Weil der Neubau eines Büro- und Geschäftshauses profitabler ist, soll ein Mietshaus aus den 1960er Jahren abgerissen werden. Das Bezirksamt hat den Abriss bereits durchgewunken. Inzwischen haben die letzten verbliebenen Mietparteien eine Verwertungskündigung erhalten – für die alten, zum Teil schwer kranken Menschen eine ungeheure Belastung.
Die Kündigung wegen mangelnder wirtschaftlicher Verwertung kam nicht überraschend. Bereits im März 2021 hatte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf für die Schlüterstraße 44 ein sogenanntes Negativattest erteilt. Es handele sich im rechtlichen Sinn nicht um schützenswerten Wohnraum. Daher muss auch kein Ersatzwohnraum geschaffen werden. Das MieterMagazin hat über den Fall berichtet (Ausgabe 12/21: „Skandalöses Attest“).
Vom gleichen Gutachter, der seinerzeit eine entsprechende Rentabilitätsberechnung vorgelegt hatte, stammt nun auch das Gutachten, auf das sich die Kündigung stützt. Demnach sei es nicht rentabel, das mit öffentlichen Mitteln gebaute Wohnhaus zu sanieren. Sebastian Bartels von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins hält das Gutachten für mangelhaft. Schon beim ersten Durchsehen hat er eklatante Fehler entdeckt.
Prof. Manfred Puche, der die beiden Gutachten erstellt hat, taucht immer wieder als Sachverständiger bei geplanten Abrissen auf. Bartels sieht kaum Chancen, dass diese Kündigung vor Gericht durchgeht. Doch warum macht das Bezirksamt hier so einfach den Weg frei für die Vernichtung preiswerten Wohnraums? Wurde das Gutachten gründlich geprüft? Das Haus ist in keinem schlechten Zustand und wurde vor einigen Jahren teilsaniert. Man habe den Sachverhalt eingehend geprüft, sagt der für Zweckentfremdung zuständige Bezirksstadtrat Arne Herz (CDU). Entscheidend sei die Renditeberechnung, das habe nichts mit dem tatsächlichen Zustand des Hauses zu tun. „Unser Rechtsamt hat die korrekte Anwendung der Vorschriften bestätigt, das Negativattest musste erteilt werden“, erklärt Herz.
Der Eigentümer der Schlüterstraße 44, der milliardenschwere ehemalige Rennfahrer Thomas Bscher reagierte nicht auf eine Bitte des MieterMagazins um Stellungnahme.
Birgit Leiß
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26.05.2022