Bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften wohnt man gut? Das war einmal. Missstände wie monatelange Fahrstuhlausfälle in Hochhäusern, ständige Rohrbrüche und nicht funktionierende Heizungen im Winter häufen sich. Viele Mieter:innen berichten, dass sie auf Reparaturen ewig warten müssen und auf Schreiben nicht einmal eine Antwort bekommen. Was läuft da schief? Warum werden die Instandhaltungspflichten so eklatant verletzt? Und vor allem: Was muss getan werden, damit diese Wohnungsunternehmen wieder ihre Funktion einer sozialen Wohnraumversorgung erfüllen?

Foto: Christian Muhrbeck
Hausbesuch in der Franz-Künstler-Straße 2 in Kreuzberg. Eine Mieterin, die ungenannt bleiben will, zeigt zunächst die riesigen Löcher in der Decke im Erdgeschoss des Hochhauses. Dann führt sie zum chaotischen Müllplatz, wo Ratten zwischen den Müllbergen umherflitzen. Weiter geht es in den völlig verwahrlosten Keller. Hier liegt überall Rattenkot auf dem Boden. In einem Raum steht die Wasserdruckanlage. Sie ist in einem erbärmlichen Zustand, einige Teile sind völlig verrostet. Auf einem Aufkleber steht das Datum der letzten Wartung: 2020. „So wohnt man bei der Gewobag“, meint die Mieterin sarkastisch. Bei der Vorbesitzerin Deutsche Wohnen – auch nicht bekannt für eine sachgerechte Pflege ihres Wohnungsbestands – habe es dagegen ein Müllmanagement gegeben und einen Hausmeister, der aufgeräumt hat. 2021 ist das Haus im Rahmen der Kommunalisierung an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag verkauft worden. „Seitdem geht’s bergab“, sagt auch eine andere Bewohnerin: „Die nehmen einfach unsere Miete und lassen alles verkommen!“ Auf schriftliche Mängelmeldungen gebe es meist keine Antwort oder es heißt: „Wir arbeiten daran“.

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Seit Mitte Mai 2025 sind die Zustände vollends unerträglich geworden. In den meisten Wohnungen kommt – je nach Stockwerk und Stranglage – nur ein dünner Strahl aus dem Wasserhahn. Grund ist die defekte Wasserdruckanlage. Eine Mieterin aus einem oberen Stockwerk berichtet, dass sie vier Wochen lang überhaupt kein Wasser hatte und sich Wasser in Eimer gefüllt hat, um duschen zu können. Erst als sich die Wohnungsaufsicht eingeschaltet hat, sei ein Notanschluss gelegt wurden. Auch vier Monate später können die meisten keine Waschmaschinen oder Geschirrspüler betreiben. Zum Duschen ist der Druck ebenfalls zu niedrig. Einige gehen zum Duschen ins Sportstudio. Eine Familie erzählt, dass sie auf die Einfüllöffnung der Waschmaschine einen 10-Liter-Wasserkanister setzt. Die Töchter waschen sich die Haare mit Wasser aus einem Camping-Wasserbehälter. Besonders schlimm ist die Situation für Henry B. Er sitzt im Rollstuhl. Seit Monaten kauft er Wasser in Flaschen, um sich Kaffee kochen oder die Zähne putzen zu können. „Wir fühlen uns total im Stich gelassen“, sagt er. Er will nun auf Mängelbeseitigung klagen.
Erste Maßnahme: Die Hauswarte kehren zurück
Die Stellungnahme der Gewobag zu diesen Zuständen klingt wie Hohn in den Ohren der Mieter:innen. „Instandhaltung und Pflege unseres Bestandes haben für die Gewobag höchste Priorität“, betont Sprecher Sebastian Schmidt. Man habe die Anlage kurz nach Auftreten der Probleme repariert, was aber nur kurzfristig zu einer Besserung geführt habe.

