Wenn 2027 der europäische Emissionshandel für die Bereiche Straßenverkehr und Gebäude beginnt, könnte der Preis für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO₂) sprunghaft ansteigen. Vor einem „unkalkulierbaren Kostenrisiko“ für Bewohner:innen von Gebäuden in schlechten Energieeffizienzklassen warnt der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) unter Bezugnahme auf eine von ihm beauftragte Studie.

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Der europäische Emissionshandel (Emissions Trading Scheme, ETS) ist laut Umweltbundesamt das „zentrale Klimaschutzinstrument der EU“. Er gibt feste Obergrenzen für Treibhausgasemissionen vor, die schrittweise abgesenkt werden. Die Zertifikate, die zum Ausstoß von Treibhausgas berechtigen, werden danach frei gehandelt. Wegen des sinkenden Angebots werden diese immer teurer. Während Industrieanlagen hinsichtlich Fernwärme und Strom bereits einem ähnlichen Mechanismus unterliegen (EU-ETS 1), wird dieses System ab 2027 auch für die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr (EU-ETS 2) eingeführt und betrifft dann auch die Energieträger Heizöl und Gas. Bei sehr hohen Energiepreisen ist eine Verschiebung auf 2028 möglich.
Seit 2021 gibt es in Deutschland für die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr bereits eine CO₂-Bepreisung auf nationaler Ebene mit jährlich steigenden Festpreisen. 2024 gilt ein Preis von 45 Euro pro Tonne. Dieser steigt 2025 auf 55 Euro pro Tonne. 2026 wird auf nationaler Ebene erstmals gehandelt, aber mit einem festgelegten Preiskorridor von 55 bis 65 Euro pro Tonne.
Dieser nationale Handel soll dann 2027 in den EU-ETS 2 überführt werden. Die EU peilt für den freien Handel ab 2027 einen Preis von 45 Euro pro Tonne an, er wird aber aller Voraussicht nach weit verfehlt, da die Reduktion der Emissionen zu langsam vonstatten geht und die Nachfrage nach Emissionszertifikaten das Angebot übersteigen wird.

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Zur Umsetzung ihrer Klimaziele hält die Bundesregierung eine Sanierungsquote von 2 Prozent jährlich in Wohngebäuden für erforderlich. Laut BuVEG wird die Sanierungsquote 2024 allerdings wie schon 2023 nur bei rund 0,7 Prozent liegen. Noch größer ist die Zielverfehlung im Verkehrsbereich, was ebenfalls zur Steigerung des CO₂-Preises beiträgt, da die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr um dieselben begrenzten Zertifikate konkurrieren. Verschiedene Studien gehen derzeit von einem Preis von 200 Euro und mehr pro Tonne CO₂ bereits 2027 aus.
Der energetische Zustand entscheidet über die Mietkosten
Für die Heizkosten bedeutet eine Erhöhung des CO₂-Preises um 10 Euro pro Tonne einen Anstieg des Preises für Erdgas um 0,2 Cent/kWh beziehungsweise um 2,7 Cent pro Liter Heizöl – jeweils plus Mehrwertsteuer. Nach Berechnungen der vom BuVEG beauftragten Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz entstünden bei einem CO₂-Preis von 200 Euro pro Tonne für eine 70-Quadratmeter-Wohnung CO₂-Kosten von 120 bis über 1300 Euro pro Jahr abhängig vom energetischen Zustand des Hauses.

