Da kauft eine Gruppe linker Journalist:innen ein Haus, kassiert als „Selbsthilfeprojekt“ rund 1,7 Millionen Euro an Fördergeldern und schert sich dann Jahrzehnte nicht um Auflagen wie Belegung und Miethöhe. Nun fordert das Land Berlin die Fördergelder zurück.

Foto: Christoph Villinger
Scheinanmeldungen, Vermietung unter der Hand und oberhalb der zulässigen Fördermiete – die Vorwürfe gegen die Eigentümer-GbR der Kreuzberger Oranienstraße 169 wiegen schwer. Ein strafrechtliches Vorgehen wegen möglichen Betrugs wurde zwar wegen Verjährung eingestellt, denn die Sozialbindung war 2017 ausgelaufen. Doch nun hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht auf Rückzahlung der Fördermittel von 1,7 Millionen Euro plus 6 Prozent Zinsen ab 1998.
Zur Vorgeschichte: Das Mietshaus in Kreuzberg war 1991 von mehreren Journalist:innen erworben worden, darunter eine Schreiberin, die zuerst bei der „taz“ und später als Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“ den Ausverkauf der Stadt an Spekulanten kritisierte. Mitte der 1990er sanierten sie das Haus mit Mitteln aus dem Selbsthilfeprogramm des Senats. Die Auflagen: Ein Teil der insgesamt 22 Wohnungen werden von den Gesellschaftern genutzt, freiwerdende Wohnungen müssen dem Bezirksamt gemeldet und an WBS-Berechtigte zu gedeckelten Mieten vermietet werden. Dass einige der angeblichen „Selbsthelfer“ nie dort eingezogen sind, sondern gewinnbringend an Dritte vermietet haben, kam erst ans Licht, als das Haus 2022 verkauft werden sollte – und zwar nicht etwa an einen gemeinnützigen, sondern an den meistbietenden Aufkäufer. Nachdem die Medien über den Skandal berichtet hatten, ging die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Verstößen nach. Berichten zufolge sollen dabei auch Personen angeschrieben worden sein, die im Haus gemeldet oder deren Namen auf dem Klingelschild stand, obwohl sie offenkundig nie dort wohnten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will das unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht kommentieren.
Doch wie konnte es überhaupt passieren, dass über Jahrzehnte gegen die Förderauflagen verstoßen wurde, ohne dass es Bezirk oder Senat aufgefallen ist? „Die fördervertraglichen Überprüfungen liegen in der Zuständigkeit der Bezirksämter“, heißt es beim Senat. Florian Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, schiebt den schwarzen Peter an den Senat als Fördergeber zurück: „Uns liegt nicht einmal der Fördervertrag vor.“
Und was ist mit dem Erwerb des in die Schlagzeilen geratenen Hauses durch die Genossenschaft „WirWerk“ geworden, den Schmidt Anfang 2023 freudig verkündet hatte? Dazu will sich der Stadtrat nicht äußern. Einige im Haus hatten von Anfang an nicht an dieses Happy End geglaubt. „Das waren Luftschlösser, weil Schmidt seinen Kopf retten wollte“, meint ein Mieter.
Birgit Leiß
26.08.2025