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Untersuchungen hätten ergeben, dass sie erneuert werden muss. Das sei für Ende September geplant. Er bestreitet, dass erst die Bauaufsicht zum Handeln auffordern musste, damit etwas passiert sei. Generell würden auch Probleme bei der Materialbeschaffung die Schadensbeseitigung in vielen Fällen verzögern. Man habe bereits Maßnahmen eingeleitet, um Abhilfe zu schaffen. Dazu gehöre der zum 1. Juli 2025 eingeführte eigene Hauswart-Service namens „Hauswart Plus“. Seitdem haben die ersten Quartiere wieder eigene, bei der Gewobag angestellte Hauswarte. Bis Juli 2026 soll der gesamte Bestand von rund 75.000 Wohnungen folgen.
Für das Reparaturmanagement ist bislang die externe Firma Fletwerk zuständig. Wohl alle Gewobag-Mieter:innen kennen das Zuständigkeitswirrwarr: Man ruft bei einem Callcenter an, bekommt eine Ticketnummer, dann wird der Fall an einen zweiten Dienstleister weitergeleitet – und beim nächsten Anruf heißt es nur ‚Das Ticket ist noch offen‘, sprich: Es ist nichts passiert. „Das Fallmanagement ist desaströs“, sagt ein Mieter aus dem sogenannten Südblock am Kottbusser Tor (Admiralstraße 1-2/Skalitzer Straße 6). Die unterschiedlichen Dienstleister hätten offenbar andere Fallnummern als die externen Firmen. Als in seinem Haus unlängst die Lichtanlage in den Fluren defekt war, sei sechs Wochen lang nichts passiert. „Wir mussten im Dunkeln oder mit der Taschenlampe in die Wohnung tappen.“ Dann rief ihn eine Firma an, um zu fragen, wann sie in seine Wohnung könnten – sie war offenbar falsch informiert worden.

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Eine Katastrophe sei der dringend erforderliche Austausch der Fahrstühle gewesen: „Wir hatten zweieinhalb Monate keinen Aufzug. Hier wohnen viele ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen, die waren verzweifelt.“ Ein Liefer- und Treppenservice sei, anders als bei den häufigen Ausfällen in den Vorjahren, nicht angeboten worden. Ein anderes leidiges Problem in dem Hochhaus: Das Wasser kommt beim Duschen mal kochendheiß, mal eiskalt aus der Leitung – vermutlich Ergebnis schlechten Betreibens der Warmwasserversorgung. Dadurch ist vor zwei Jahren ein Rohr geplatzt und das Wasser lief stundenlang über mehrere Stockwerke die Wände hinunter. Die Folge: massive Feuchtigkeitsschäden in mehreren Wohnungen. Entfeuchter, so sagt ein Mieter, seien von der Gewobag erst nach mehrmaligem Nachfragen und nicht allen Betroffenen zur Verfügung gestellt worden. In den anderen Häusern rund ums Kottbusser Tor, die zwischen 2017 und 2020 an Gewobag sowie Howoge rekommunalisiert wurden, sieht es nicht viel besser aus. Wasserschäden, Asbest und Schimmel werden nicht oder nur sehr schleppend behoben. Die Mieterinitiative Kotti & Co, die jahrelang für die Rekommunalisierung gekämpft hat, fordert daher einen Sonderfonds, um die Instandhaltungsrückstände der letzten Jahrzehnte zu beseitigen.
Keine Ansprechperson beim Vermieter
Auch rund um den Mehringplatz gibt es mehrere durch Rekommunalisierung in den Besitz der Gewobag gelangte Hochhäuser, in denen es massive Probleme gibt. Wer sich mit Marina M. aus der Friedrichstraße 4 verabreden will, muss erst abklären, ob der Aufzug gerade funktioniert. Die Rentnerin ist nicht mehr gut zu Fuß. Wenn wie kürzlich beide Aufzüge ausfallen, kann sie das Haus nicht mehr verlassen. Marina M. erzählt, dass sich immer wieder Obdachlose und Drogenabhängige in den Treppenhäusern aufhalten, seit der Sicherheitsdienst eingestellt wurde. Und wenn der Türöffner wieder mal nicht funktioniert, kommen die Pflegedienste nicht ins Haus. „Die Kommunikation mit der Gewobag ist ganz schlecht“, sagt sie. Hauptproblem: Es gibt keinen direkten Ansprechpartner mehr.

