das Risiko eines Preissturzes zu berechnen.
Was bringt eine Blase zum Platzen?
Investor:innen fürchten vor allem staatliche Eingriffe. Sinkende Leistbarkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit von Maßnahmen wie neuen Steuern, Kaufverboten oder Mietpreisregulierungen. Laut UBS-Autor Maciej Skoczek haben solche Eingriffe „die Attraktivität von einst beliebten Märkten wie Vancouver, Amsterdam oder London deutlich gedämpft“. Hier zeigt sich: Dem Profit der Wohnungseigentümer:innen fällt der Mieter:innenschutz zum Opfer.
Auch steigende Leitzinsen können eine Blase zum Platzen bringen. Höhere Kreditkosten machen Immobilienkäufe unattraktiv – sowohl für Einzelpersonen als auch für Wohnungsunternehmen. Die Geschäftsmodelle der massiven, schuldenfinanzierten Ankaufprogramme von Immobilienriesen wie Vonovia brechen zusammen.
Ein weiteres Risiko für Investor:innen stellt eine plötzliche Ausweitung des Wohnungsangebots dar, etwa durch ein staatliches Neubauprogramm. Was für Mieter:innen positiv ist, kann zu einer Abwertung der Immobilienpreise führen, da die gleiche Nachfrage nun auf ein größeres Angebot trifft.
Frankfurt: Risikoarme Anlage dank Wohnungskrise
Der UBS-Bericht beleuchtet Frankfurt am Main genauer: Nach einem mehrjährigen Abschwung haben sich die Immobilienpreise stabilisiert. Inflationsbereinigt liegen sie 20 Prozent unter dem Höchststand von 2022, aber immer noch 40 Prozent über dem Niveau von 2015. Während die Mieten mit der Inflation gestiegen sind, deuten sinkende Baugenehmigungen auf eine Verknappung des Wohnungsangebots. Für Investor:innen eine gute Nachricht: Die UBS stuft das Blasenrisiko von „hoch“ (2021) auf „moderat“ herab – aufgrund des „soliden Fundaments“ aus knappem Angebot und steigenden Mieten. Die Frankfurter:innen ächzen hingegen unter den hohen Mieten.
Berlin: Blase oder nicht?
Für Berlin liefert der Bericht keine Risikobewertung, doch verfügbare Daten geben Hinweise. Laut IBB-Wohnungsmarktbericht 2024 sind die Angebotskaufpreise seit ihrem Höchststand 2022 leicht gesunken, während die Angebotsmieten seit 2015 fast doppelt so hoch sind. Dieses Verhältnis von leicht gesunkenen Preisen und steigenden Mieten sichert die Renditen der Käufer:innen und mindert das Risiko einer plötzlichen Abwertung.
Auch die Nachfrage bleibt hoch. Während die Bevölkerung von 2014 bis 2023 um neun Prozent wuchs, konnten sinkende Genehmigungs- und Neubauzahlen das Angebot kaum erweitern. Das zeigt sich auch an der äußerst niedrigen Leerstandsquote von unter zwei Prozent am gesamten Wohnungsbestand. Selbst im Berliner Umland hat sich der Leerstand in den letzten 15 Jahren auf 1,8 Prozent mehr als halbiert, so der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Ein Ausweichen der Berliner:innen in den Speckgürtel und damit eine Entlastung der Hauptstadt ist damit unwahrscheinlich.
Wenn die Zentralbanken die Leitzinsen – wie von der UBS erwartet – in den kommenden Jahren senken, könnte dies die Nachfrage nach Immobilien erneut ankurbeln – und erneut zu Preissteigerungen sowohl der Kaufpreise als auch Mieten führen.
Obwohl die Entwicklung der Realeinkommen mit der von Kauf- und Mietpreisen nicht Schritt hält, ist von der schwarz-roten Regierung im Bund und im Berliner Senat kein starkes Eingreifen zu erwarten. Als zentrale Maßnahme auf Subjektförderung zu setzen – mittels Übernahme der Kosten der Unterkunft und Wohngeld – heizt das Problem noch an. So werden unsoziale Vermietungspraktiken staatlich subventioniert und ein breiter Niedriglohnsektor ermöglicht. Nachhaltig kann nur auf der Angebotsseite für Abhilfe gesorgt werden – durch Regulierung und Neubau.
Fatale Folgen für die Gesellschaft
Was für Investor:innen rosig aussieht, bedeutet für die Mehrheit der Gesellschaft das Gegenteil: eine verschärfte Wohnungskrise und wachsende Wohnarmut. Wirtschaftsliberalen Politiker:innen sei ins Gedächtnis gerufen, dass dies auch weniger Wirtschaftswachstum nach sich zieht: Steigende Mieten reduzieren die Kaufkraft und lassen den Konsum schrumpfen, da immer mehr vom Einkommen für die Wohnkosten ausgegeben werden muss. Die Mehreinnahmen der Investor:innen fließen größtenteils nicht in den Konsum, sondern in weitere Kapitalanlagen – Immobilien, Staatsanleihen, Private Equity oder andere Assets. Das treibt die Preise weiter in die Höhe und fördert neue Blasen. Wie gefährlich ein aufgeblähter Komplex aus Immobilienkrediten, Derivaten und unregulierten Finanzprodukten sein kann, zeigte die Finanzkrise von 2008. Damals retteten westliche Staaten Banken mit Milliardenbeträgen, während die Hauptverantwortlichen weitgehend unbehelligt blieben. Viele Menschen in den USA verloren ihr Zuhause. Diese Mittel wären besser in ein umfassendes staatliches Neubauprogramm investiert gewesen. Diese Erfahrung und die aktuelle Wohnungskrise bekräftigen unsere Überzeugung, dass der Staat mehr Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau, den Bestandsumbau und die Umnutzung sowie für die energetische und altersgerechte Modernisierung übernehmen muss – vor allem durch Förderprogramme für gemeinwohlorientierte Träger und eine gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft. Eine starke Objektförderung schafft nachhaltige Werte und einen sicheren Wohnungsbestand. Das kommt auch den nachfolgenden Generationen zugute.
Regulieren statt Reagieren
Der „Global Real Estate Bubble Index“ zeigt klar: Der Markt löst die Wohnungskrise nicht. Dass die Verschlechterung der Lebensumstände vieler Menschen für Investor:innen ein Gewinn ist, spricht der Bericht offen aus. Märkte gelten als unattraktiv, wenn Regulierungen greifen. Neubau erfolgt nur, wenn anschließend hohe Mieten verlangt werden können. Ein demokratischer Staat darf sich nicht an den Interessen von Spekulant:innen orientieren. Stattdessen muss er Mieter:innen schützen und verhindern, dass beim nächsten Platzen einer Immobilienblase erneut die Steuerzahler:innen aushelfen müssen.
ml
17.10.2025