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Von diesem Zustand hängt seit 2023 auch die Aufteilung der CO₂-Kosten zwischen Mietenden und Vermietenden ab. Je nach jährlichem Verbrauch pro Quadratmeter verschiebt sich die Aufteilung in zehn Stufen. Bei sehr schlechter Energiebilanz (CO₂-Ausstoß über 52 kg/m²) müssen Vermietende 90 Prozent der CO₂-Kosten übernehmen. Beträgt der Ausstoß nur bis zu 12 kg/m², verbleiben die (geringen) Kosten vollständig bei Mietenden. Der CO₂-Preis ist für Mietende in den mittleren Stufen am höchsten. Im oben genannten Beispiel des Forschungsinstituts für Wärmeschutz lägen die jährlichen Kosten für Mietende um die 300 Euro – zusätzlich zu den verbrauchsabhängigen Heizkosten.
Ausnahme Denkmal- und Milieuschutz
Für die Aufteilung der CO₂-Kosten zwischen Vermietenden und Mietenden gibt es allerdings einige Ausnahmen. Wenn rechtliche Vorgaben wie Denkmal- oder Milieuschutz, die energetische Sanierung oder eine wesentliche Verbesserung der Heizung verhindern, wird der Anteil der Vermieter beziehungsweise Vermieterinnen pauschal um 50 Prozent gekürzt. Wird beides verhindert, müssen die Mietenden alle Kosten allein tragen. Nach Berechnungen des Deutschen Mieterbundes (DMB) dürfte das in Berlin, das über ein Viertel seiner Wohnungen unter Milieuschutz gestellt hat, rund 245.000 Haushalte betreffen.

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Dass Vermietende nicht bestraft werden sollen, wenn rechtliche Vorgaben energetischen Sanierungen im Wege stehen, ist nachvollziehbar. Doch erschließt sich nicht, warum dies nicht auch für Mierterinnen und Mieter gilt – besonders wenn sie in Milieuschutzgebieten wohnen, in denen ja gerade Verdrängung aufgrund von steigenden Kosten verhindert werden soll. Auch unter Klimagesichtspunkten gibt es hier Verbesserungsbedarf. Eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung kommt zu dem Schluss, dass „gerade in Milieuschutzgebieten hohe Energieeinsparpotenziale bestehen und der spezifische Heizwärmeverbrauch deutlich gesenkt werden könnte“.
Wie groß die finanzielle Belastung für Mietende tatsächlich sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Erlöse aus dem Verkauf der CO₂-Zertifikate werden zum Teil in einen Klimasozialfonds gehen, der Endverbraucher:innen entlasten soll. In Deutschland wird das voraussichtlich in Form eines „Klimageldes“ geschehen, das direkt an alle Bürger:innen ausgezahlt wird. Die genaue Ausgestaltung ist noch offen und soll laut Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode in Angriff genommen werden.
Der DMB kritisiert unterdessen, dass CO₂-Kosten überhaupt an Mietende durchgereicht werden. Das Nutzungsverhalten habe nur geringen Einfluss auf den Energieverbrauch. Zudem würden Mietende über die Heizkostenabrechnung bereits verbrauchsabhängig belastet. Für die Einsparung von CO₂ seien vor allem energetische Sanierungen und Heizungssysteme relevant, auf die aber Mietende keinen Einfluss haben. Berliner Mieterverein und DMB fordern daher eine hinreichende Förderung energetischer Sanierungen für Vermietende und eine Begrenzung der Umlage auf Mietende, so dass Mieterhöhungen durch die Heizkosteneinsparung aufgewogen werden.
Tobias Becker
Heizkostenabrechnung muss CO₂-Preis-Anteil ausweisen
Bei zentraler Wärmeversorgung muss die CO₂-Aufteilung ab dem Abrechnungsjahr 2023 von Vermietenden berechnet und auf der Heizkostenabrechnung ausgewiesen werden. Fehlen diese Angaben, können Mieterinnen und Mieter die Heizkosten um 3 Prozent kürzen. Erfolgt die Wärmeversorgung dezentral wie etwa bei einer Gasetagenheizung, können Mietende die CO₂-Kosten selbst berechnen und diesen Anteil von ihrem Vermieter oder ihrer Vermieterin einfordern. Der DMB hat eine Informationsseite zur CO₂-Aufteilung inklusive eines Musterschreibens zur Geltendmachung des Erstattungsbetrags eingerichtet:
mieterbund.de/aktuelles/meldungen/co2-kosten-wie-bekommen-sie-ihr-geld-zurueck
Es gibt auch ein offizielles Berechnungs-Tool der Bundesregierung unter folgendem Link:
Mitglieder des Berliner Mietervereins haben zudem die Möglichkeit, sich bei der Berechnung des Erstattungsbetrags und der Forderung gegenüber den Vermietenden helfen zu lassen.
tb
24.01.2025