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Der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser, der Ende August wegen des defekten Aufzugs vor Ort war, hält das Outsourcing und die „rücksichtslose Sparpolitik bei der Bewirtschaftung und Instandhaltung“ für den Hauptgrund. Wäre der politische Wille da – so seine Ansicht – könnten diese Missstände durch die politisch Verantwortlichen recht einfach abgestellt werden: „Was es braucht, ist eine klare Anweisung der Eigentümerin Berlin, dass das Facility Management wieder eingegliedert wird und Vor-Ort-Service-Stellen mit ausreichend Personal und Kompetenz eingerichtet werden.“ Der Senat habe die landeseigenen Wohnungsunternehmen viel zu lange an der langen Leine laufen lassen.
Jan Kuhnert, Mitinitiator des Berliner Mietenvolksentscheids und von 2016 bis 2021 Vorstandsmitglied der Wohnraumversorgung Berlin – Anstalt öffentlichen Rechts (WVB) erklärt, dass die Gewobag noch dabei sei, die großen Pakete, die sie gekauft hat, zu verdauen: „Die nachholende Herrichtung dieser Bestände geht vom laufenden Instandhaltungsbudget ab, und das ist über die Mieten nicht zu finanzieren.“ Es sei zudem kein Geheimnis, dass die Gewobag finanziell schlecht dasteht, auch weil sie für den Neubau kein zusätzliches Eigenkapital bekommt. Ganz ähnlich sieht es Ulrike Hamann-Onnertz von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins. Gerade die 15.000 Wohnungen, die während des Wahlkampfes 2021 der Vonovia abgekauft wurden, würden viele Probleme aus jahrelanger Vernachlässigung aufweisen: „Aus unserer Sicht braucht es bei so großen Ankäufen wie auch bei den ehrgeizigen Neubauplänen des Senats Eigenkapitalzuschüsse. Allein aus den Mieten können die Unternehmen das nicht stemmen.“
Ohne zusätzliche Mittel geht es nicht
Aber müssen sich Mieter:innen deswegen damit abspeisen lassen, es sei kein Geld für die Mängelbeseitigung da? So war es bei einem Mieter aus der Neuen Christstraße 7 in Charlottenburg. Wegen der maroden Fenster, einem durchgefeuchteten Fußboden im Wohnzimmer, einer eingeschränkten Kaltwasserzufuhr und zahlreicher weiterer Mängel in dem Altbau am Klausenerplatz hatte er die Miete gemindert – was zunächst auch bereitwillig akzeptiert wurde. Die Mängel könnten aufgrund des hohen Investitionsbedarfs derzeit nicht abgestellt werden, teilte die Gewobag dem Mieter in einem Schreiben ganz offen mit. Die mangelnde Kaltwasserversorgung könne nur durch eine Strangsanierung beseitigt werden. Doch dann gab es Streit um die Höhe der Mietminderung, und die Gewobag verklagte den Mieter. Das Gericht entschied, dass die Minderung berechtigt war (AG Charlottenburg vom 11. September 2017 – 237 C 14/17) ). Angesichts der zahlreichen gravierenden Mängel sei eine Minderung von mindestens 50 Prozent der Gesamtmiete angemessen. Die Fenster wurden inzwischen erneuert, berichtet der Mieter, doch die dringend notwendige Strangsanierung steht nach wie vor aus. Seit fast einem Jahr schreibt er sich zudem die Finger wund wegen der defekten Klingelanlage. Versprochen war die Reparatur bis Ende August 2025. Jetzt wird Ende September angekündigt. Es gebe viele Gewobag-Häuser am Klausenerplatz in diesem Zustand, sagt der Mieter: „Es ist einfach traurig, wie die Substanz heruntergewirtschaftet wird.“

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Die Gewobag ist nur die Spitze des Eisbergs, wie es Jan Kuhnert formuliert. Auch bei anderen städtischen Wohnungsbaugesellschaften läuft es nicht rund. So hat der LiMa-Wohnhof in der Markgrafenstraße 5-8/Ecke Lindenstraße 81-84 schon bessere Zeiten gesehen. Hier führt Gabriella Sarges durch die Wohnanlage, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984 bis 1986 (IBA) entstanden ist. 2018 gingen die 48 rund um einen gestalteten Hof gruppierten Wohnungen von der Selbstbaugenossenschaft an die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Die Anlage wirkt ungepflegt. Fassade und Balkone hätten dringend einen Anstrich nötig, die Fenster sind marode, und in den Wohnungen gibt es Wasserschäden. Dabei, so Sarges, sei das hier ein Kleinod, ein Musterbeispiel für selbstverwaltetes Wohnen im Geiste der IBA. Was sie am meisten ärgert: Die WBM verwalte die besondere Wohnanlage nach Schema F.: Mitsprache, gar Mitgestaltung der Bewohner:innen, sei nicht erwünscht, sagt Sarges, die seit 23 Jahren hier wohnt und inzwischen eine Nachbarschaftsinitiative gegründet hat.

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Auch bei der Howoge gibt es offenbar die meisten Probleme in den rekommunalisierten Beständen. Zum Beispiel in der Gitschiner Straße 38 in Kreuzberg. Mieterin Karin Wehn konnte fünf Monate lang ihre Wohnung nicht verlassen, weil der einzige Aufzug, in den sie mit ihrem Rollstuhl passt, defekt war. „Wenn ich bei der Howoge angerufen habe, hatte ich den Eindruck, das Problem wurde gar nicht verstanden oder es war nicht so wichtig“, sagt sie. Das Hochhaus mit den 144 Wohnungen war 2022 von der Howoge übernommen worden. Schon von außen sieht es verwahrlost aus, die Fassade mit den alten Asbestplatten ist verwittert und über und über mit Graffiti beschmiert. Das habe auch mit der maroden Klingelanlage zu tun, berichten Karin Wehn und ihr Nachbar Wulf Niepold: „Fünf Jahre lang haben wir mit offener Haustür gelebt, man konnte sie ganz einfach aufhebeln.“ Obdachlose und Junkies übernachteten im Haus, Jugendbanden leerten die Feuerlöscher und warfen sie aus den oberen Etagen. „Wir haben immer wieder eine robustere Ausstattung der Tür gefordert, aber es hat ewig gedauert, bis etwas passiert ist“, sagt Wulf Niepold. Dazu kommen andere Mängel wie Rattenbefall. Immer wieder fällt zudem das Warmwasser aus. Offenbar sind die Stränge undicht, doch statt einer umfassenden Strangsanierung werden die Rohre stockwerkweise ausgetauscht – klassische Flickschusterei. „Die Hoffnungen, die damit verbunden waren, endlich wieder in kommunaler Hand zu sein, wurden bitter enttäuscht“, sagt Niepold. Er organisiert seit vielen Jahren monatliche Mieterversammlungen im Haus, um sich über die Probleme auszutauschen. Vorbesitzerin Vonovia habe immer zwei Vertreter geschickt, bei der Howoge gebe es keinerlei Interesse an einem Dialog, sagt er.

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Die Howoge weist sämtliche Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Man habe das Haus erst 2022 von der Deutsche Wohnen übernommen, in einem Zustand, der „nicht unserem Standard entspricht.“ 2026/2027 soll das gesamte Quartier mit über 550 Wohnungen umfassend saniert werden.
Die Vorbesitzer haben Altlasten hinterlassen
Die Mieter:innen hoffen, dass die anstehende Sanierung besser abläuft als in der Wilhelmstraße 2-6. Dort hatte die Howoge eineinhalb Jahre lang eine Strangsanierung durchgeführt, die Aufzüge erneuert und den Eingangsbereich in Ordnung gebracht. Das war auch dringend notwendig, der private Voreigentümer hatte die Häuser am Mehringplatz arg vernachlässigt. Doch die Art und Weise, wie hier mit den Mieter:innen umgegangen wurde, und die enormen Beeinträchtigungen seien schlimm gewesen, berichtet ein Mieter. Er hatte in der Mieterinitiative Mehringplatz West dafür gekämpft, dass die Wohnanlage in gemeinnützige Hände kommt. Er berichtet von Dusch- und Klo-Containern auf dem Hof.
Umsetzwohnungen für die Kernbauzeit in den Wohnungen seien nur für gesundheitlich Beeinträchtigte zur Verfügung gestellt worden. „Eineinhalb Jahre haben wir in Dreck und Lärm gelebt, der Hausflur wurde zwölf Wochen nicht gereinigt, so dass der Staub in alle Wohnungen getragen wurde.“ Auch die Kommunikation sei unterirdisch gewesen. Von 20 E-Mails seien zwei beantwortet worden. Auch dieser Darstellung widerspricht die Howoge. Alle 190 Haushalte seien individuell begleitet worden. Besonders ältere und gesundheitlich eingeschränkte Mieterinnen und Mieter seien in Hotels untergebracht gewesen, so die Sprecherin. Eine Sanierung dieser Größenordnung bedeute zwangsläufig Staub, Lärm und Einschränkungen.
Kleine Hoffnungsschimmer
Und was sagt der Senat zur systematischen Verwahrlosung landeseigener Bestände? Hier sieht man erstaunlicherweise kein Problem (siehe Infobox auf Seite 16). Einzelne Politiker:innen, an die die Missstände herangetragen werden, versuchen, auf die Wohnungsunternehmen einzuwirken. Sven Mayer von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus führt seit über drei Jahren mit der Gewobag Gespräche über die schlimmen Zustände in der Rollbergesiedlung in Reinickendorf. „Dort sieht es aus wie in den 60er Jahren, es wurde praktisch nichts investiert.“ Am Anfang sei die Gewobag sehr abweisend gewesen. Mittlerweile, nach einem Wechsel der Geschäftsführung, habe ein Umdenken eingesetzt, sagt Mayer: „Dass jetzt wieder Vor-Ort-Büros eröffnet und eigene Hausmeister eingestellt werden, haben wir seit Jahren gefordert.“

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Am Thälmannpark im Prenzlauer Berg ist man gespannt, ob die Verbesserungen ankommen. Seit Juli 2025 gibt es wieder einen bei der Gewobag beschäftigten Hausmeister, der auch kleine Reparaturen erledigen kann. Ebenfalls ganz neu ist eine Mieter-Sprechstunde einmal die Woche im Vor-Ort-Büro. „Viele möchten ihre Wohnungsprobleme persönlich vortragen, nicht jeder ist im Internet unterwegs“, sagt Axel Sziallies, der vor 40 Jahren als einer der ersten in die Siedlung gezogen ist. In den Hochhäusern gibt es immer wieder Probleme mit Heizung und Warmwasser. Nur noch die allernötigsten Instandhaltungen würden durchgeführt, sagt der Mieterbeirat. So seien nötige Strangsanierungen abgesagt und gehäufte Rohrbrüche in Kauf genommen worden. Die Fahrstühle fallen regelmäßig aus, weil die Fahrkabinen nicht erneuert wurden, sondern lediglich die Zugkabel. „Von dringend nötigen Schönheitsreparaturen wie neuen Böden in den Etagenfluren oder einer Sanierung der Eingangsbereiche können wir nur träumen“, so der Mieterbeirat.
Birgit Leiß
Der Senat sieht keine Probleme
„An wen können wir uns wenden?“, wollen die verzweifelten Mieter:innen aus der Franz-Künstler-Straße 2 wissen. Eine berechtigte Frage, schließlich handelt es sich nicht um ein x-beliebiges Haus eines privaten Eigentümers, sondern um kommunalen Bestand. Bei der Ombudsstelle für die Mieter:innen landeseigener Wohnungsbaugesellschaften landen zwar häufig Beschwerden über mangelhafte Instandhaltung, doch dafür ist sie nicht zuständig. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist zwar zuständig, sieht jedoch keinerlei Probleme. Die Instandhaltungskosten für die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) hätten 2024 insgesamt 535,1 Millionen betragen (Vorjahr: 503,8 Millionen Euro) und seien damit auf einem hohen Niveau leicht gestiegen, lässt Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) über seinen Sprecher mitteilen. Durchschnittlich würden von den Gesellschaften für die Instandhaltung 22,46 Euro je Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche aufgewendet (im Vorjahr 21,05 Euro). Das sei mehr als bei den privatwirtschaftlichen Unternehmen, so der Sprecher: „Eine Einsparung bei den Instandsetzungsaufwendungen kann somit nicht bestätigt werden.“ Auf Fragen zu konkreten Missständen wird mit keinem Wort eingegangen.

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Bei Katrin Schmidberger, wohn- und mietenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus landen durchaus etliche Beschwerden. Dass Mieter:innen in zurückgekauften Siedlungen unter den teils katastrophalen Zuständen in ihren Häusern leiden, sei skandalös, so die Grüne. Die landeseigenen Unternehmen dürften nicht zu „zweiten Vonovias“ werden: „Solange die Vorstände Boni für Gewinne kassieren, anstatt für gute Instandhaltung zu verwenden, bleiben Mieter:innen auf der Strecke“, sagt Schmidberger. Zudem könne es nicht angehen, dass Wohnungen verkommen, während Unternehmensgewinne für den Neubau abgezweigt werden. Der Senat müsse für den Neubau ausreichend Geld zur Verfügung stellen.
Dass die Wohnraumversorgung Berlin (WVB) abgeschafft wurde, hält Schmidberger für einen großen Fehler. Zwar gehörte die Kontrolle der LWU nicht zu ihren Aufgaben, aber de facto übte sie schon durch die regelmäßig veröffentlichten Berichte eine wichtige Beobachtungsfunktion aus.
Die LWU stecken in gleich drei Dilemmata, sagt Ulrike Hamann-Onnertz von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins: Sie müssen die staatliche Wohnraumversorgung gewährleisten, sie müssen aber als Kapitalgesellschaften auch gewinnorientiert arbeiten. Gleichzeitig müssen sie Bestände ankaufen, aus denen jahrzehntelang durch Vonovia & Co nur Geld geschöpft wurde, statt sie instandzuhalten. Und sie sollen die politischen Neubaupläne der Regierenden erfüllen. „Aus unserer Sicht werden sie dabei von der Politik im Stich gelassen – ausbaden müssen es die Mieter:innen.“ Eine Überführung aller städtischen Wohnungsbaugesellschaften in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) würde die Gemeinwohlorientierung in den Vordergrund rücken und mehr Mitbestimmung durch die Mietenden zulassen. So sieht es auch Katrin Schmidberger. „Die Zersplitterung der LWU schwächt Berlin. Sie konkurrieren um die gleichen Aufträge, statt ihre Marktmacht zu bündeln.“
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Ein Bündnis im Kampf gegen traurige Zustände
Im März 2024 hat sich das Bündnis „LWU-Vernetzung“ gegründet. Hier haben sich neben Mieter:innen und stadtpolitisch Aktiven vor allem Mieterräte und Mieterbeiräte sowie Ehemalige aus diesen Gremien zusammengeschlossen. Die Initialzündung, so erzählt Matthias Clausen, war eine Kiezversammlung im Veranstaltungsraum SO 36: „Wir haben uns ausgetauscht und festgestellt, dass es unternehmensübergreifend unglaublich viele Mängel gibt, von nicht funktionierenden Aufzügen über kaputte Haustüren bis hin zu notorisch überlasteten Callcentern.“ Das Bündnis spricht auf seiner Website von „traurigen Zuständen“ in den landeseigenen Wohnungsbeständen, die man nicht länger hinnehmen will: „Unsere Wohnungen verfallen, das Wohnumfeld wird vernachlässigt, einige Unternehmen sind finanziell angeschlagen, Mitbestimmung und Transparenz leiden.“ Stattdessen stiegen die Mieten, und niemand wache über die soziale Ausrichtung der Wohnungsunternehmen, die den Bürger:innen dieser Stadt gehört. Der Mehrwert für die Mietenden in den kommunalisierten Beständen sei unter diesen Umständen leider minimal, sagt Clausen.

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Zu den Forderungen gehört eine kontinuierliche Instandhaltung des Bestands. Reparaturen sollten frühzeitig erfolgen, damit Folgeschäden gar nicht erst entstehen. Weitere Forderungen sind Vor-Ort-Büros mit wöchentlichen Sprechzeiten in jeder Siedlung sowie eine Mitsprache der Mieter:innen bei der jährlichen Investitionsplanung. Ein Grund für die Misere sei, dass der Neubau über Mieterhöhungen finanziert werde, sagt Matthias Clausen: „Dafür muss es öffentliche Mittel geben, es kann doch nicht sein, dass wir mit unseren Mieten für den Neubau zahlen und dann nicht genug für die Instandhaltung übrig bleibt.“
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01.10.2025




